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Rubrik: ETH-Debatte
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Publiziert: 18.12.2006 06:00

ETH-Debatte: nationale Projekte
Engineering-Grossprojekt der beiden ETH

Die ETH Zürich hat dem ETH-Rat das Projekt „Quantum Tera-Scale“ vorgestellt, ein Grossprojekt im Bereich Ingenieurwissenschaft, das den Kriterien für „Projekte von nationaler Bedeutung“ genügt, wie sie im Entwurf des Leistungsauftrags des Bundesrates an den ETH-Bereich im Rahmen der BFI-Botschaft verschiedentlich erwähnt werden. Es soll gemeinsam mit dem Projekt „Nano Giga“ der EPFL realisiert werden. Charakteristisch für solche schweizerischen Grossprojekte ist, dass sie aus politischer Sicht eine hohe Relevanz haben und von einer übergeordneten Stelle vorgegeben werden. Dabei stellt sich die Frage nach Sinn und Bedeutung solcher Grossprojekte aus Sicht der Forschung. Ein Interview mit Rüdiger Vahldieck, Professor für Feldtheorie am Institut für Feldtheorie und Höchstfrequenztechnik.

Interview: Verena Schmid Bagdasarjanz

In den vergangenen Wochen ist eine Diskussion über die so genannten „Projekte von nationaler Bedeutung“ entbrannt. Wann sind solche Grossprojekte sinnvoll?

Projekte von nationaler Bedeutung sollten dem Forschungs- und Industrieplatz Schweiz als Ganzes dienen. Regionalpolitische Überlegungen sollten nicht im Vordergrund stehen. Dabei ist wichtig, dass man sorgfältig und kritisch definiert, was man unter „nationaler Bedeutung“ versteht. Schliesslich wollen wir als Land davon profitieren und nicht nur regionalen Ausgleich betreiben.

Welche Bedeutung haben solche hochschulübergreifende Projekte für die Forschungstätigkeit der ETH Zürich?

Für die Forschungstätigkeit an der ETH Zürich sind solche Projekte von grosser Bedeutung, weil sie eine Plattform bilden, auf der man von bestehenden Stärken ausgehend in viel grösserem Massstab, viel intensiver und nachhaltiger forschen kann. Die gezielte Zusammenarbeit mit anderen Forschungsgruppen führt oftmals viel schneller zu Ergebnissen, die in kleinen Forschungsgruppen nicht oder nur viel langsamer erreichbar wären.

Wie soll die Themenwahl solcher Projekte erfolgen? Inwieweit sollen die Forschenden selber einbezogen werden?

Die erfolgreichsten Projekte sind immer noch diejenigen, die „bottom up“ entstehen. Das heisst, dass Forschende oder einzelne Forschungsgruppen mit komplementären Fähigkeiten sich zusammentun, um ein relevantes Forschungsziel zu formulieren und die Finanzierung zu beantragen. Problematisch kann es sein, wenn Projekte „von oben“ ohne Einbezug der Forschenden verordnet werden, wie es in der jüngsten Vergangenheit vorgekommen ist. Ein solches „administratives Forschungsmanagement“ kann Gefahr laufen, nicht genügend durch Fachwissen und wissenschaftliche Kompetenz abgestützt zu sein und finanzielle Mittel für den Forschungsplatz Schweiz nicht optimal einzusetzen.

Eine Eigenheit solcher „Grossprojekte“ ist die Zusammenarbeit verschiedener Forschungsanstalten unter Federführung einer Institution. Welches sind Ihre Erfahrungen mit derartigen Kooperationen?

Die Federführung soll diejenige Institution wahrnehmen, die am meisten wissenschaftliche Kompetenz in das betreffende Projekt einbringen kann. Allenfalls sind auch Modelle mit rotierender Führung denkbar. Nebst der Frage der Führung ist es wichtig, dass die Mittelvergabe objektiv, transparent und nach inhaltlichen Kriterien erfolgt. Nur wenn diese Kriterien erfüllt sind, ist es möglich, dass die Kollegen zusammenarbeiten können und ein Vertrauensverhältnis entsteht.

Forschungsprojekte von nationaler Bedeutung weisen einen hohen Finanzbedarf auf. Wie sollen solche Projekte finanziert sein? Soll der Nationalfonds oder der ETH-Bereich separate finanzielle Ressourcen bereitstellen oder sollen solche Projekte von Hochschulen initiiert und aus der Grundfinanzierung heraus bzw. mit Drittmitteln finanziert werden?

