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Rubrik: Campus Life
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Publiziert: 21.06.2002 06:00

Netzwerkspezialist Armin Brunner über die TV-Absichten hinter dem WM-"Feldversuch"
Heute WM - morgen Campus-TV

Eigentlich ist er ein "Fussballmuffel". Trotzdem ermöglichte er die Live-Übertragung der Fussball-Weltmeisterschaft ins Netz der Schweizer Hochschulen. Im Interview mit "ETH Life" informiert Armin Brunner über die Hintergründe seines äusserst populären WM-"Feldversuchs" für ein zukünftiges Campus-TV.

Von Jakob Lindenmeyer

Herr Brunner, sind Sie fussballsüchtig?

Armin Brunner: Ganz im Gegenteil. Für Fussball interessiere ich mich überhaupt nicht. Die aktuelle WM war einfach eine einzigartige Gelegenheit, einen gross angelegten Belastungstest des Schweizer Hochschulnetzwerks durchzuführen. Die WM ist für uns kein Selbstzweck. Bei mir steht die Technik klar im Vordergrund. Ich bin aber froh, dass es an der ETH und den andern Schweizer Unis so viele Fussball-Fans gibt.

Was ist denn so toll daran?

Brunner: Je mehr Leute die WM über das Hochschulnetz schauen, desto aussagekräftiger wird unser Test über die Leistungsfähigkeit unseres Netzwerks. Nicht, dass Sie dies falsch verstehen: Dies ist keine Aufforderung, um meine Kollegen von der Arbeit abzuhalten. Durch die unübliche Zeitverschiebung nach Fernost ist es dank der Multicast-Übertragung allerdings möglich, dass die echten Fussball-Fans unter den ETH-Mitarbeitern jeweils Morgens und Nachmittags nicht blau machen müssen, sondern die Spiele auch am Arbeitsplatz mitverfolgen können.


Fussballmuffel ermöglicht WM-Übertragung

Der 40-jährige Informatik-Ingenieur Armin Brunner ist seit zwei Jahren Leiter der Sektion Kommunikation der ETH-Informatikdienste. Obwohl er sich nicht im geringsten für Fussball interessiert, kam die Anregung zur WM-Übertragung ursprünglich von ihm. Die erfolgreiche Umsetzung schliesslich war dann ein gemeinsames Projekt seiner Sektion zusammen mit dem Network for Educational Technology (NET).



Können Sie einem echten Fussball-Fan denn auch genügend bieten?

Ich halte die Übertragung für gut genug, um die Fussball-Fans zu befriedigen. Die Rückmeldungen jedenfalls sind enthusiastisch, ausgenommen dort, wo Installations- und Übertragungsprobleme auftreten (siehe die Leserbrief-Rückmeldungen "Wer kann diesen Unfug stoppen?" unter (1)

Ist der Ball denn nun auch wirklich schön rund? Oder doch nur rucklig und eckig?

Das hängt stark von der Entfernung des Balles und von der Auflösung ab. Wir übertragen für die Hochleistungsnetze einen Datenstrom von drei Megabit pro Sekunde. Dies entspricht der halben Auflösung eines Fernsehbildes, aber mit derselben Bildgeschwindigkeit. Die Qualität ist vergleichbar mit einem VHS-Video. Es läuft qualitativ also auf dasselbe hinaus, ob der Fan das Spiel nun am Arbeitsplatz verfolgt oder zuhause auf Video aufnimmt - ausser dass er den Match bei uns eben live geniessen kann!

Lässt sich die WM denn nun von jedem ETH-Rechner aus mitverfolgen?

Fast jedem. Es gibt leider einige Arbeitsplätze an der ETH, die noch an einem langsamen 10 Megabit-Netzwerk hängen. Sobald die Leute dort verschiedene TV-Kanäle auswählen, wird das Arbeiten schwierig, beispielsweise an der Uni Irchel oder in den alten Chemiegebäuden. Aus diesem Grund mussten wir in Schlieren ein Subnet für die WM sperren. Gesperrt haben wir auch die Studentenräume, weil es dort sowieso schon zuwenig Rechnerarbeitsplätze gibt. Da wollen wir mit der WM-Übertragung nicht noch mehr Leute anlocken. Allerdings funktioniert die Übertragung nicht nur an der ETH Zürich, sondern auch an der EPFL, der Uni Genf, sowie in den Rechenzentren der Unis Zürich und Bern. Seit dieser Woche haben wir aufgrund von massivem Druck seitens unserer "Kunden" die WM-Übertragung neu auch aufs Funknetz der ETH aufgeschaltet.


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WM
Netzwerkspezialist Armin Brunner meint aufgrund des erfolgreichen WM-Feldversuchs: "Wir sind bereit für ein Campus-TV!" gross

Ein Funknetz-Test des Autors auf der Polyterrasse ergab aber nur langsam ruckelnde Bilder. Ist die Technologie doch noch nicht ganz ausgereift?

