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Rubrik: Campus Life
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Publiziert: 09.05.2007 06:00

Jahresausstellung der ETH-Bibliothek
Wenn Mathematik im Spiel ist

Manche Spiele haben einen mathematischen Hintergrund. Diesen beleuchtet anhand einiger Beispiele die ETH-Bibliothek in ihrer Jahresausstellung „Alles ist Spiel – Unterhaltungsmathematik in historischer Perspektive“. An der Vernissage diesen Montag gaben zudem zwei Referenten einen Einblick, wie der Computer ins Schachspiel eingriff und welchen Anforderungen ein Mathematikjournalist gerecht werden muss.

Christoph Meier

Das spielerische Moment in der Mathematik blieb bisher vielleicht manchen verborgen. Das bedeutet aber nicht, dass in manchen Spielen nicht viel Mathematik steckt. Dieser spürt nun die neue Ausstellung nach (1). Sie zeigt dies anhand von rund 30 Spielen. Diese sind selbst zu sehen, werden aber ergänzt mit Informationen zu ihrer Geschichte, Spielweise und dem speziellen mathematischen Aspekt, der darin steckt. Die Ausstellung versteht sich als Beitrag zum International Congress on Industrial and Applied Mathematics (2), der diesen Juli in Zürich stattfindet, wie Andreas Kirstein, stellvertretender Direktor der ETH-Bibliothek, an der Eröffnung ausführte.

Jetzt spielen die Schachcomputer ihre eigene WM

An dieser zeigte Jürg Nievergelt, emeritierter ETH-Informatikprofessor, in einem höchst unterhaltsamen Referat auf, wie verschieden Menschen und Computern, die streng regelbasiert arbeiten, Schach spielen. So braucht der Mensch viel Erfahrung gepaart mit Intuition. Die Maschine dagegen rechnet möglichst viele neu entstehende Konstellationen durch und zieht dabei die Werte von Positionen sowie Figuren mit ein. Da mit jedem Zug die Anzahl der Möglichkeiten zunimmt, entstehen Spielbäume. Dass solche Spielbäume für Computerschach genutzt werden müssen, darüber waren sich schon die Informatikpioniere Zuse, Shannon oder Turing im Klaren. Trotzdem führten die ersten konkreten Umsetzungen der Schachcomputer eher zu einem mitleidigen Lächeln. Dies änderte sich aber stark. So nahm, wie Nievergelt darlegte, die Schachstärke linear mit der Rechenkapazität zu. In der Zwischenzeit spielen die Maschinen aufgrund ihrer Leistungssteigerung eine eigene Weltmeisterschaft. Für Nievergelt ist Schach insofern einmalig, da sich hier wie kaum in einem anderen Fall Menschen- und berechnete Maschinenkenntnisse vergleichen lassen.

Weniger berechenbar ist dagegen der Mathematikjournalismus. Dieser könne gerade wegen der Rigidität seines Gegenstandes dessen Ansprüchen nicht ganz genügen, wie George G. Szpiro, Journalist der NZZ, in einem weiteren Vortrag mit dem Titel „Wahrheit, die ganze Wahrheit, nichts als die Wahrheit?“ erläuterte. Beispielsweise sei die ganze Wahrheit nicht möglich, da man für ein breiteres Verständnis mit Analogien und Beispielen arbeiten müsse, die gezwungenermassen ungenau sind und nur einen Teilaspekt behandeln. Zudem interessiere den Leser auch das Politische und das Menschliche rund um die Mathematiker, was diese häufig aber nicht goutieren. Szpiro versteht sich nicht als Anwalt der Mathematik, will aber deren Faszination und Umfeld aufzeigen, was dazu führt, dass er „manchmal etwas mehr als die Wahrheit“ schreibe.

Auch Werke des Jubilaren Euler zu sehen

Etwas mehr als Mathematik ist natürlich auch die neue Ausstellung. So enthält sie beispielsweise auch eine Bilderreihe. Zu dieser gehört die „Composition en rouge, bleu et jaune“ von Piet Mondrian, die primär ein Kunstwerk ist, auch wenn sie mit geometrischen Formen arbeitet. Der grössere Teil der Ausstellung ist dann mehr oder weniger bekannten Spielen und ihrem mathematischen Aspekt gewidmet. Beispielsweise erfährt der Besucher, dass für das Spiel „Nim“, das aus drei Haufen oder Reihen mit 3, 4 und 5 Objekten besteht, ein Harvard-Professor eine mathematische Lösung gefunden hat. Aus dieser ergibt sich, dass bei der klassischen Spielvariante immer der erste Spieler mit der richtigen Strategie gewinnt.


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Diese Sphère de tirage von Jost & Cie, Paris, von Ende des 19. Jahrhunderts, ist in der neuen Ausstellung "Alles ist Mathematik – Unterhaltungsmathematik in historischer Perspektive" zu sehen. (Bild: Musée Suisse du Jeu, La Tour-dePeilz) gross

In thematischen Vitrinen finden sich weitere Exponate und Erläuterungen. gross

Die Spiele sind den fünf Begriffen „Formen“, „Ordnung“, „Strategie“, „Zahlen“ und „Zufall“ zugeordnet. Neben den Spielen können zudem Raritäten aus der Sammlung „Alte Drucke“ der ETH-Bibliothek bestaunt werden. So findet man diverse Werke von Leonard Euler, dem Basler Mathematiker, der vor 300 Jahren geboren wurde.

Insgesamt wird klar, dass sich Menschen nicht erst heute anhand von Sudokus mit Unterhaltungsmathematik beschäftigen, sondern dass diese selbst eine grosse Tradition aufweist und die dazugehörige Mathematik nicht einfach nur Spiel ist. Möchte man etwas an der Ausstellung bemängeln, dann vielleicht der Umstand, dass in den grundsätzlich sorgfältig gestalteten Vitrinen die Texte zu den Exponaten im unteren Bereich augrund ihrer Position schwer zu lesen sind.


Fussnoten:
(1) Alles ist Spiel – Unterhaltungsmathematik in historischer Perspektive: www.ethbib.ethz.ch/exhibit/mathematik/index.html
(2) International Congress on Industrial and Applied Mathematics: www.iciam07.ch/exhibition_advertising



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