Projekte von nationaler Bedeutung dienen der Zukunftssicherung der schweizerischen Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft als Ganzes. Hier sind Mittel notwendig, die weit über den gegenwärtigen Finanzierungsrahmen der Hochschulen und des Nationalfonds hinausgehen. Durch die NFS werden vom Nationalfond bereits gezielt wissenschaftliche Themenbereiche gefördert. Das reicht aber nicht aus, wenn man einen Vergleich mit den finanziellen Anstrengungen anderer Länder anstellt, die ebenfalls rohstoffarm und zunehmend von einer „Knowledge“-Industrie abhängig sind. Singapur beispielsweise investiert Milliardenbeträge in Forschungsprojekte von nationaler Bedeutung.

Die ETH Zürich hat „Quantum Tera-Scale Systems“ als nationales Kooperationsprojekt vorgeschlagen, die EPFL „Nano-Giga Systems“. Was zeichnet die beiden Projekte aus?

In der Physik und auch in den Life Sciences gibt es schon eine längere Tradition für grosse Projekte die schweizweit vernetzt sind und die Stärken verschiedener Institutionen vereinen. In den Ingenieurwissenschaften hat es das bisher nicht gegeben. Mit „Quantum Tera“ als auch mit „Nano-Giga“ haben wir jetzt zwei Projekte vorliegen, die wegen teilweise überlappender und komplementärer Themenstellungen zu einem ingenieurwissenschaftlichen Grossprojekt zusammengeführt werden sollen.

Und was macht ein solches Projekt zu einem nationalen Projekt?

Schweizerische Forschungsinstitutionen und Firmen sind international führend in vielen Aspekten einer neuen ICT Infrastruktur mit breiter Erfahrung im Bereich der Systeme, Software, Komponenten und deren Anwendungen. Diese führende Rolle eröffnet einmalige Gelegenheiten für die schweizerische akademische und industrielle Gemeinschaft als starke Kraft im internationalen Wettbewerb aufzutreten und durch Forschung und Lehre die Richtung massgeblich zu beeinflussen. Hier sehen wir mittel- und langfristig ein grosses Potential für kleine und grosse neue Industrien. Wir müssen einsehen, dass die Schweiz weltweit gesehen, im Rennen um eine führende Position in der Mikroelektronik heute nicht an vorderster Stelle mitspielt. Mit dieser Initiative wollen wir sicherstellen, dass das in Zukunft anders wird und die Schweiz auf die Möglichkeiten der zukünftigen Mikro- und Nanotechnologie und den daraus entstehenden neuen Märkten, insbesondere auch im Kommunikationsbereich, gut vorbereitet ist.


Plädiert für einen bottom-up-Ansatz auch bei Grossprojekten: Rüdiger Vahldieck, Professor für Feldtheorie am Institut für Feldtheorie und Höchstfrequenztechnik der ETH Zürich.


Quantum Tera-Scale und Nano-Giga Systems

Mit „Quantum Tera“ schlägt die ETHZ den Aufbau eines schweizweit koordinierten Forschungs- und Entwicklungsnetzwerks im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) vor. Mit der gleichen Zielsetzung wird von der EPFL „Nano-Giga“ vorgeschlagen. Während „Quantum Tera“ sich stark auf die Herausforderungen der nächsten 5-15 Jahre im Bereich der Mikro- und Nanotechnik, der Informationstechnologie, der Softwareentwicklung und den möglichen Auswirkungen neuartiger Quantenbausteine konzentriert, liegt der Schwerpunkt bei „Nano-Giga“ auf den Anwendungen der Mikro-und Nanotechnik im Bereich der ICT und den damit verbundenen Herausforderungen über die nächsten 5 Jahre. „Nano-Giga“ verfolgt über einen kürzeren Zeitraum ähnliche Fragestellungen wie „Quantum Tera“. Beide Projekte sind deshalb teilweise überlappend und in vielen Aspekten komplementär.

Aus diesem Grund hat der ETH Rat entschieden, beide Projekte zu einem Grossprojekt von nationaler Bedeutung zusammenzuführen und entsprechend zu finanzieren. Dabei wird es kein Leading House geben, und die operative sowie wissenschaftliche Führung soll transparent und nach internationalen wissenschaftlichen Kriterien gestaltet sein.