Die Übertragung via IP-Multicasting (siehe Kasten) wurde für Hochleistungsnetzwerke entwickelt. Das Funknetz der ETH mit einer Bandbreite von rund 5 Megabit pro Sekunde ist aber alles andere als ein Hochleistungsnetzwerk. Sobald zwei Personen verschiedene TV-Kanäle anwählen, ist das Netz verstopft. Doch beim ETH-Funknetz ist das nicht so schlimm, denn es trifft jeweils nur die maximal einige Dutzend Benutzer der jeweils nächsten Empfangsantenne. Da deren Reichweite nur wenige Dutzend Meter beträgt, sollte die soziale Kontrolle noch funktionieren. Mein Tipp an die Funknetz-Surfer: Einigt Euch auf den Slow-Ethernet-Kanal für langsamere Netzwerke.


IP-Multicasting: Internet-Video für alle gleichzeitig

Die bei der WM-Übertragung im Schweizer Hochschulnetz eingesetzte Technologie nennt sich "IP-Multicasting". Ein MPEG1-Encoder wandelt die Fernsehsignale von vier TV-Sendern (SAT1, ARD, ORF und wahlweise TF1 oder RAI) um in einen Multimedia-Datenstrom von wahlweise 512 KBit/s, 1,5 MBit/s oder maximal 3 MBit/s. Ein Server schickt diesen Datenstrom nur einmal ins ETH-Netz, wo er nach dem IP-Multicast-Prinzip verbreitet und an alle "Endkunden" verteilt wird. Dabei sendet die Quelle nicht an die IP-Adresse eines einzelnen Computers, sondern verwendet als Zieladresse eine spezielle Multicast-Gruppenadresse.

Der Vorteil des Multicastings gegenüber dem auch von ETH Life eingesetzten herkömmlichen Video-Streaming per Unicasting liegt primär in der Skalierbarkeit: Das Hochschulnetz wird nicht mehr belastet, ob nun 10 oder 10'000 Personen dieselbe WM-Übertragung mitverfolgen. IP-Multicasting ist eine Technologie, die bereits in den frühen 90er Jahren entwickelt wurde, sich bisher aber noch nicht wirklich durchsetzen konnte.



Wieso haben Sie IP-Multicasting denn nicht schon für die Übertragung der WM 1998 in Frankreich eingesetzt?

IP-Multicasting ist zwar keine neue Technologie, aber sie muss noch wesentlich stabiler werden, damit wir sie global einsetzen können. Das Protokoll ist immer noch zu komplex. Insbesondere die Software - speziell der Rendezvous-Point - skaliert nicht endlos. Hier ist noch etwas Forschung nötig. Genau um solche Belastungsgrenzen abzuklären, machen wir diese WM-Übertragung.

Also doch noch kein generelles Fernseh-Gucken über den Computer?

Noch nicht. Aber IP-Multicasting wird schon sehr bald eine enorme Bedeutung bei der Verbreitung von Multimedia-Content bekommen. Vor allem wenn es darum geht, eine grosse Anzahl von Leuten gleichzeitig mit solchen Inhalten zu beglücken, ist IP-Multicast die ideale Technologie. Beispielsweise für die Übertragung von Vorlesungen, Konferenzen oder wichtigen Events.

Kommt nach der WM nun also gleich das ETH Campus-TV?

Ein Schweizer Hochschul-Fernsehkanal ist gar nicht mehr so weit weg. Immerhin hat die ETH-Schulleitung ihn schon in ihrem strategischen Postulat drin. Von der technischen Seite her kann ich nach dem erfolgreichen WM-Test nur sagen: Wir sind bereit für ein Campus-TV!

Heute Freitag kommt es in den Viertelfinals gleich zu zwei Titanenkämpfen: "Brasilien gegen England" und "Deutschland gegen die USA". Wird Ihr Netzwerk die Zuschauerexplosion verkraften?

Es wird immer spannender. Beim Spiel Italien gegen Südkorea erreichten wir bis gegen Ende der zweiten Halbzeit mit 2'888 Zuschauern vorläufig einen neuen Rekord. Dabei handelte es sich mehrheitlich um ETH-Angehörige, aber auch um einige wenige Leute von der Uni und der EPFL. Bei Projektstart anfangs Mai hätte ich ja nie zu träumen gewagt, dass wir mit dem System überhaupt je über 1'000 Leute beliefern könnten. Ich nehme an, dass die Kapazitätsgrenze der eingesetzten Software bei rund 10'000 Zuschauern liegt. Die nun beginnenden Viertel- und Halbfinals werden uns hoffentlich nochmals neue Zuschauerrekorde und Belastungsgrenzen ermöglichen. Schade nur, dass der Final an einem Sonntag stattfindet - da arbeitet natürlich kaum jemand an der ETH.


Literaturhinweise:
Website der WM-Übertragung ins Schweizer Hochschulnetz: http://wm.ethz.ch/
ETH Life-Bericht über den Start der WM-Übertragung: www.ethlife.ethz.ch/news/show/FussballWM.html
NZZ-Bericht über den IP-Multicasting-Test der ETH: Ein Datenstrom für alle

Fussnoten:
(1) Leserbrief-Rückmeldungen "Wer kann diesen Unfug stoppen?": www.ethlife.ethz.ch/forum/list/



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