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Rubrik: Campus Life
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Publiziert: 17.05.2005 06:00

Grosse Schweizer Bauingenieure im Haus Konstruktiv
Brücken zwischen Technik und Kunst

Diese Propheten gelten – für einmal – viel im eigenen Land. Ein volles Auditorium verfolgte am vergangenen Freitag an der ETH das Referat von David Billington, der an der Princeton University seit Jahrzehnten die vor allem auch in den USA wirkungsmächtige ETH-Ingenieurtradition des 20. Jahrhunderts pflegt und weitervermittelt. Anlass war der Auftakt der von ihm initiierten Ausstellung „The Art of Structural Design – A Swiss Legacy“ im Haus Konstruktiv in Zürich.

Norbert Staub

Die Rede ist von sechs Schweizer Ingenieuren, allesamt Absolventen der ETH Zürich, von denen vier mit ihren Konstruktionen die Grenzen des Ingenieurbaus in Richtung Bau-Kunst erweitert haben. Die Werke von Robert Maillart (1872 -1940), Othmar Ammann (1879-1965), Heinz Isler (geb. 1926) und Christian Menn (geb. 1927) haben nicht nur technisch, sondern auch ästhetisch für das 20. Jahrhundert Massstäbe gesetzt. Nur konsequent, dass ihnen nun im Haus Konstruktiv, dem auf konkrete und konzeptionelle Kunst spezialisierten Museum in Zürich, eine Ausstellung gewidmet ist. Zusammengestellt wurde „The Art of Structural Design – A Swiss Legacy“ an der Princeton University (USA), wo die auch für Amerika wegweisenden Schweizer Ingenieure in David Billington, Professor für Bauingenieurwesen, ihren wohl besten Kenner und wichtigen Fürsprecher haben. Dass die Schau nun auch in Zürich gezeigt werden kann, ermöglichten aus Anlass des ETH-Jubiläums die Zurich Financial Services, das EWZ (Elektrizitätswerke der Stadt Zürich) und die ETH (1).

Kleines Land – grosse Wirkung

Man kann zwei Generationen mit je einer prägenden Lehrerfigur unterscheiden. Am Anfang steht Karl Wilhelm Ritter, (1847-1906), Professor für Statik, Brücken- und Eisenbahnbau am Poly, dessen Schüler Maillart und Ammann zu führenden Ingenieuren ihrer Zeit geworden sind. Auf Pierre Lardy (1903-1958), ebenfalls ETH-Professor für Bauingenieurwesen, geht die andere Gruppe mit Heinz Isler und Christian Menn zurück.

Wegmarken des Brückenbaus: Robert Maillarts Salginatobel-Brücke bei Schiers von 1930 (o.); Othmar Ammanns George Washington Bridge bei New York (1931). (Bilder: Schiers Tourismus, Haus Konstruktiv, Zürich.) gross

In Anwesenheit der beiden Letztgenannten sprach David Billington am vergangenen Freitag in einem vollen Auditorium im HIL am Hönggerberg mit Witz und Verve über die erstaunliche Tatsache, dass die kleine Schweiz eine derart herausragende Gruppe von Ingenieuren hervorbrachte. „Wir Amerikaner sind dankbar, dass sie nicht nur für Schweiz gearbeitet haben. Wir können ihre Bauwerke sehr gut brauchen“, sagte Billington in Anspielung auf die gross dimensionierten Brückenbauten Ammanns und Menns. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts hätten sich, so Billington, nicht mehr als zwei wirklich neue Kunstformen etabliert. Die Fotografie sowie der konstruktive Ingenieurbau. Dieser verbinde in seinen besten Zeugnissen funktionale und ökonomische Effizienz mit ästhetischer Überzeugungskraft. Ein Merkmal grosser Konstrukteure sei zudem, dass sie ihre Resultate mit innovativen Ansätzen erreicht haben.

Pilgerort Salginatobel

Für die von Billington porträtierten Praktiker trifft dies wohl zu. Robert Maillart hat 1930 mit der Brücke über das Salginatobel beim bündnerischen Schiers ein Meisterwerk geschaffen, das von der American Society of Civil Engineers 1991 zu einem von 30 Weltmonumenten erkoren wurde.


