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Rubrik: Campus Life

Umfassendes Handbuch über die Graphische Sammlung der ETH
Fenster zu Schätzen auf Papier

Published: 09.01.2006 06:00
Modified: 08.01.2006 21:33
druckbefehl
Ein grosses Bildhandbuch zeigt jetzt die beeindruckende Vielfalt und Qualität des Kunstschaffens, das in der Graphischen Sammlung der ETH schlummert. Die Institution beherbergt 150'000 Werke von rund 8'500 Künstlern und Künstlerinnen – ein Spiegel der Kunstgeschichte vom 15. bis zum 21. Jahrhundert.



Norbert Staub (mailto:norbert.staub@sl.ethz.ch)

„So wie für die antike Kunst eine Sammlung von Gypsabgüssen nach bedeutenden Antiken unerlässlich ist, braucht der Lehrer für moderne Kunst eine starke Zahl von Illustrationen, denn alles Werk der bildenden Kunst tritt uns durch’s Auge näher als durch’s Ohr.“ Gottfried Kinkel, der Autor dieser Zeilen, liess seiner Überzeugung auch Taten folgen: Er gründete 1867 am Eidgenössischen Polytechnikum die Graphische Sammlung. Seit 1866 war er hier Professor für Archäologie und Kunstgeschichte. Ein monumentaler, im Rahmen des ETH-Jubiläums realisierter Bildband bietet jetzt erstmals repräsentativ einen Überblick der in der Sammlung vertretenen Werke und Künstler.(1)

Sehschule für Techniker

Kinkels Betonung des Ästhetischen fiel bei den Verantwortlichen der jungen Hochschule auf fruchtbaren Boden: So waren von den 32 mit der Gründung geschaffenen Professuren vier für Architektur und Kunst reserviert. In der von Gottfried Semper entworfenen Zentralhalle des Hauptgebäudes standen während Jahrzehnten zahlreiche Abgüsse antiker Statuen – als Bekenntnis zum kulturgeschichtlichen Erbe und quasi als Sehschule für die Studenten auf dem Weg zu ihren Vorlesungen. In diesem Kontext erscheint der Aufbau eines Graphik-Kabinetts als eine Säule der Ausbildung an der Polytechnischen Schule.

Filippo Juvarra (1678–1736): Säulenhalle; 1. Drittel des 18. Jahrhunderts. Feder in Braun, braun laviert.

Den Grundstein legte der Kauf einer Privatsammlung. Sie gehörte Johann Rudolf Bühlmann (1812 – 1890), einem Schweizer Landschaftsmaler, der während 34 Jahren in Rom lebte. Ein Legat, Stadt und Kanton Zürich, die Schulleitung sowie engagierte Zürcher Kunstfreunde machten es möglich, dass die nötige Summe von 41'000 Franken für die rund 11'000 Einzelblätter zusammen kam. Für das weitere, rasche Wachstum des Bestands sorgten dann auch Schenkungen ganzer Konvoluten von einflussreichen Kunstsammlern. Darunter waren Bankiers wie Heinrich Schulthess-von Meiss, Politiker wie Heinrich Landolt und Kaufleute wie Friedrich Otto Pestalozzi oder Kurt Sponagel.

Öffnung fürs interessierte Publikum

Während Jahrzehnten bleib es beim Selbstverständnis der Lehrsammlung, deren Zweck im Bereitstellen von Vorbildern für künftige Architekten lag, und nicht in der Ausstrahlung auf ein grösseres Publikum. Mit der Zeit begann die Graphische Sammlung jedoch, mit öffentlichen Ausstellungen ihren Reichtum bekannt zu machen. Ein Schwerpunkt galt und gilt der graphischen Kunst in der Schweiz. Heute werden hauptsächlich Werke der Gegenwart erworben, auch aus finanziellen Gründen. Mit der Fotografie bewegt sich die Sammlung seit einiger Zeit in einem zusätzlichen Medium.


