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Rubrik: ETH-Debatte

ETH-Debatte: Professoren kritisieren Entwurf zum Leistungsauftrag
„Kompetenzen der ETH Zürich werden ignoriert“

Published: 05.12.2006 06:00
Modified: 12.01.2007 23:19
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Der Leistungsauftrag des Bundesrates an den ETH-Bereich ist die zentrale Richtschnur für Lehre, Forschung und Innovation an der ETH für die Jahre 2008 bis 2011. (1) Der in die Vernehmlassung gegebene Entwurf hat bei den ETH-Professoren heftige Reaktionen ausgelöst. Warum, erläutert hier Renato Zenobi. Der Chemieprofessor ist gleichzeitig Präsident der Konferenz des Lehrkörpers und Präsident der Hochschulversammlung.



Interview: Norbert Staub (mailto:norbert.staub@sl.ethz.ch)

Herr Zenobi, Sie haben sich intensiv mit dem vorliegenden Entwurf zum neuen Leistungsauftrag für den ETH-Bereich auseinandergesetzt. Was stört Sie als ETH-Professor daran am meisten?

Renato Zenobi: Das Dokument erweckt zum Beispiel den Eindruck, dass die ETH Zürich im Vergleich zur EPF Lausanne eher stagniert und illustriert dies mit Zahlen. Dabei wird völlig ausgeblendet, dass der Zuwachs in Lausanne zumindest teilweise auf den Transfer der Naturwissenschaften von der Uni Lausanne an die EPF zurückzuführen ist. Weiter scheint die Zuordnung der Federführung bei Projekten von nationaler Bedeutung weniger wissenschaftlich als politisch begründet zu sein.

Woran zeigt sich das?

Etwa bei den bildgebenden Verfahren oder den Informationstechnologien, wo die ETH Zürich trotz ihrer ausgewiesenen Spitzenposition gegenüber Lausanne das Nachsehen hat. Dann die Finanzierung: Der Entwurf will die stabile Grundfinanzierung zugunsten von teilweise schlecht definierten und undurchsichtigen nationalen Grossprojekten reduzieren. Und schliesslich sehen wir die gesetzlich festgeschriebene Autonomie der ETH Zürich grundsätzlich in Frage gestellt, da der ETH-Rat vermehrt operativ eingreifen möchte. Auf der anderen Seite werden offene Türen eingerannt.


ETH-Debatte
In der "ETH Life"-Spezialrubrik "ETH-Debatte" thematisieren wir in den kommenden Wochen zentrale hochschulpolitische Fragen. Zur Rubrik gelangen Sie hier: www.ethlife.ethz.ch/articles/ETHdebatte/

Welche?

Beispielsweise soll die Lehre verbessert werden – das treiben wir an der ETH bereits stark voran. Zudem soll der ETH-Bereich ein Selektionsverfahren entwickeln, das die Studierenden unabhängig von Geschlecht und Herkunft zum erfolgreichen Abschluss führt. Wir haben an der ETH bereits eine ausgezeichnete Selektion. Zudem betreiben wir mit ACAP ein Pionierprojekt zur Verbesserung des Übergangs Maturität-Hochschule. Es leuchtet also nicht ein, was das Ziel erreichen soll.

Wie beurteilen Sie die grundsätzlichen Ziele des Auftrags?

Auch da ist Kritik angebracht. So ist der Entwurfstext beim Ziel „Förderung der Innovationskraft der Schweiz“ stark auf so genannte „Kompetenzzentren in zukunftsträchtigen Gebieten“ fixiert und auf die „Bedürfnisse der Gesellschaft und der Industrie“. Das widerspricht der Verpflichtung der ETH, auch und gerade „High risk“-Forschung zu fördern. Ihr Nutzen ist kurzfristig nicht prognostizierbar, langfristig kann sie aber wegweisend sein. Und was „zukunftsträchtig“ bedeutet, da scheiden sich die Geister. Es gibt sehr viele solcher Schlagworte und Floskeln, die in einem Leistungsauftrag an die ETH nichts zu suchen haben. Schlimmer noch ist, dass das wissenschaftliche Gewicht der ETH Zürich in dem Papier generell nicht angemessen dargestellt wird.

Können Sie das erläutern?

