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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 10.12.2002 06:00

Vor der Nobelpreis-Verleihung in Stockholm
Mass nehmen für den grossen Auftritt

Im vorweihnächtlichen Stockholm laufen die Vorbereitungen für die Verleihung der Nobelpreise auf Hochtouren. Mit dem diesjährigen Nobelpreisträger für Chemie, Kurt Wüthrich, kommt auch die ETH Zürich zu Ehren. Bis es soweit ist, hatte Professor Wüthrich, zusammen mit den anderen Laureaten, einen reich befrachteten Fest-Parcours zu absolvieren.

Von Roman Klingler

Der Taxifahrer, der uns von der Altstadt Gamla Stan hinaus fährt zur Schwedisch Königlichen Akademie der Wissenschaften, ist gesprächig. So erzählt er davon, dass er erst vor ein paar Jahren mit dem eigenen Taxiunternehmen begonnen und zuvor lange Jahre auf der Gerichtsmedizin gearbeitet habe. Ursprünglich habe er Chemie studiert. In zwei, drei Jahren will er in Pension gehen.

Lokaltermin im Frackladen: Nobelpreisträger Kurt Wüthrich wird unter laufender Kamera Mass genommen für den obligaten Frack.

Das Pensionsalter rückt zwar auch bei Kurt Wüthrich näher, aber beim ETH-Professor ist nichts zu spüren vom Willen, etwas kürzer zu treten - im Gegenteil. Auf eine Frage, inwiefern der Nobelpreis denn plötzlich Türen geöffnet habe, erzählt Professor Wüthrich an einer ersten Pressekonferenz, dass nun in kürzester Zeit eine Lösung gefunden worden sei, um ihm seine Forschungsarbeit an der ETH inklusive Mitarbeiterstab und Laboreinrichtungen weiterhin möglich zu machen.

Imposante japanische Vertretung

Es ist der erste gemeinsame Auftritt der diesjährigen Preisträger in Chemie, Physik und Medizin, an diesem Samstagnachmittag. Gerade zwei japanischen Wissenschaftlern ist die Ehre des Nobelpreises zuteil geworden (Chemie und Physik). Imposant ist die Anzahl japanischer Medienleute, die so zahlreich sind im Saal wie japanische Touristen an einem schönen Wintertag in der Jungfraubahn auf dem Weg zum Jungfraujoch.

Forschende Fussballer im Vorteil

Im Gegensatz zu den geplanten Nobel-Lectures, die Vorlesungscharakter für ein naturwissenschaftlich geschultes Publikum haben, herrscht hier der lockere Gesprächston einer Männerrunde am Kamin. Professor John. B. Fenn beschreibt das Wesen der wissenschaftlichen Arbeit mit folgendem Bild: "Stellen Sie sich vor, sie laufen über Steine, schieben diese mit ihren Füssen beiseite und schauen, was uns die Natur darunter versteckt hält." Worauf Kurt Wüthrich spitzbübisch anfügt, um die Steine wegzukicken, helfe es sicher, wenn man etwas Fussball gespielt habe.

Der Frack ist parat

Seit Donnerstag ist Professor Wüthrich mit seiner Frau Marianne unterwegs, ein Empfang hier, eine Konferenz dort. Gesellschaftliche Termine jagen sich ohne Unterlass. Über die Einhaltung der Termine wachen persönliche Attachés, die den Nobelpreisträgern zugeteilt werden, wie auch jeder Laureat während seines Aufenthalts in Stockholm über einen Chauffeur mit Limousine verfügt. Kurt Wüthrich scheint sich durch die vielen Termine nicht ins Bockshorn jagen zu lassen: "Sie dürfen sich einfach nicht dagegen stemmen, sondern es einfach geschehen lassen", sagt er einer Tagi-Journalistin.


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Ein strahlender Kurt Wüthrich beim Verlassen der ersten Pressekonferenz in Stockholm.

Nichts scheint dem Zufall überlassen, alles gehorcht den gestrengen Regeln der nunmehr 100-jährigen Nobelpreis-Tradition. So auch die Kleidervorschriften, die für die Herren Nobelpreisträger gelten ("white tie and tails") wie auch für die Damen (long evening gown). Jarl Dahlquist nimmt schon seit über 30 Jahren Mass an den Ausgezeichneten, bevor diese ihre Urkunde aus den Händen des schwedischen Königs entgegennehmen können.

Wozu der Gurt auch noch dient

In der Aula Magna der Universität halten die Nobelpreisträger ihre "nobel lecture". Kurt Wüthrich betritt die Bühne nach seinen Kollegen John B. Fenn und Koichi Tanaka, die über ihre Forschung im Bereich der Massenspektrometrie berichten. Wüthrich zieht erst einmal seinen Gurt aus und veranschaulicht damit, was seine Methode von derjenigen seiner Kollegen unterscheidet: "Während sie bei ihrer Methode nur die Länge der Moleküle messen können, können wir mit der NMR-Methode auch die Faltung sichtbar machen." Der Weg zur ausgereiften Messmethode der dreidimensionalen Struktur und der Beweglichkeit der Moleküle war lang, das wird während seiner Vorlesung klar. Sein tour d'horizon spannt sich von den Anfängen seiner Forschung in den 60er Jahren bis hin zu aktuellen und zukünftigen Forschungsprojekten, die Wüthrich mit Verve und Leidenschaft vorträgt.

Einer von vielen Auftritten in den Tagen vor der Nobelpreis-Verleihung: die Pressekonferenz der Nobelpreisträger in Chemie, Physik und Medizin an der schwedisch königlichen Akademie der Wissenschaften.

Wenn heute Dienstag Kurt Wüthrich die begehrteste wissenschaftliche Auszeichnung aus den Händen des Schwedischen Königs erhält, dann bekommt sie ein Mann, der seinen Beruf seit vier Jahrzehnten als Berufung ausübt. Wohlverdient, da sind sich alle einig.


Literaturhinweise:
Live-Übertragung der Nobelpreisverleihung: www.ethlife.ethz.ch/wuethrichontv



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