Künstlergraphik der Schweiz

Fast gleichzeitig mit dem Bildhandbuch zum Gesamtbestand hat die Graphische Sammlung der ETH ein weiteres gewichtiges Überblickswerk herausgegeben. Der Band „Schweizerische Künstlergraphik im 20. Jahrhundert“ von Eva Korazija eröffnet einen Querschnitt durch ein Gebiet, für welches die Graphische Sammlung die Adresse schlechthin darstellt. In Text und Bild bietet die Autorin „Geschichten aus der Kunstgeschichte“ – Orientierungsmarken zum handwerklichen, formalen und inhaltlichen Wandel eines höchst lebendigen künstlerischen Genres. Eva Korazija war zwischen 1979 und 2001 Konservatorin an der Graphischen Sammlung. Der Band basiert auf drei kürzlich organisierten Ausstellungen zur Schweizer Graphikproduktion des vergangenen Jahrhunderts. Die letzte zur Schweizer Druckgraphik 1980 bis 2005 im Zürcher Helmhaus (Autorin: Bernadette Walter) ging gestern Sonntag zu Ende. (nst (mailto:norbert.staub@sl.ethz.ch) )


Lucas van Leyden (1488/1494–1533): Junger Mann mit Totenschädel; um 1519, Kupferstich.

„Die Publikation gab Gelegenheit, eine unschätzbare Kunstsammlung, um die die ETH oft benieden wird, eindrücklich vor Augen zu führen“, sagt Michael Matile, stellvertretender Leiter Graphischen Sammlung und Co-Autor des Bandes (gemeinsam mit Paul Tanner, dem Leiter der Sammlung). Wie Fenster, so Matile, sollen die 25 Kapitel des Bildhandbuchs Einblick in den Reichtum des druckgraphischen und zeichnerischen Schaffens von mehr als 500 Jahren geben.

Wer in dem rund 450 Seiten starken Band blättert, dem wird in der Tat ein kunstgeschichtliches Konzentrat sondergleichen geboten. Chronologisch werden zentrale Werkgruppen der Sammlung vorgestellt. Die Einführungstexte sind knapp gehalten; es dominieren – ganz dem Titel des Bandes entsprechend – die hervorragenden bildlichen Reproduktionen.

Von Dürer bis zu Fischli/Weiss

Von den Anfängen der Graphik im 15. Jahrhundert, die fast immer religiöse Motive zeigte, gelangt die Darstellung bald zu Albrecht Dürer, einem frühen Genie des Kupferstichs und Holzschnitts. Von ihm besitzt die Graphische Sammlung annähernd das komplette graphische Werk. Es folgen weitere klingende Namen wie Lucas van Leyden, Rembrandt oder Piranesi. Ein Kapitel ist den Handzeichnungen von Meistern des 15. bis 18. Jahrhunderts gewidmet; ein weiteres Schweizer Zeichnungen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Weitere Kapitel zeigen den grossen Spanier Francisco Goya mit seinen aufwühlenden Darstellungen des Krieges, die Druckgraphik im 19. Jahrhundert und des Fin de Siècle: Toulouse-Lautrec, Cézanne, Munch sind hier die zentralen Figuren. Für das 20. Jahrhundert stehen Künstler wie Nolde, Matisse, Miró, Tapiès und natürlich Picasso. Der Schweizer Graphik gilt hier ein separater Seitenblick.

Mit Künstlerbüchern und in Serie hergestellten Objekten wurde im 20. Jahrhundert der Graphik-Begriff erweitert. Endgültig auch mit der Fotografie, die ab den 1970er Jahren die Kunstgalerien zu erobern begann. Auch diese Entwicklung wird von der Graphischen Sammlung dokumentiert. Fischli/Weiss und Urs Lüthi gehören darin zu den bedeutenden Vertretern in der Schweiz. „In ihrer Vielfalt und Qualität überrascht die Sammlung nicht nur den Laien, sondern auch uns Fachleute, die wir täglich Umgang mit ihr pflegen“, meint Buchautor Michael Matile.

Martin Disler (1949–1996) Ohne Titel; 1990, Farbholzschnitt, 190 x 120 cm.

References:
•  Website der Graphischen Sammlung: www.gs.ethz.ch

Footnotes:
(1 Paul Tanner, Michael Matile: Graphische Sammlung der ETH. Ein Bildhandbuch. A Visual Handbook. (Texte in Deutsch und Englisch, mit Anhang.) Graphische Sammlung der ETH Zürich/Schwabe Verlag Basel 2005. 488 Seiten, Fr. 62.- (Vorzugspreis für ETH-Angehörige; Kontakt: info@gs.ethz.ch).


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