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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 03.12.2004 06:00

Life Science Zurich: Xenotransplantation im Mittelpunkt
Das Schwein im Menschen

Heute aktuelle Science Fiction-Romane sind mehr als Kaffeesatz lesen. Die Thriller basieren meist auf harter Wissenschaft. Oft ist die Trennlinie zwischen Dichtung und Wahrheit nicht einfach auszumachen. Life Science Zurich (1), ein Projekt von Uni und ETH Zürich, stellte am Dienstagabend das Buch „Xenesis“ von Beat Glogger vor.

Von Michael Breu

Hotel Sheraton in Singapur: „Endlich! Mit einem tiefen Seufzer liess er sich rücklings aufs Bett fallen (…) Der Mann, der wenig später auf einer Bahre aus dem Hotel getragen und notfallmässig ins nächstgelegene Krankenhaus eingeliefert wurde, hörte nicht, dass der Notarzt einen Kollaps des Immunsystems als Folge einer allergischen Reaktion diagnostizierte. Auch ahnte er nichts davon, dass dabei in seinem Körper ein biologischer Prozess in Gang gesetzt worden war, der ihn zu einer Art Beweisstück machte. Zum Beweis für einen tödlichen Irrtum der modernen Medizin.“

Mit viel Adrenalin beginnt Beat Gloggers Thriller „Xenesis“ (2). Der Autor (3), vielen als langjähriger Moderator der Sendung „Menschen Technik Wissenschaft“ von SF DRS und als Autor von Fachbüchern zu Klimafragen bekannt, hat seinen Erstling veröffentlicht, seinen Erstling in der Sparte Science Fiction. „Nach vierzehn Jahren Wissenschaftsjournalismus stellte sich das Gefühl ein, alles gemacht zu haben. Ein Gefühl, das gleichermassen befriedigt wie auch frustriert“, sagt der studierte Biochemiker. Er habe sich gefragt, was sollte danach kommen? Die Antwort: „Es musste eine Grenze gesprengt werden. Die Grenze zwischen Fakten und Fiktion.“ Am Dienstagabend stellte Life Science Zurich, ein Projekt von Universität und ETH Zürich, das Buch im Studentencafé bQm der ETH vor.

Autor Beat Glogger: „Es musste eine Grenze gesprengt werden." Bild: scitec-media

Die Geschichte handelt von der Xenotransplantation, die im Roman bereits seit einigen Jahren praktiziert wird. Die Organe stammen dabei von gentechnisch veränderten und steril aufgezogenen Schweinen des privaten Transimmune Institute in Cambridge. Natürlich – das gehört zum Thriller – läuft nicht alles wie geplant: Eines Tages erkranken im Londoner St.James Hospital drei Frühgeborene an einer mysteriösen Krankheit, die zuerst als Grippe fehlinterpretiert wird. Bald aber steht fest, dass es sich um einen neuartigen Erreger handeln muss, um ein endogenes Retrovirus. Heldin der Geschichte ist die Infektiologin Narcy Perez Corrales, die zusammen mit dem Fernsehjournalisten Matthew Gallagher den Fall aufklärt bevor noch grösseres Unheil angerichtet wird.

Endogene Retroviren aus Schweineorganen machen dem Menschen zu schaffen. Bild: 3Sat/nano


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Xenesis-Rezension auf Amazon.de: „Kaum zu glauben, dass der Autor deutschsprachig ist, sind doch solche Thriller in Reinkultur eher Sache englisch sprachigen Autoren: Gründlich recherchiert, mit zahlreichen, in einander verwobenen Spannungssträngen. Ein Buch, das man so schnell nicht mehr aus den Händen legt." Bild: Rowohlt

„Ähnlichkeiten und Parallelen zu tatsächlichen Begebenheiten sind durchaus beabsichtigt“, sagt Beat Glogger, „denn sämtliche medizinischen Fakten und biologischen Ausführungen entsprechen dem aktuellen Stand der Wissenschaft.“ Das bestätigen Jörg Seebach, Immunologe am Unispital Zürich, und Jörg Schüpbach, Leiter des nationalen Zentrums für Retroviren, an der Buchpräsentation im bQm. Seebach diente im Buch als Vorbild für einen der Forscher, und Schüpbachs Kaffee-Ecke am Zürcher Institut wird in einer Beschreibung aufgenommen. Die wissenschaftlichen Fakten beurteilen Seebach und Schüpbach mit einem Schmunzeln: „Die Grundlagen sind korrekt, Xenotransplantation ist Realität. Aber nicht so, wie sie im Buch beschrieben wird.“

Hier beginnt die Linie, die zwischen Dichtung und Wahrheit trennt. Das ist auch in anderen Wissenschafts-Thrillern so. Auffallend ist, dass diese Trennlinie immer unschärfer wird. Während Mary W. Shelleys Dr. Frankenstein (1818) oder H.G. Wells Zeitmaschine (1895) noch auf der Phantasie der Autoren beruhte, stützen sich heute Schriftsteller wie Michael Crichton oder Richard Preston auf Fakten aus den Labors. Hot Zone zum Beispiel, Prestons Bestseller von 1995, diente Beat Glogger als Vorbild für „Xenesis“; Hot Zone beschreibt den Ausbruch der Krankheit Ebola in Zaire und die biologische Sicherheitsforschung am US-Army Medical Research Institute for Infectious Diseases in Fort Detrick (USAMRIID). Auch die Crichton-Romane stützen sich auf Wissenschaft: Jurassic Parc (1998) und Prey (2002) sind nur zwei Beispiele dafür.

Diese neue Generation von Science Fiction-Literatur liest sich deshalb spannender – weil realer. Das bringt nicht nur Vorteile mit sich. Nach der Publikation von Hot Zone und Jurassic Parc entbrannte ein Protest gegen Forschungsarbeiten in der Molekularbiologie, und aufgrund von Prey forderte Greenpeace sogar ein Moratorium für Nanotechnologie.

Beat Gloggers „Xenesis“ wird die Diskussion kaum so stark anregen wie Prestons und Crichtons Thriller. Aus einem einfachen Grund: Der Boom der Xenotransplantation ist vorbei, die Hoffungen wurden mehrheitlich aufgegeben. Sogar der in diesem Bereich führende Basler Pharmamulti Novartis (im Buch als Medinova beschrieben) hat sich weitgehend aus dem Forschungsgebiet verabschiedet. Nur noch einzelne Forschungsinstitute befassen sich auf diesem Gebiet. Das heisst aber nicht, dass das Buch weniger interessant ist, ganz im Gegenteil: „Xenesis“ ist lesenswert und kann ohne weiteres in die Bibliothek zwischen Preston und Crichton eingereiht werden.


Fussnoten:
(1) Life Science Zurich: http://www.lifescience-zurich.ch
(2) Beat Glogger: „Xenesis“, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2004 (383 S.; sFr. 16.50): www.rowohlt.de/
(3) Homepage Beat Glogger: http://www.scitec-media.ch



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