Gabrielle Attinger

Am 19. Mai jährt sich zum 100. Mal der Tag, an dem in Brig im Beisein des italienischen Königs die Eröffnung des Simplontunnels gefeierte wurde. Der Bau dieser Bahnverbindung zwischen Italien und der Schweiz wirkte sich damals auf den gesamten europäischen Verkehr aus. Der Tunnel war lange Zeit mit 19,82 Kilometer der längste Gebirgstunnel der Erde. Heute ist er mit der bevorstehenden Eröffnung des Lötschberg-Basistunnels wichtiger denn je. Entsprechend gross hat die SBB die Jubiläumsfeierlichkeiten angelegt. Im offiziellen Teil unterstreicht am 19. Mai für die Schweiz Bundesrat und Verkehrsminister Leuenberger die nationale Bedeutung des Bauwerks; ebenso wird Italiens Politik mit einem hohen politischen Repräsentanten präsent sein.

Die Tagesveranstaltung, die am Samstag, dem 20. Mai stattfindet, geht weit über bekannte Festakte für Bahnbegeisterte und Nostalgiker hinaus und wird auch urbanes Publikum aus den städtischen Regionen ins Oberwallis ziehen. Auf dem kilometerlangen Areal der SBB in Brig entstehen verschiedene Erlebniswelten, die Themen wie den Tunnelbau und die Naturgefahren, die technischen und wirtschaftlichen Aspekte der Bahn sowie das Leben rund um die Bahn nahe bringen. In einer Tunnelattrappe etwa werden das Klima und der Mikrokosmos im Berg simuliert. Filme und historische Bilder informieren über die grössten Errungenschaften rund um den Bahnverkehr, interaktive Präsentationen machen die künftigen Auswirkungen des Löschberg-Basistunnels sichtbar und die Dimensionen des Cargoverkehrs der SBB und ihrer Tochtergesellschaften im Ausland fassbar. Am Computer lässt sich die Entstehung eines Fahrplans verfolgen und selber testen.

Auf zwei Bühnen werden Persönlichkeiten interviewt und Shows sowie Publikumsspiele geboten. Zugskompositionen wie der legendäre Venice-Simplon-Orient-Express sowie der künftige Cisalpino 2 stehen zur Besichtigung bereit, und kostenlose Shuttle-Züge laden zur realen Reise von Brig nach Domodossola. Im Kulturzug liest ein Schauspieler aus Dürrenmatts „Der Tunnel“.

Das Postauto fährt Sonderkurse über den Simplonpass nach Domodossola und zurück. Auf dem Festgelände selber verkehrt ein Pendelzug auf Rädern, und für den Zwischenhalt sind kulinarische Spezialitäten aus dem Wallis und Italien zu haben. Den musikalischen Höhepunkt des Anlasses bildet am Abend ein Konzert der italienischen Rocklegende Gianna Nannini.

Ingenieure des Eigenössischen Polytechnikums waren vor über 100 Jahren am Bau der Simplonröhre massgeblich beteiligt. Ins Jubiläum ist vor allem das Event-Team der ETH-Kommunikation involviert: Forschung live zeichnet für das Konzept und die Szenografie der Veranstaltung verantwortlich und unterstützt die SBB bei der Realisierung der Erlebnisausstellung sowie des ganztägigen Events. Die Wahl der Jubilare fiel nicht zufällig auf diese Veranstalter: Die SBB hatte letztes Jahr die „Welten des Wissens“ der ETH im Platzspitzpark und im Hauptbahnhof Zürich miterlebt. Eine ähnlich konzipierte Veranstaltung wünschte man sich auch für das Simplonjubiläum.

So präsentiert sich der Bahnhof Brig am 19. und 20. Mai: Rote, den Tunnelportalen nachempfundene Bögen künden von den Veranstaltungen im Zeichen von 100 Jahren Simplontunnel.

Die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Jubiläumsaktivitäten mit Erlebnisausstellung, Bühnen-Unterhaltung und kulinarischem Angebot ist also durchaus gewollt. Zudem werden einige Forschungsbereiche der ETH, die an den „Welten des Wissens“ teilgenommen haben, auch in Brig vertreten sein. In der Themenwelt „Tunnel und Natur“, die geologische und technische Aspekte des Tunnelbaus beleuchtet, wird das Modell zur Steinschlagforschung, das am ETH-Jubiläum einer der Publikumsrenner war, zum Einsatz kommen. Die Besuchenden können Boule-Kugeln auf eine Fläche fallen lassen, worauf ein Computer die Wucht misst, mit der die Kugeln je nach Unterlage auf der Fläche auftreffen. Das Modell stammt aus dem Institut für Geotechnik, der Stand wird von den Forschenden betreut werden.

Ebenfalls präsentiert wird ein Forschungsprojekt aus dem Zurich Network for Natural Hazards, ein Computerprogramm, mit dem sich Steinschlag und deren Auswirkungen simulieren lassen. Auch dieses Exponat wird von den verantwortlichen ETH-Forschenden betreut. Blickfang und szenografischer Höhepunkt wird ein zwölf Meter hoher roter, begehbarer Doppelbogen auf dem Bahnhofsgelände von Brig sein. Er symbolisiert die Tunnelaus- und -eingänge des Simplons, Öffnung und Zukunft und wird den Besuchern und Besucherinnen als Aussichtspunkt dienen. Mit kleineren Doppelbögen wird die gesamte Erlebnisausstellung gestaltet. Ein Besuch von „100 Jahre Simplontunnel“ lohnt sich also auch optisch allemal.