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Rubrik: Campus Life GenLex-Diskussion tritt ins entscheidende Stadium ETH im GenLex-Disput |
Published: 02.09.2002 06:00 Modified: 09.09.2002 02:08 |
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Vergangenen Donnerstag schlugen die beiden ETH-Präsidenten in Bern gemeinsam mit Vertretern der Pharma-, Biotech- und Agroindustrie sowie der Versicherungen Alarm: das Gentechnik-Gesetz (GenLex), welches der Nationalrat voraussichtlich in der Herbstsession behandelt, sei drauf und dran, die gesamte Biotechnologie in der Schweiz zu schädigen. Statt der versprochenen Kontrolle enthalte das Gesetz in der jetzigen Form vor allem Verbote - ein verheerendes Signal zumal für den Forschungsplatz Schweiz. Von Norbert Staub ETH-Präsident Olaf Kübler zeigte sich wie EPF-Präsident Patrick Aebischer "sehr besorgt" über den Verlauf der bisherigen GenLex-Verhandlungen im Parlament. Der aktuelle Gesetzesentwurf verhänge für die Freisetzung zu Forschungszwecken ein "praktisches Verbot" und schiesse damit weit über die auch von der Forschung unterstützte Forderung nach strengen Sicherheitsstandards hinaus. "Aber irgendwann muss die Forschung ihr Potential in der realen Umwelt überprüfen können", sagte Kübler. Werde das verunmöglicht, seien einschneidende Folgen für Wissenschaft und Hochschulen zu befürchten.
Es sei angesichts des spürbaren politischen Gegenwinds kein Wunder, wenn sich Teile dieser Schlüsseltechnologie ins forschungsfreundlichere Ausland verabschieden. Ein alarmierender Reflex der aktuellen Situation sei, dass sich im Sommersemester 2000 am ETH-Institut für Pflanzenwissenschaften kein einziger Studierender mehr für den Studiengang Agrobiotechnologie angemeldet habe. Forschungsplanung verunmöglichtIm Detail erwähnte Kübler Artikel 6 des aktuellen Gesetzesentwurfs, in welchem der Nachweis verlangt werde, dass es für Freisetzungsversuche keine "natürliche" Alternativen gibt. "Dieser Nachweis kann aber in der Praxis nicht erbracht werden", erklärte der ETH-Präsident. Denn das Ziel der Grundlagenforschung sei es ja gerade, Alternativen zu schon bestehenden, also natürlichen, Verfahren zu finden. Dieser Forschung werde mit einem de-facto-Verbot von Freisetzungsversuchen die Basis entzogen. Ebenso schwerwiegend seien die Folgen der im selben Artikel der Wissenschaft auferlegten Verpflichtung, bei Freisetzungen einen Beitrag zur Erforschung der Biosicherheit zu leisten. "Dies ist sehr problematisch", hielt Kübler fest. Denn das Risiko einer Anwendung könne nicht eingeschätzt werden, wenn ein Versuch ausschliesslich der Biosicherheitsforschung diene. Kein FreipassDer Bewilligungsbehörde werde mit dieser Regelung die Befugnis erteilt, einen Versuch in Richtung Biosicherheit "umzuorientieren" - was die Projektplanung und -finanzierung unabsehbar machen würde. "Unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verlangen keinen Freipass", machte Kübler klar. Allen sei klar, dass man sich in einem sensiblen Feld bewege. Freisetzungsversuche sollten jedoch "soweit mit Biosicherheitsforschung verbunden werden, als die konkreten Fragestellungen und die Umstände dies verlangen."
Dieses Gesetz werde auch die Risikoforschung, die alle verlangen, stark behindern, sagte Kübler. Spielräume offenDass die sehr kontrovers diskutierte GenLex-Vorlage auch ETH-intern unterschiedlich beurteilt wird, erstaunt nicht. So kann etwa Angelika Hilbeck, Ökologin am Geobotanischen Institut der ETH, mit dem Entwurf der Nationalratskommission leben. Sie ist selbst an Forschung mit transgenen Pflanzen im geschlossenen System beteiligt. Angelika Hilbeck ist Mitglied der Eidgenössischen Fachkommission für Biologische Sicherheit (EFBS) und gehörte zu den Experten, die von der nationalrätlichen Kommission zur GenLex angehört wurden: "Ich begrüsse, dass die Biosicherheit bei Freisetzungen eine prominente Rolle spielen soll", so die ETH-Forscherin. "Gemäss Gesetzesvorlage soll ja nur ein Beitrag zur Biosicherheitsforschung geleistet werden. Ich denke, da ist jeder Spielraum offen, mit unterschiedlichen Anforderungen je nach Organismus und eingeführten Transgenen zurecht zu kommen. Zudem darf man nicht vergessen, dass die Bevölkerung grösstenteils diese Betonung der Biosicherheit wünscht." Tappen im dunkelnDie Forscherin beobachtet bei der Gentechnologie eine zunehmende Diskrepanz zwischen anwendungsorientierter Forschung, die rasch voranschreite, und der Sicherheitsforschung, die oft vor vollendete Tatsachen gestellt werde. Diese Spannung erzeuge einen Druck auf die Risikoforschung, zusätzlich verstärkt durch deren chronische Unterfinanzierung. "Wir tappen bei den meisten Fragen nach den Auswirkungen von Gentech auf die Natur noch im dunkeln", sagt die Forscherin. Ein fünfjähriges Moratorium für die Inverkehrbringung gentechnisch veränderter Organismen, wie im Entwurf vorgeschlagen, würde der Biosicherheits-Forschung etwas Luft verschaffen, um wenigstens einen Teil der Fragen zu beantworten. "Und wäre es zum Beispiel nicht eine Chance", so Angelika Hilbeck, "an der ETH einen Schwerpunkt in der Biosicherheitsforschung aufzubauen? Ich muss beispielsweise interessierte Studenten abweisen aus Mangel an Platz und Finanzen.“ Als "heikles Unterfangen" bewertet Angelika Hilbeck die Tatsache, dass die beiden ETHs ihre Kritik gemeinsam mit Interessensvertretern der Biotech- und Pharmabranche, der Versicherungen und der Agrochemie äusserten. "Das ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die schwindendes Vertrauen in uns Forschende haben. Die Forschung sollte sich meines Erachtens klar über den ökonomischen Interessen positionieren - auch das ein Prinzip, von welchem die Bevölkerung, die uns bezahlt, ausgehen darf." |