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Rubrik: Forum zur ETH-Debatte
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Publiziert: 11.12.2006 06:00

Kompetenzen der ETH Zürich werden ignoriert
ETH Debatte "Leistungsauftrag"

Von Theo Wallimann

Ich gehe mit Herrn Prof. Renato Zenobi vollständig einig, dass uns Forschern mittels Top down-Strategie Projekte von internationaler Bedeutung nach Schlagworten und Modekriterien, von Politikern bestimmt, sozusagen "verordnet" werden. Dies nach dem Prinzip: Wenn Ihr Geld für Eure Forschung wollt, dann forscht bitte in den von uns als wichtig erkannten und definierten Gebieten!".

Beispiele dazu liefern die EU Forschungsförderungs-Programme FP-6 und FP-7. In letzterem gibt es jetzt zwar einen relativ kleinen Betrag für individuell eingereichte Forschungsgesuche. Man findet sich plötzlich als Mitglied eines EU Riesenkonsortiums, das aus 23 Forschungsgruppen besteht, die sich zusammengerauft haben, um angeblich zu kollaborieren, in der Praxis aber eher um an die riesigen Geldmengen heranzukommen. Und dann merkt man, dass mindestens acht dieser 23 Forschungsgruppen am genau gleichen Thema arbeiten, in Wirklichkeit also Konkurrenten sind. Die Verklemmtheit an den von der EU regelmässig verordneten Meetings zum Austausch der innnerhalb eines solchen Programmes erarbeiteten Resultate und wissenschaftlichen Daten könnte nicht grösser sein, weil keine der Gruppen ihre Geheimnisse, effektiven Resultate und den Stand des effektiven Forschungsprojektes preisgeben will. Auf dem Papier arbeitet man zwar zusammen und vermittelt diesen Eindruck auch nach aussen.

Ich halte nichts von verordneten Schwerpunkt-Forschungsprogrammen, verordneten und erzwungenen so genannten Netzwerken, auch nichts von politischen Instanzen verordneter Schlagwortforschung. Das Prinzip, dass innovative und risikoreiche Forschung mit entsprechend guten Resultaten meist in kleinen Arbeitsgruppen entsteht, die dank ihrer Exzellenz durchaus in der Lage sind, wenn nötig auch ihre Netzerke zu bilden, die aber nicht von oben verordnet werden müssen, hat sich bewährt. Diese sind aber aktuell sehr bedroht. Bottom up entsteht in den meisten Fällen viel bessere Grundlagenforschung. Das beweist die Geschichte der Wissenschaft und mit dem aktuell überbordenden Aktivismus der Kontrollitis und Evaluitis zerstören wir fruchtbare Keimzellen solcher Exzellenz.

Ich empfehle deshalb jedem Forschungspolitiker, Hochschulpolitiker, Bildungspolitiker, sowie den NF und EU Grant-Administratoren die Lektüre des Buches "Theorie der Unbildung", in dem sich der Wiener Philosoph, Konrad Liessman sehr kritisch mit der heutigen Bildungsreform und der Entwicklung in Sachen Forschungsförderung, dem Evaluierungs- und Kontrollwahn auseinandersetzt und er die Befürchtung ausspricht, dass die heutigen Hochschulen zu Ausbildungsstätten degenerieren und der ursprüngliche, echte Bildungsauftrag der Hochschulen zur Farce wird.

In diesem Sinn sollten Bottom up-Forschungsprojekte von kleinen Arbeitsgruppen wieder vermehrt gefördert werden. Dort wird der Kontrollwahn durch Eigenverantwortung ersetzt, Innovation entsteht und es wird nicht vorhersehbare, planbare (predictable) Forschung gemacht nach dem Motto: "Seht her, liebe Granting Agencies, unsere Resultate sind genau so herausgekommen, wie wir vorausgesagt haben. Weil wir so gut sind, ist unsere Forschung mit weiteren Geldern zu belohnen". So entsteht keine Innovation. Die Wissenschaftsgeschichte zeigt deutlich, dass Innovation und wirklich bahnbrechende, revolutionäre, neue Erkenntnisse viel mehr mit "unexpected" als mit "predicted" zu tun haben und dass nur in den seltensten Fällen die Ideen, die zu einem wissenschaftlichen Durchbruch geführt haben, je in einem Forschungsantrag aufgeführt waren. Durchbrüche sind meistens aus völlig unerwarteten Ergebnissen hervorgegangen, wo im Laufe der Entwicklung die von konservativen Forschern als verrückt geltenden Ideen schliesslich obsiegt haben.

Meine Empfehlung deshalb an die Hochschulpolitiker und Granting Agencies:

Erstens: Fördern Sie Wissenschaftler mit unkonventionellen Ideen und weniger solche Forscher, welche die Resultate zu ihrem neuen Forschungsantrag bereits in der Schublade haben. Nur so werden wir innovativ und erfinderisch bleiben und wieder vermehrt werden können.

Zweitens: Fördern Sie die Zusammenarbeit unter Wissenschaftlern an derselben Hochschule. Kreieren Sie Anreize für interdisziplinäre Zusammenarbeit, z.B. in Form von Prämien, ausgeschüttet von der ETH, für jede intramural entstandene interdisziplinäre Publikation zwischen Instituten der ETH. So wird es aufhören, dass sich die verschiedenen Mitglieder einer Hochschule, die um denselben Geldtopf streiten, sich als Konkurrenten sehen. Stattdessen könnten sie sich in Zukunft als Teams und Teile eines Ganzen verstehen.

Drittens: Es darf nicht sein, dass berühmte ETH-Professoren anderen, weniger berühmten Mitgliedern derselben Hochschule den Zugang zu ihren, mit Steuergeldern finanzierten, teuren Apparaten verweigern, was im ETH-Bericht immer wieder vorkommt (Beispiele können auf Verlangen gegeben werden).

Das wären einige leicht und schnelll umzusetzende konkrete Massnahmen, die die Innovation und Produktivität unserer ETH massgeblich fördern könnten. Ich hoffe, damit einen konstruktiven Beitrag zu dieser Diskussion gemacht zu haben.





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