Wir finden – ich spreche jetzt für die "Leistungsträger", die Doktorierenden, Post-docs, und Dozierenden der ETH –, dass die führende Stellung der ETH Zürich in vielen Forschungsbereichen über weite Strecken ignoriert oder ihr sogar aberkannt wird. Zum Beispiel ist nicht nachvollziehbar, dass uns ausser beim Systembiologie-Verbund „SystemsX“ die Leading-House-Rolle in vielen Bereichen trotz unserer fachlichen Führungsposition nicht zuerkannt wird.

Die wissenschaftliche Stärke der ETH Zürich wird im Leistungsauftrag des Bundes an die ETH nicht angemessen berücksichtigt, findet Chemieprofessor Renato Zenobi, Präsident der Konferenz des Lehrkörpers der ETH Zürich.

Wo konkret?

Das passiert zum Beispiel beim Projekt „Nano-Giga“ im IT-Bereich, das laut Entwurf von der EPF Lausanne geführt werden soll. Bei diesem Themenbereich existiert eine sehr ähnliche, an der ETH Zürich entstandene Idee, Quantum - Tera, die 2005 dem ETH-Rat auch unterbreitet, jedoch von diesem, wie sich jetzt zeigt, nicht aufgenommen wurde. Dasselbe gilt für das Zentrum „Biomedical Imaging“ (NCCBI): Allen ist klar, dass hier die ETH Zürich eine enorme Kompetenz aufweist. Der ETH-Rat hat im Sommer 2006 auch beschlossen, dass das NCCBI als gemeinsames Zentrum operieren wird. Trotzdem wird - in einer Fussnote - die EPFL hier als Leading House aufgeführt. Das ist nicht nachvollziehbar. Zudem: Nicht einmal erwähnt werden in dem Papier die Kompetenzzentren CCEM (Energie und Mobilität) und CCES (Umwelt und Nachhaltigkeit). Aber beide sind für die ETH Zürich von grosser Bedeutung.

Leading House ja oder nein: Warum ist das denn so wichtig?

Es nicht zu sein, hat sehr konkrete finanzielle Folgen. Denn der Drittmittelausweis bei solchen nationalen Grossprojekten geht zu 100 Prozent an das Leading House, egal wo das Geld eingesetzt und die Arbeit gemacht wird.

Haben Sie noch andere Kritikpunkte?

Ja. Der Auftragsentwurf bevorzugt viel zu stark die „Top down“-Forschungsprojekte. Der ETH-Rat soll demgemäss zur Förderung wissenschaftlicher Exzellenz weitere Kompetenzzentren, Leading Houses, strategische Allianzen und anderes gründen. Das finden wir sehr problematisch. Erstens wächst mit neuen Überstrukturen der administrative Aufwand, und solche Zentren sind oft schwerfällig. Kommt hinzu, dass die dazu nötigen Finanzen nicht zusätzlich gesprochen werden, sondern anderen Bereichen entzogen werden und dort fehlen.

Finden Sie denn, man könnte ganz auf Kompetenzzentren verzichten?

Ich bin überzeugt, dass Bottom-up-Forschung letztlich den grösseren Effekt hat. Wenn man schon Verbünde schafft, sollen sie wie gesagt die Kräfteverhältnisse spiegeln. Diese sind nun einmal so, dass die ETH Zürich in zahlreichen Gebieten Weltspitze darstellt. Dem wird dieser Entwurf leider nicht gerecht.

Wo orten Sie sonst noch Nachbesserungsbedarf?

Teilweise werden sehr konkrete Ziele genannt, die nicht in ein strategisches Dokument passen. Etwa die Chancengleichheit, eine Elektronische Bibliothek oder eine Authentifizierungs-Infrastruktur. Und gar nicht einverstanden sind wir mit dem nicht begründeten Vorschlag, das der ETH Zürich angeschlossene Hochleistungsrechenzentrum in Manno stärker vom ETH-Bereich her zu steuern. – Kurz: Das Papier hat gravierende Schwächen und muss zwingend gründlich überarbeitet werden.

Footnotes:
(1 Siehe dazu u.a. den "ETH Life"-Bericht „Weckruf an die Politik“ vom 20.10.2006: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/bildungsgipf.html


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