ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Campus Life
Print-Version Drucken
Publiziert: 24.04.2007 06:00

Der Atmosphärenchemiker Thomas Peter im Interview
„Ein signifikanter Wandel in der Problemwahrnehmung“

Thomas Peter hat sich einhergehend mit der öffentlichen Diskussion zur Ozonschichtzerstörung in den 70er bis 90er Jahren Jahren befasst. In seinem letzten Buchbeitrag vergleicht er diese mit der aktuellen Debatte zum Klimawandel und stellt die Frage nach der ethischen Verantwortung der Wissenschaft gegenüber der Gesellschaft. ETH Life wollte von Peter erfahren, wie er die aktuelle Klimadiskussion in der Öffentlichkeit bewertet, welche Rolle darin Gremien wie dem IPCC zukommen und inwiefern sich die Debatte mit derjenigen um das Ozonloch vergleichen lässt.

Samuel Schlaefli

Herr Peter, Sie beschreiben in Ihrem Buchbeitrag (1), wie der Chemiker Sherwood Rowland mit seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Ozonschichtzerstörung Politik und Öffentlichkeit zum Handeln mobilisiert hat. Gibt es in der Klimadebatte heute ähnliche Akteure?

In der Klimadebatte sind es nicht mehr einzelne Wissenschaftler, sondern das Gremium des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) (2), welches den politischen Prozess vorantreibt. Ich glaube es braucht solche öffentlichen Katalysatoren, damit längerfristig Massnahmen gegen Umweltgefahren mehrheitsfähig werden. Hätten Rowland und einige andere Kollegen damals nicht unentwegt mögliche Konsequenzen der Ozonzerstörung aufgezeigt und wären nicht energisch für Gegenmassnahmen eingetreten, wären die FCKW sicherlich erst wesentlich später verboten worden.

Vor zwei Wochen ist die Zusammenfassung des vierten IPCC-Berichts erschienen. Sie lässt praktisch keinen Zweifel mehr daran, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht wird. Trotzdem bestreiten Kritiker noch immer die Notwendigkeit zum sofortigen Handeln, so zum Beispiel Bjørn Lomborg, den Sie zu Beginn Ihres Buchbeitrags zitieren. Wie beurteilen sie die aktuelle Lage?

Für den vierten IPCC-Bericht waren mehr spezifische Daten verfügbar als je zuvor. Damit konnten die Verfasser des Berichts viele Unsicherheiten der Vergangenheit aus dem Weg räumen. Die Beobachtungen von Gletschern, Ozeanen und klimatischen Veränderungen auf allen Kontinenten weisen eindeutig auf eine Klimaerwärmung hin. Auch die These vom Menschen als Verursacher dieser Veränderung wird gegenüber dem vergangenen Bericht von 2001 weiter erhärtet. Ich kann als Wissenschaftler meine Augen vor diesen Ergebnissen nicht verschliessen. Trotz weiteren Unsicherheiten in den Prognosen, müssen wir so rasch wie möglich handeln.

Sie sprechen in ihrem Beitrag von der ethischen Verantwortung der Wissenschaftler gegenüber der Gesellschaft. Worin liegt diese?

Dem Wissenschaftler kommen in diesem Kontext zwei wichtige Funktionen zu: Einerseits muss er seine Erkenntnisse in der wissenschaftlichen Gemeinde publizieren, wodurch neue Ergebnisse dem kritischen Diskurs der Experten ausgesetzt werden. Andererseits muss er die Ergebnisse aber auch für eine breitere Öffentlichkeit einordnen und gewichten. Da wir bei möglichen Szenarien des Klimawandels mit Unsicherheiten und Wahrscheinlichkeiten arbeiten, stellt diese Einordnung und Gewichtung der Daten und der Zusammenhänge die Wissenschaftler vor die grosse Herausforderung, eine deutliche Sprache zu finden, ohne dabei zu übertreiben oder unzulässig zu vereinfachen.

Nun fällt in der aktuellen Klimadebatte auf, dass nicht Fachleute, sondern populärwissenschaftliche Meinungsführer wie Al Gore oder Bjørn Lomborg mit ihren Büchern und Auftritten am meisten Resonanz in der Öffentlichkeit erzeugen. Ist das nicht problematisch?

Einerseits finde ich nicht, dass der vierte IPCC-Bericht weniger Echo in den Medien und in der breiten Öffentlichkeit erhält, als Al Gore’s Film. Andererseits habe ich mir Al Gores Film angeschaut und war erstaunt, wie profund er sich mit der Materie auseinandergesetzt hat. Ich glaube, dass ein solcher Film durchaus positive Effekte mit sich bringt, indem er die Öffentlichkeit für dringende Probleme sensibilisiert. Und was Klimaskeptiker wie Lomborg betrifft, meine ich, dass den Klimaforschern nichts anderes übrig bleibt, als sich auch mit diesen Ansichten auseinanderzusetzen. Wir haben an unserem Institut bereits darüber diskutiert, Lomborg auf ein Symposium einzuladen. Gewisse Kollegen lehnten dies jedoch als ein Zeichen in die falsche Richtung strikt ab.

Bestimmte Tageszeitungen schreiben vom „Klimaschock“ und dem CO2 als „Killergas“, andere Medien sprechen von den „Horrorszenarien“ ihres ETH-Kollegen Andreas Fischlin. Wie beurteilen Sie allgemein die mediale Berichterstattung zum Klimawandel?