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Synthese von technischer Innovation und künstlerischem Flair: Christian Menns Bunker Hill Bridge in Boston, fertiggestellt im Jahr 2002 (o.); Modell eines Betonschalen-Dachs von Heinz Isler. (Bilder: Haus Konstruktiv, Zürich) gross

„Ich sage den Ingenieur-Studierenden immer: Zwei Dinge müssen Sie machen, bevor Sie das Zeitliche segnen“, sagte Billington. „Erstens: Gehen Sie zu Fuss über die Brooklyn Bridge. Und reisen Sie zweitens in die Schweiz, um sich die Salginatobelbrücke anzusehen.“ Das Rennen machte Maillarts Projekt seinerzeit übrigens nicht etwa wegen seiner Schönheit, sondern weil es die Konkurrenten mit der weitaus günstigsten Offerte ausstach. Die Kosten bei 180'000 Franken zu halten wurde möglich, weil Maillart einen reinen, filigranen Stahlbeton-Bau vorsah, der in der aufs Wesentliche reduzierten Konstruktionsweise damals revolutionär war. Eine eigenständig-moderne Formensprache (Billington schlug einen Bogen zu Paul Klee), Leichtigkeit und virtuoser Umgang mit den Möglichkeiten des Materials wurden zum Markenzeichen Maillarts.

Eleganz in Stahl

Nicht Beton, sondern Stahl war das Material Othmar Ammanns, der bald nach Studienabschluss am Polytechnikum seinen Lebensmittelpunkt nach New York verlagerte. 1904 nahm sich der 25-Jährige selbstbewusst vor, die Vision seines Lehrers Wilhelm Ritter zu realisieren, nämlich eine Hängebrücke zwischen New York und New Jersey.

Mehr als ein Vierteljahrhundert danach, 1931, war es soweit. Bei der George Washington Bridge (heute eine der meistbefahrenen Brücken der Welt) gelang ihm die Überbrückung einer Spannweite von über 1000 Metern – was den bisherigen Hängebrücken-Rekord um mehr als das Doppelte übertraf. Ammann setzte dabei die Erkenntnis um, dass mit genügend schwerem Seil auf schwerfällig wirkende Versteifungsträger verzichtet werden kann. Die Brücke erscheint deshalb eleganter. Ammann war zudem massgeblich an der Golden Gate Bridge in San Francisco beteiligt. Krönung seines Schaffens ist die Verrazano Narrows Bridge (1964). Ihre Spannweite beträgt gut 1300 Meter.

Virtuoses Formenspiel

Heute setzt Christian Menn die bedeutende Schweizer Tradition in den USA fort: Mit der Bunker Hill Bridge über den Charls River in Boston hat Menn 2002 erneut den State of the Art im Brückenbau aufgezeigt. Furore gemacht in der Schweiz hat seine eigenwillig gekrümmte Sunnibergbrücke bei Klosters im Prättigau (1999; architektonische Beratung: Andrea Deplazes). Menn war lange Zeit ETH-Professor für Baustatik und Konstruktion.

Heinz Isler, bekannt für seine eigenwilligen Betonschalen-Konstruktionen, hatte sein Heureka 1955: Die Beobachtung eines durchnässten, durchhängenden Jutegewebes führte ihn dazu, die Membran, wenn sie gefroren war, umzudrehen und damit empirisch die gewünschte Form einer idealen Schale zu erhalten. So begann Isler, mit nicht-mathematisch ermittelten Schalenformen zu experimentieren. Heute überwölben seine unverkennbaren, feinen Betondächer Tennis- und Gartencenter, Autobahnraststätten und Badeanstalten.


Die Ausstellung

Die Ausstellung "The Art of Structural Design - A Swiss Legacy" im Haus Konstruktiv an der Selnaustrasse 25 in Zürich dauert vom 12. Mai bis zum 31. Juli 2005. Kurator ist Michael Hanak. Gezeigt werden Pläne, Skizzen, Computervisualisierungen, ein Film und eigens von Studierenden in Princeton angefertigte Modelle der wichtigsten Bauwerke von Maillart bis Menn. Die Website des Haus Konstruktiv mit weiteren Informationen: www.hauskonstruktiv.ch/flash.htm




Literaturhinweise:
Website des Projekts: “The Art of Structural Design” am Princeton University Art Museum: www.princetonartmuseum.org/Bridges/main.html

Fussnoten:
(1) Website des Haus Konstruktiv in Zürich: www.hauskonstruktiv.ch/flash.htm



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