Die ICT wird in den kommenden Jahren eine zentrale Rolle spielen, nicht zuletzt wenn es darum geht, neuen Herausforderungen – Klimaveränderung, Energieknappheit, Umweltbelastung, Medizin – zu begegnen. Die konzeptuellen Durchbrüche der letzten Jahre machen immer kleinere Bauteile und höhere Integrationsdichten möglich die zu immer grösserer Funktionalität der Komponenten führen. Andererseits können auf der Grundlage einer immer höheren „Intelligenz“ der Einzelkomponenten immer grössere Informations- und Kommunikationssysteme gebaut werden. Die ICT entwickelt sich damit sehr dynamisch und wird unsere künftige gesellschaftliche Entwicklung in noch stärkerem Masse als bisher beeinflussen. Folgerichtig wird der ICT Bereich als einer der weltweit stärksten Wachstumssegmente eingeschätzt..

Die Informations- und Kommunikationstechnik ist eine zunehmend interdisziplinär ausgeprägte Ingenieurwissenschaft in der die ETH Zürich international unter den acht stärksten Institutionen und in Europa an erster Stelle rangiert. Die vorhandenen spezifischen Stärken der ETHZ und der EPFL sollen bei dieser übergreifenden Initiative zur Geltung kommen und weiter verstärkt werden. Die Kombination von systemtheoretischen, Software und Technologie Aspekten der Informations- und Kommunikationstechnologie ist die grosse Stärke in diesem Verbund. Diese anerkannten Kompetenzen im ETH Bereich werden ergänzt durch zahlreiche weitere eng verwandte Aktivitäten anderer Institutionen und Industrien in der Schweiz.

Die vorgeschlagene Forschungsinitiative führt zwei gegenläufige Trends zusammen: der eine zu immer kleineren Systemkomponenten extrem hoher Funktionalität und der andere zu einer immer grösseren, verteilten Informationsinfrastruktur, die aus Milliarden dieser intelligenten Systemkomponenten besteht. Daraus leitet sich auch der Name „Quantum Tera-Scale Systems“ oder „Nano-Giga Systems“ ab, wobei der neue Name der Initiative noch nicht feststeht.

Schwerpunkte des gemeinsamen Forschungs- und Entwicklungsnetzwerks sind:

– Entwicklung von extrem grossen („large-scale“) verteilten (vornehmlich drahtlosen) Informationsverarbeitungssystemen deren Knotenanzahl im Giga/Terabereich liegt und für die neue Wege gefunden werden müssen, wie deren Kommunikation sichergestellt werden kann.

– Erweiterung der Grenzen heutiger Herstellungstechnologien weit in den Nanobereich und darüber hinaus.

– Entwicklung einer algorithmischen Basis und Software-Technologie, um einen sicheren, planbaren, effizienten und ausfallsicheren Betrieb solcher Systeme zu garantieren.

– Erstellen von Prototypen als Demonstratorobjekte und Technologietreiber.

– Entwicklung von „High Performance Computing“ und Netzwerken, um die Übertragung und die Verarbeitung von enorm grossen Datenmengen zu ermöglichen und den schweizerischen Bedarf an Rechnerleistung sicher zu stellen.

– Entwicklung neuer Konzepte für die nächste Generation von ICT Systemen durch hoch risikoreiche aber auch sehr gewinnträchtige Forschungsinitiativen, basierend auf den Errungenschaften der Quantenphysik..

Die Kombination aus „Quantum Tera“ und „Nano-Giga“ ist eines der ersten Megaprojekte in der Schweiz das schwerpunktmässig im Ingenieurbereich angesiedelt ist und sich einem der wichtigsten Themen der zukünftigen Industrie- und Wissensgesellschaft widmet: wie sieht unsere zukünftige ICT Infrastruktur aus und wie kann aus diese zum Nutzen der schweizerischen Industrie umgesetzt werden. Mit diesem Projekt kann die Schweiz als starke Kraft im internationalen Wettbewerb auftreten und die zukünftige ICT Infrastruktur sowie die Forschung und Lehre in diesem Bereich massgeblich beeinflussen. Für neue, kleine und grosse Industrien in der Schweiz ergibt sich damit ein enormes Wirtschaftspotential. Am schweizweiten Netzwerk „Quantum Tera/Nano-Giga“ nehmen neben der EPFL und der ETHZ auch andere Universitäten, Fachhochschulen und Industrieunternehmen teil, aber beispielsweise auch das PSI, IBM Rüschlikon, das CSEM, die EMPA oder das CSCS in Manno.






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