Wie bereits gesagt: Die heute verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse deuten eindeutig auf anthropogene Ursachen des Klimawandels hin. Zieht man die Ernsthaftigkeit der Lage und mögliche Folgen in Betracht, so halte ich die momentane Berichterstattung, soweit sie auf die kritische Lage hinweist, dem Thema angemessen.


weitermehr

Thomas Peter, Professor für Atmosphärenchemie: "Ohne internationalen Schulterschluss werden wir nicht wirksam gegen den Klimawandel vorgehen können." gross

Wo liegen Ihrer Meinung nach die grundlegenden Unterschiede zwischen der Ozon-Debatte in den 80er Jahren und der aktuellen Diskussion zum Klimawandel?

Der Klimawandel wird wesentlich stärker über seine ökonomische Dimension wahrgenommen als das FCKW-Problem. Wir haben in einer Fallstudie Zeitungsberichte zum Ozonloch in den 80er Jahren mit aktuellen Zeitungsberichten zum Klimawandel verglichen. Dabei fällt auf, dass in der Berichterstattung zum Ozonloch Gesundheitsaspekte sehr viel stärker gewichtet wurden als dies heute beim Klimawandel der Fall ist. Die Themen Hautkrebs und das Ozonloch waren damals eng miteinander verknüpft.

Woran liegt das?

Die fossilen Brennstoffe sind heute das Energie-Rückgrat der Gesellschaft, was zu existenziellen Ängsten führt. Die Menschen stellen sich Frage wie: „Was wenn wir nur noch an drei Tagen die Woche Autofahren dürfen?“, oder: „Werde ich meine Wohnung im kommenden Winter noch mit Erdöl heizen können?“. Es herrscht also nicht mehr die Angst vor der unmittelbaren Betroffenheit der eigenen Gesundheit vor, sondern diejenige vor den Konsequenzen der politisch verordneten Massnahmen.

Wirft die Klimadebatte auch neue ethische Fragen auf?

Ja. Im Bereich des Geo-Ingenieurwesens werden bereits hitzige Debatten darüber geführt, ob der Klimawandel durch gezielte geologische Eingriffe abgefedert werden könnte. Will man also ein bewusst gesteuertes, „menschengemachtes“ Klima gegen den momentanen Klimawandel ins Feld führen? Kritiker wenden natürlich ein, es sei nicht am Menschen, über das Klima zu bestimmen. Befürworter halten dagegen, dass es fahrlässig wäre, nicht zu handeln, da die Konsequenzen des „Nichthandelns“ viel gravierender sein könnten, als die Risiken eines Eingriffs selbst. Sie sehen, es handelt sich dabei um ein klassisches Dilemma, da wir mit dem Planet Erde nur einen einzigen Versuch wagen können.

Was können wir aus der Ozondebatte für die Zukunft lernen?

Wir haben damals gesehen, dass obwohl das Ozonproblem grundsätzlich schon in den 70er Jahren bekannt war, die Politik erst nach der Entdeckung des Ozonlochs 1985 in Form des Montrealer Protokolls (3) von 1987 sowie den Folgeabkommen konkrete Massnahmen beschlossen hat. Die Problematik wurde damit auf globaler Ebene anerkannt und brachte die internationale Gemeinde zur gemeinsamen Bekämpfung von chlor- und bromhaltigen Chemikalien zusammen. Mittlerweile ist auch das Gefahrenpotential von CO2 international anerkannt, der jetzige IPCC-Bericht hat dazu Wesentliches beigetragen. Bei der Formulierung von Massnahmen fand jedoch bisher trotz Kyoto-Protokoll noch keine Einigung statt. Ohne internationalen Schulterschluss, der nicht mehr in erster Linie von einzelstaatlichen, sondern globalen Interessen geprägt sein muss, werden wir nicht wirksam gegen den Klimawandel vorgehen können.

Thomas Peter ist seit Anfang 1999 ordentlicher Professor für Atmosphärenchemie am Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich.


Buch: „Ethische Verantwortung in den Wissenschaften“

In diesem Band diskutieren Wissenschaftler mit Ethikerinnen über die ethischen Probleme in Gebieten wie Gentechnik, Pädagogik, Klimapolitik, Religion, Medizin und Wirtschaft. Das Buch geht zurück auf eine interdisziplinäre Vortragsreihe im Wintersemester 2004/2005 der ETH gemeinsam mit der Universität Zürich. Von der ETH erschienen im Buch Beiträge von Marion Völger, ehemalige Mitarbeiterin vom Rechtsdienst, Gertrude Hirsch Hadorn vom Departement Umweltwissenschaften und Thomas Peter vom Institut für Atmosphäre und Klima. Peters Beitrag „Ozonschichtzerstörung und Klimaänderung: Forschung und Politik“ befasst sich mit der öffentlichen Wahrnehmung der Ozonschichtzerstörung in den 70er und 80er Jahren und vergleicht diese mit der aktuellen Debatte zum Klimawandel. Dabei hinterfragt er die ethische Verantwortung des Wissenschaftlers und inwiefern dieser in den öffentlichen Meinungsbildungs-Prozess einschreiten soll.




Fussnoten:
(1) Ethische Verantwortung in den Wissenschaften, Ethikkommission der Universität Zürich (Hrsg.), 1. Auflage 2006, 244 Seiten, ISBN 978-3-7281-2980-2
(2) Zusammenfassung des aktuellen IPCC-Berichts: www.ipcc.ch
(3) Informationen zum Montreal Protokoll: http://de.wikipedia.org/wiki/Montreal-Protokoll und www.unep.ch/ozone/Publications/MP_Handbook/index.shtml



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!