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Rubrik: Campus Life Ausstellung in der Graphischen Sammlung eröffnet Der andere Picasso |
Published: 27.04.2006 06:00 Modified: 25.04.2006 16:25 |
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Die Graphische Sammlung zeigt ab heute Picasso – aber nicht den im Künstlerolymp angesiedelten Maler, Zeichner und Radierer, sondern seine kaum bekannte Seite als Schöpfer von „kleiner“ Gebrauchskunst, die häufig für den politischen Alltag entstand. Der St. Galler Bruno Margadant hat sie über ein halbes Jahrhundert lang zusammengetragen. Norbert Staub (mailto:norbert.staub@sl.ethz.ch) Es klingt wie ein totaler Widerspruch: Picasso– günstig zu haben, aber wenig beachtet. Doch genau so verhält es sich mit der Gebrauchsgrafik des Genies, das von 1881 bis 1973 lebte. Seinem Werk auf Plakaten, in Büchern, Kalendern, Karten und Notenheften hat der etablierte Kunstbetrieb stets wenig Beachtung geschenkt. Aber der St. Galler Schriftsetzer und Publizist Bruno Margadant hat sich am scheinbar minderen Rang dieses Segments von Picassos Werk nie gestört und es seit Ende der vierziger Jahre begeistert gesammelt. Zusammengekommen ist ein über 380 Stücke umfassendes faszinierendes Opus, über welches die Graphische Sammlung der ETH jetzt einen Überblick verschafft (1) . Kuratorin der bis 30. Juni dauernden Ausstellung ist die Kunsthistorikerin Katja Herlach.
In der Gesamtschau fällt auf, wie stark Picassos Gebrauchsgrafik sein entschiedenes politisches Engagement für Antifaschismus und Sozialismus spiegelt. Zahlreiche Beispiele belegen eindrücklich Picassos Parteinahme für das republikanische Spanien und die französische Résistance, seine Unterstützung für die Kommunistische Partei Frankreichs oder für die Weltfriedensbewegung. Geschickt instrumentalisierte er in diesen bewegten Jahrzehnten seine Kunst zur Verbreitung seiner Standpunkte. „Das war in den 50-er Jahren der Ansatz für mein Interesse für Picassos Gebrauchsgrafik: das darin sichtbare Engagement des Künstlers für linke Anliegen – denn diese Anliegen waren und sind auch meine“, sagt Sammler Bruno Margadant im Gespräch mit „ETH Life“. Zweifel am Begriff "Original"Er war vorher schon ein leidenschaftlicher Sammler von politischen Plakaten gewesen. „Karten, Bücher, Noten: dies ist eine Kunst zum Gebrauchen – Picassos Werk, das in den Museen hängt, interessiert mich hingegen kaum“, so der Sammler. „Für mich ist nämlich der Begriff 'Original’ in seiner von der Kunstwelt verwendeten Art irrelevant.“
In seinen Augen war immer nur die Qualität des Entwurfs entscheidend, nicht die Tatsache, ob ein Bild ein Unikat ist oder ein Blatt vom originalen Druckstock stammt. Diese Haltung hat er auf die Gebrauchsgrafik von Picasso übertragen und sie systematisch gesammelt. Und diese Haltung ist sehr untypisch: „Darum hat sich bisher kaum jemand für diesen Teil von Picassos Werk interessiert.“ Es zeigt in formaler Hinsicht, wie Picasso mit Lust drucktechnische Experimente einging, wie er traditionelle Produkte der Alltagskultur wie mit ganz neuen Augen sah und wie eigenwillig er mit Massenmedien, Auftraggebern und Handwerkern umging.
Das Ergebnis seiner jahrzehntelangen Sammlertätigkeit hat bei Bruno Margadant bequem in einem Schrank Platz. Dass es nun doch in der Graphischen Sammlung der ETH und damit in einer musealen Rahmen gezeigt wird, ist für ihn, der von bedrucktem Papier immer wieder fasziniert ist, eine Genugtuung. Denn gegen die Zuordnung der Gebrauchskunst zum Kunstgewerbe hat er sich immer gewehrt. Die Entwicklung der letzten Jahre hat ihm nun recht gegeben. Das Interesse an Gebrauchskunst und Alltagskultur hat markant zugenommen, „und das scheint sich nun auf die Grafik abzufärben“, so Margadant. Sobald sich aber etwas etabliert, wie etwa die Plakatkunst, lässt sein Interesse nach. „Ich suche nun einmal das Besondere im scheinbar Unbedeutenden. Jetzt wende ich mich deshalb den Titelblättern von Zeitungen und Zeitschriften zu, und auch hier schwerpunktmässig den linksgerichteten.“ Zur Ausstellung ist eine umfassende, reich bebilderte Publikation erschienen (2) . Footnotes:
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