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Rubrik: Campus Life

Golo-Mann-Ausstellung im ETH-Hauptgebäude
Kein Zauberlehrling

Published: 28.02.2006 06:00
Modified: 28.02.2006 09:23
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Zürich war in späteren Jahren sein Lebensmittelpunkt, darin folgte Golo Mann seinem berühmten Vater Thomas Mann. In der Haupthalle des ETH-Hauptgebäudes wurde gestern eine Ausstellung eröffnet, die sein Leben anhand der Entstehungsgeschichte des „Wallenstein“ (1971) beleuchtet. Eingerichtet wurde sie vom Max-Frisch-Archiv der ETH Zürich zusammen mit dem Museo Onsernonese in Loco (TI).



Norbert Staub (mailto:norbert.staub@sl.ethz.ch)

Er war das dritte, und, wie er selber glaubte: ungeliebte Kind des deutschen Dichterfürsten Thomas Mann und seiner Frau Katia. Neben und nach dem berühmten Vater, dem „Zauberer“ zu bestehen, war für die sechs Sprösslinge Antrieb und Hypothek zugleich. Golo Mann – eigentlich: Angelus Gottfried Thomas – war ein viel zurückhaltenderer Charakter als seine bewunderten älteren Geschwister Klaus und Erika, die sich existenziell und künstlerisch als leidenschaftliche Gegner des Nationalsozialismus profilierten.

Selbstbehauptung

„Das Leben des Golo Mann ist (...) eine verzweifelte Selbstbehauptung, eine Suche nach dem eigenen schriftstellerischen Können, eine Suche nach dem Ich“, heisst es in einer Rezension zu Urs Bitterlis Golo-Mann-Biographie von 2004. Dennoch hat Golo Mann ein Feld gefunden, wo er nicht nur ein Profil gewann, sondern Ausserordentliches leistete. Nachdem er wie sein Vater in die Emigration getrieben und lange Jahre in den USA als Geschichtsprofessor gearbeitet hatte, gehörte er nach seiner Rückkehr nach Europa zu den populärsten deutschen Historikern des 20. Jahrhunderts. Sein Buch über Wallenstein, den schillernden Feldherrn im 30-Jährigen Krieg, machte Anfang der siebziger Jahre in breiten Leserkreisen Furore und verkaufte sich innert Kürze 100'000 Mal. Der Grund: Es führte den Leser anschaulich und spannend in eine Zeit, deren Verworrenheit sonst für viele verschlossen bliebe. Historiker und gleichzeitig ein begnadeter Erzähler zu sein, machte Golo Manns Geheimnis und Attraktivität aus.

Abgelehnt vom wissenschaftlichen Establishment

Insofern hatte er die lastende Notwendigkeit, das ererbte Talent auszuleben und sich gleichzeitig vom Über-Vater zu distanzieren, erfolgreich umgesetzt. Doch in der zeitgenössischen Zunft der Historiker machte sich Mann damit kaum Freunde. Ein Untertitel wie „Sein Leben erzählt von...“ konnte in den auf sozialwissenschaftliche und neomarxistische Theorien fixierten Historiographie der sechziger und siebziger Jahre nur Skepsis auslösen. Zu schnell war da der Verdacht zur Hand, die Wissenschaftlichkeit werde dem schönen Redefluss geopfert – wenn nicht sogar der dichterischen Freiheit.

Es überrascht deshalb nicht, dass bereits Ende der 50-er Jahre Golo Manns Aspirationen auf einen Lehrstuhl an der prestigeträchtigen Uni Frankfurt am Main offenbar just von den damaligen Vordenkern zunichte gemacht wurden; von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer, den Begründern der Kritischen Theorie. Die Bitterkeit über diese Brüskierung hielt sich bei Mann zeitlebens; seiner Wut darüber liess er aber erst in einem Interview zu seinem 80. Geburtstag freien Lauf, indem er die zwei intellektuellen Leitfiguren als „Lumpen“ bezeichnete.

Emanzipierte sich vom Übervater Thomas Mann erst nach dessen Tod: Golo Mann (in einer Aufnahme von 1978; Bild: Schweizerisches Literaturarchiv Bern).

Die gestern Abend eröffnete Ausstellung des Max-Frisch-Archivs der ETH (in Zusammenarbeit mit dem Museo Onsernonese (1) ) hat nicht den Anspruch, Golo Manns langes und reiches Leben in all seinen Schattierungen darzustellen. Sie konzentriert sich mit Bildern und meist autobiografischen Texten zum einen auf die Entstehungsgeschichte seines Hauptwerks – des „Wallenstein“. Sichtbar wird, wie die Figur den Autor bereits als Zehnjährigen fasziniert und dann ein halbes Jahrhundert nicht mehr losgelassen hat.

Tessiner Dreigestirn

Zum anderen wird gezeigt, wie Golo Mann das Tessiner Bergdorf Berzona zusammen mit anderen Geistesgrössen seiner Zeit in einer abgeschiedenen intellektuellen Oase machte: Bekanntlich hatte auch Max Frisch in Berzona sein Refugium, zudem der Schriftsteller Alfred Andersch (ein „deutschsprachiges Schristeller-Dreigestirn“, wie es Walter Obschlager an der Eröffnung der Schau formulierte). Hier wurden Begegnungen möglich, die es aufgrund der persönlichen und politischen Distanzen sonst kaum gegeben hätte. So machten sich Mann und Frisch am 21. August 1968, einem strahlenden Sommermorgen, auf zu einer längst verabredeten Wanderung ins Verzascatal. Mit im Gepäck die Verbindung zum Weltgeschehen, nämlich ein Kofferradio: Es war der denkwürdige Moment, in welchem Sowjetpanzer den Prager Frühling niederwalzten.


Events im Rahmen von „Geschichte und Geschichten“

Die Golo-Mann-Ausstellung „Geschichte und Geschichten“ in der Haupthalle des ETH-Hauptgebäudes dauert bis zum 25. März 2005. In ihrem Rahmen finden folgende Veranstaltungen statt:

auflistungszeichen Am Montag, 6. März, 19 Uhr spricht Urs Bitterli, emeritierter Professor für Neuere Geschichte der Uni Zürich und Verfasser einer umfangreichen Golo-Mann-Biografie zum Thema „Golo Mann und die Schweiz“ (Semper-Aula, G 60, ETH-HG).
auflistungszeichen Am Montag, 13. März, ebenfalls 19 Uhr wird an einer Podiumsdiskussion an der ETH gefragt: „Schaffen Kommentatoren Klarheit?“ (Ort: AudiMax, ETH-HG) Es diskutieren unter der Leitung von „Le Matin“-Chefredaktor Peter Rothenbühler: Urs Bitterli; Roger Köppel (Chefredaktor „Die Welt“); Reinhard Meier (Redaktor NZZ); Roger de Weck, (Publizist).


References:
•  Max-Frisch-Archiv der ETH Zürich: www.ethz.ch/libraries/archives/maxfrisch/index
•  Thomas-Mann-Archiv der ETH Zürich: www.ethz.ch/libraries/archives/thomasmann

Footnotes:
(1 Eingerichtet wurde sie von Annette und Marcel Korolnik-Andersch.


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