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Rubrik: Campus Life
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Publiziert: 22.11.2006 06:00

Vortrag von Robert J. Aumann an der ETH
Krieg mit Spielen erklären

Der Mathematiker Robert J. Aumann erklärt mit der Spieltheorie Mechanismen von Krieg und Frieden. Dafür erhielt er 2005 den Nobelpreis in Ökonomie. Seine leicht geänderte Nobelpreis-Rede am Montag an der ETH stiess auf grosses Interesse.

Peter Rüegg

Voll war das Auditorium Maximum der ETH, voll war auch der Hörsaal F1: Die Rede Robert J. Aumanns „War and peace“ interessierte mehr, als sich das Departement Mathematik wohl erträumt hatte. Dieses hatte den amerikanisch-israelischen Forscher an die ETH eingeladen, wo er am Montag eine leicht überarbeitete Version seiner Nobelpreisrede hielt. (1)

Überraschen konnte der 76-jährige Wissenschaftler sein Publikum allemal – nicht nur inhaltlich. Statt einer ausgeklügelten Power-Point-Präsentation wie heutzutage üblich legte er archaisch anmutende handgeschriebene Folien auf den Hellraumprojekter, was die Zuhörerinnen und Zuhörer erheiterte. Den Mathematiker störte dies nicht. Überhaupt bewies er einen feinen Sinn für Humor und Selbstironie.

Krieg ist rational

Der Vortrag selbst hatte nichts an Aktualität eingebüsst. Krieg sei ein steter Begleiter der Menschen, sagte Aumann, ein Phänomen, nicht aber eine Serie von Einzelereignissen. Er erinnerte etwa an die Situation im Iran und in Nordkorea. Die Anstrengungen, einzelne Konflikte zu lösen, seien ehrenvoll und würden auch Früchte tragen. Es gebe aber auch andere Wege, um das Thema zu betrachten, unter anderem auch mit Rationalität. „Weshalb zieht Homo economicus – der rationale Mensch – in den Krieg?“, fragte der jüdische Mathematiker. Und gab die Antwort selbst. Krieg sei rational. „Es ist ein grosser Fehler, Krieg als irrational abzutun“, sagte Aumann.

Er hat deshalb Methoden entwickelt, um Kriege mit Hilfe der Ökonomie zu analysieren. In der Wirtschaft gehe es um Anreize. Dasselbe gelte für Krieg und Frieden. „Ich spreche über die Anreize, die zu Krieg führen respektive den Frieden fördern.“ Welche Anreize müsste man schaffen, um Krieg zu verhindern? Abrüsten, sagen die meisten. Falsch, sagte der Nobelpreisträger von 2005. Man könnte auch genau das Gegenteil anstreben. In den langen Jahren des Kalten Krieges habe das Gleichgewicht des Schreckens mit seinen Bombern, die 24 Stunden täglich 365 Tage im Jahr Atomwaffen herumgetragen hätten, "heissen" Krieg verhindert. „Abrüstung“, so Aumann ,“hätte zu einem Krieg geführt.“


Vom Kriegsvertriebenen zum Nobelpreisträger

Robert J. Aumann wurde 1930 in Deutschland geboren. 1938 flüchtete seine wohlhabende, jüdisch-orthodoxe Familie vor dem Nazi-Regime in die USA. Die Flucht brachte seine Eltern um Hab und Gut, dennoch genoss Aumann eine hervorragende Ausbildung. 1955 schloss er sein PhD in Mathematik am MIT ab. Ein Jahr später trat er in das Mathematik-Departement der Hebräischen Universität von Jerusalem ein, wo er seither lehrt und forscht. Er ist einer der Gründer des Center of Rationality, einem interdisziplinären auf der Spieltheorie aufgebautem Forschungszentrum, das 1990 an der Hebräischen Universität eingerichtet wurde. 2005 erhielt Aumann zusammen mit Thomas C. Schelling den Nobelpreis in Ökonomie für seine auf der Spieltheorie basierenden Konflikt- und Kooperationsanalysen.(2)




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Gut gelaunter Redner vor grossem Publikum: Robert J. Aumann, Ökonomie-Nobelpreisträger von 2005 im Audi Max der ETH. gross

Um zu verstehen, was zu Krieg führe, müsse man versuchen herauszufinden, was ihn auslöse. Reine Grundlagenforschung sei das. „Das könnte schliesslich zu Frieden führen.“ Aumann untermauerte seine brisanten Aussagen mit seiner Forschung über Spieltheorie, insbesondere der wissenschaftlichen Studie von wiederholten Spielen, die ihm den Nobelpreis eingetragen haben. „Solche Spiele modellieren Langzeit-Interaktionen“, sagte der Forscher, und die Theorie von wiederholten Spielen könne Auskunft geben über Phänomene wie Altruismus, Zusammenarbeit, Vertrauen und Loyalität, Rache, Bedrohungen.

Seine Theorien erläuterte Aumann mit einem einfachen Beispiel. Zwei Partner haben die Aufgabe, eine gemeinsame Ressource zu verteilen. Der eine teilt die Ressource in gleiche Teile oder in Anteile, die einem Verhältnis 100:1 entsprechen. Der Andere kann entscheiden, ob er mit den Anteilen einverstanden ist oder ob er seinen Spielpartner für das „ungerechte“ Teilen bestraft. Besonders interessant seien Kooperationen, also dann, wenn beide Parteien den gleichen Anteil erhalten. Aumann sagte, dass eine Verbindung zwischen kooperativer Spieltheorie und wiederholten Spielen besteht. „Die fundamentale Erkenntnis ist: Wiederholung wirkt als Vollstreckungs-Mechanismus, der Kooperationen ermöglicht“, sagte er. Das werde auch intuitiv verstanden.

Schwerter behalten

In Langzeitbeziehungen seien die Leute viel kooperativer. „Sie wissen, dass es ein Morgen gibt und dass unangebrachtes Verhalten bestraft wird.“ Das Gleichgewicht in einem solchen Spiel werde durch die Androhung von Strafe aufrechterhalten. Das sei das Motto des Kalten Krieges gewesen, so Aumann, der noch weitere Beispiele und Grundsätze der Spieltheorie erläuterte, die letztlich aber zu einem ähnlichen Resultat führen. Wenn Spieler eines Spiels im Gleichgewicht sind, hat keiner ein Interesse daran, mit einer anderen Strategie davon abzuweichen.

Aumann beendete seinen Vortrag mit einem Satz des Propheten Isaiah (2,2-4), den er zeitgemäss umformulierte: Länder können ihre Schwerter in Pflugscharen umbauen falls eine zentrale Autorität, eine Regierung, besteht; ein Gott, von allen anerkannt. Ohne einen solchen jedoch könne man zwar vielleicht Frieden haben, und keine Nation brauche ihre Waffen gegen eine andere. Doch die Waffen müssten weiterhin da sein, sie dürften nicht in Pflugscharen umgebaut werden. „Nationen müssen weiterhin den Krieg lernen, um nicht zu kämpfen.“


Fussnoten:
(1) Die Rede im Wortlaut: http://nobelprize.org/nobel_prizes/economics/laureates/2005/aumann-lecture.pdf
(2) Autobiographie von Robert J. Aumann: http://nobelprize.org/nobel_prizes/economics/laureates/2005/aumann-autobio.html



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