ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Campus Life
English Version English Version
Print-Version Drucken
Publiziert: 25.06.2004 06:00

blue-c Demo Day
Arbeiten im virtuellen Raum

Eine völlig neue Art von dreidimensionaler Kommunikation im virtuellen Raum – diesem Ziel hat sich das Projekt blue-c verschrieben. Am letzten Mittwoch demonstrierten die Beteiligten, dass die Technologie grundsätzlich funktioniert. Mittelfristig eröffnet sie interessante neue Perspektiven für die ortsunabhängige Zusammenarbeit.

Von Felix Würsten

"A Spatially Immersive Display and 3D Video Portal for Telepresence" – mit dieser für Aussenstehenden etwas einschüchternden Beschreibung empfingen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des blue-c-Projekts (1) die Besucherinnen und Besucher zum Demo Day am letzten Mittwoch. Was sich hinter der englischen Umschreibung genau verbirgt, erfuhren die Gäste direkt vor Ort in den beiden blue-c Stationen auf dem Hönggerberg und im Rechenzentrum an der Clausiusstrasse. Wer sich von den Forschenden in die virtuelle Welt entführen liess, stellte fest: blue-c ist eine faszinierende und hochkomplexe Technologie, die aber durchaus noch verbesserungswürdig ist.

Ambitioniertes Projekt

Die Entwicklung einer neuen Technologie für die virtuelle 3D-Kommunikation ist eines der wohl ambitioniertesten Projekte der ETH Zürich. Insgesamt vier Departemente sind mit Arbeitsgruppen am Vorhaben beteiligt. Das Ziel, das diese Gruppen gemeinsam verfolgen, ist bestechend: Menschen an verschiedenen Orten sollen in Echtzeit miteinander kommunizieren, wobei sich die Partner nicht nur hören und sehen, sondern als dreidimensionale Wesen in einer scheinbar realen Umgebung wahrnehmen. Vorstellbar wäre etwa, dass dank blue-c ein Architekt in Zürich zusammen mit seinem Kollegen in Los Angeles ein geplantes Gebäude in Tokio besichtigt – notabene ohne dass einer der beiden dazu ein Flugzeug besteigen muss.

Das lässt sich allerdings nur mit etwelchem technischen Aufwand bewerkstelligen. Damit die Partner tatsächlich in Echtzeit miteinander kommunizieren können, müssen Bildaufnahme und -projektion parallel erfolgen. Dies erfordert insbesondere bei der Station im Rechenzentrum den Einsatz von ausgeklügelter Technik. Bei dieser Station werden die Bilder auf insgesamt drei Wände projiziert. Damit die Ambiance der dargestellten virtuellen Welt nicht durch reale Geräte unnötig beeinträchtigt wird, sind die Kameras, welche die Person in der Station aufnehmen, ausserhalb der Wände installiert. Dabei stellt sich nun ein grundsätzliches Dilemma: für die Projektion der Bilder sollte der Raum abgedunkelt sein, für die Aufnahme hingegen hell erleuchtet.

Schaltbares Glas

Diesen Widerspruch haben die blue-c-Forscher mit raffinierter Technik überwunden. Die Wände der Station bestehen aus elektrisch schaltbarem Glas, das 60 mal pro Sekunde zwischen transparent und matt hin und her geschaltet wird. Sind die Scheiben matt, wird im abgedunkelten Raum das Bild des Partners aus der anderen Station sowie die virtuelle Umgebung auf die Wände projiziert. Sind die Scheiben transparent, wird der Raum von rund 10'000 Leuchtdioden beleuchtet und die Person in der Station wird gefilmt, ohne dass sie dies wahrnimmt.

blue-c zeigt, wie Menschen zukünftig miteinander im virtuellen Raum kommunizieren werden. Die Darstellung der Gesprächspartner lässt zuweilen aber noch etwas zu wünschen übrig. gross


weitermehr

Ein Besucher in der "roten Hölle" auf dem Hönggerberg beim Schachspiel gegen einen Partner im ETH Rechenzentrum. Beide Spieler können sich "frei" auf dem Spielfeld bewegen und auch direkt miteinander kommunzieren. gross

Aus den Aufnahmen der insgesamt sechzehn Kameras berechnen die Computer mit Hilfe ausgeklügelter Algorithmen eine sogenannte Punktwolke, welche die Körperoberfläche der Person repräsentiert. Diese Daten werden dann an die zweite Station übermittelt, wo die Person der ersten Station als dreidimensionales Wesen projiziert wird. Die grosse Schwierigkeit dieses Prozesses ist, dass für all diese Berechnungen nur sehr wenig Zeit zur Verfügung steht. Denn schliesslich sollen die Aufnahmen möglichst ohne Verzögerung übertragen werden.

Asymmetrische Architektur

Etwas einfacher ist die Station auf dem Hönggerberg aufgebaut. In der "roten Hölle" erfolgt die Projektion zwar auch in drei Dimensionen, aber "nur" auf eine einzige Wand. Die Synchronisation von Aufnahme und Projektion gestaltet sich hier deshalb wesentlich einfacher. Die asymmetrische Architektur der blue-c Anlage wurde bewusst gewählt. Zum einen war es alleine schon aus finanziellen Gründen nicht möglich, auf dem Hönggerberg eine ähnlich komplexe Station wie im Zentrum zu bauen. Zum anderen wollte man dort bewusst eine öffentlich zugängliche Station installieren. Mit der aufwändigen Technik des Zentrums wäre dies schlicht nicht zu bewerkstelligen.

Bei der konkreten Demonstration zeigt sich dann, dass es wohl doch noch etwas dauern wird, bis blue-c im Alltag eingesetzt werden kann. Alleine schon das Navigieren im dreidimensionalen Raum erfordert von den Teilnehmern einige Geschicklichkeit. Auffallend ist auch, dass die Darstellung der Gesprächspartner doch noch etwas zu wünschen übrig lässt. Das System reagiert sehr sensibel auf Störungen wie etwa Zuschauer am Rande der Station. Zudem werden gewisse Kleidungsstücke wie etwa dunkle Hosen bei der anderen Station schlicht nicht abgebildet. Und wenn sich mehr als zwei Personen in der gleichen Station befinden, vermögen die Rechner die Datenmenge kaum mehr zu bewältigen.

Noch in den Kinderschuhen

Gerade der Bereich Bildverarbeitung stellt denn auch ein wichtiger Schwerpunkt des Nachfolgeprojekts blue-c-II dar (2). Die Technologie, so erklärten die Forscher, befinde sich erst in den Kinderschuhen und lasse sich mit den Flimmerkisten aus den Anfängen des Fernsehens vergleichen. Die Forscher sind jedenfalls zuversichtlich, dass sie in den nächsten Jahren gewaltige Fortschritte erzielen werden. So möchten sie beispielsweise auch die Darstellung der realen Umgebung, in denen sich die Partner bewegen, ermöglichen. Ziel wäre es, nicht nur einzelne Objekte abzubilden, sondern ganze Räume zu projizieren. Und damit wäre man dem Ziel einer ortsunabhängigen Zusammenarbeit im virtuellen und realen Raum schon ein grosses Stück näher gekommen.


Fussnoten:
(1) Homepage des Projekts: http://blue-c.ethz.ch/
(2) Homepage des Nachfolgeprojekts (im Aufbau): http://blue-c-II.ethz.ch/



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!