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Rubrik: Campus Life
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Publiziert: 06.09.2006 06:00

"Presidential Lecture" von Chinas Vizebildungsministerin Qidi Wu
Kooperation als Chance

Sie ist ETH-Alumna und heute verantwortlich für das grösste nationale Hochschulsystem der Welt: Als Gast der ETH Alumni hielt Chinas Vize-Bildungsministerin Qidi Wu gestern Abend im Audimax der ETH die erste "Presidential Lecture". China legt auch im Hochschulbereich ein enormes Entwicklungstempo vor. Die ETH, so Wu, habe beste Karten, um im Zuge der nun gezielt geförderten internationalen Partnerschaften eine wichtige Rolle zu spielen.

Norbert Staub

Über 2'273 Hochschulen, 23 Millionen Studierende und fünf Millionen neue Einschreibungen jährlich - Chinas Universitätssystem kann mit atemberaubenden Zahlen aufwarten. Jedes andere Land der Erde wird diesbezüglich in den Schatten gestellt. Im Rahmen der ersten "Presidential Lecture", welche die Tradition der bisher 20 GEP-Vorlesungen (Gesellschaft Ehemaliger Polytechniker) fortsetzt, stellte die 59-jährige Qidi Wu als Verantwortliche für den chinesischen Hochschulsektor die aktuelle Situation und die von der Staatsführung angepeilten Ziele vor.

ETH: Sprungbrett für steile Karriere

Zuvor aber hatte Qidi Wu die zahlreich erschienenen Zuhörer mit ihrer Laufbahn vertraut gemacht. Als wichtige Basis darin figuriert ihr ETH-Doktorat, das sie während eines fünf Jahre langen Aufenthalts von 1981 bis 1986 am Institut für Automatik bei Professor Schaufelberger erarbeitete. In Deutsch, wohlverstanden, und ohne dass sie zuvor ein Wort dieser Sprache beherrscht hätte, wie ETH-Präsident Ernst Hafen in seiner Begrüssung anerkennend bemerkte. Zurück in China, erhielt sie einen Lehrstuhl an der renommierten Tongji-Universität. Sie machte dort eine steile Karriere, die 1995 in der Übernahme des Tongji-Präsidiums gipfelte. Nach acht Jahren dann ein weiterer Karriere-Schritt: 2003 wurde Qidi Wu Vize-Bildungsministerin Chinas. Sie ist zuständig für den gesamten Hochschulbereich und die Berufsbildung. "Die Erfahrungen, die ich in der Schweiz und an der ETH machte, haben mir in meiner Arbeit immer wieder geholfen", sagte Qidi Wu.

Diskrepanzen in der Binnen-Entwicklung

Mit der Öffnung Chinas im Jahr 1978 setzte eine stürmische Entwicklung ein, die neben der Wirtschaft auch das Bildungswesen völlig veränderte. Zunächst ging es um die Durchsetzung des neunjährigen Schulobligatoriums und die Beseitigung des Analphabetismus - keine Kleinigkeit bei heute 1,3 Milliarden Einwohnern. Gleichzeitig wurde ein Berufsbildungssystem eingeführt. Mit der Jahrtausendwende waren diese Ziele praktisch erreicht. In der Hochschulpolitik konzentriert sich China heute auf drei Kriterien: Entwicklung, Qualität und das Setzen von Prioritäten. Ehrgeiziges Ziel sei es, die Rate jener, die eine Hochschulausbildung machen, von heute 21 Prozent auf 40 Prozent im Jahr 2020 zu steigern, sagte die Ministerin. Zu bewältigen gebe es dabei das Problem, dass zwischen dem teilweise hoch entwickelten Osten und dem rückständigen Westen eine riesige Diskrepanz bestehe. Mit spezifischen Ost-West-Partnerschaften zwischen Institutionen soll hier Abhilfe geschaffen werden.

Entschiedene Internationalisierung

Die Hochschulen will Qidi Wu dazu anhalten, mehr auf Qualitätsverbesserungen zu achten als auf die Erhöhung der Studierendenzahl, unter anderem mit der Etablierung eines externen Evaluationsinstruments. Zudem sind 100 Universitäten dazu bestimmt, mit ihrer Wissensproduktion im 21. Jahrhundert Chinas Entwicklung massgeblich zu unterstützen. Und 30 ausgewählte Institutionen wie die Peking- und die Tsinghua-Universität sollen gar zu Weltklasse-Hochschulen werden - allerdings ohne die Bindung zur chinesischen Tradition preiszugeben, wie Wu im Anschluss an ihr Referat betonte. Auch will der Staat Gegensteuer zur generellen Theorielastigkeit der Ausbildung an Chinas Hochschulen geben.


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ETH-Präsident Ernst Hafen, Chinas Vizebildungsministerin Qidi Wu und ETH-Alumni-Präsident Eduard Brunner (v.l.) bei der von den ETH Alumni gestifteten "Presidential Lecture". gross

Um weiter voran zu kommen, soll laut Qidi Wu stark in die internationale Zusammenarbeit investiert werden: "Wir leben in einer globalisierten Welt. Entwicklung erfordert Talente mit internationalem Background." Dabei müsse immer eine win-win-Situation für beide Seiten entstehen, hielt sie fest. So ermutigt China eigene wie ausländische Studierende zu mehr Mobilität. Entsprechende Abkommen gibt es etwa mit Oxford, Harvard und der Uni Sydney. Zudem werden chinesische Hochschulen ermuntert, Forschungskooperationen mit ausländischen Partnern einzugehen. Noch einen Schritt weiter geht bereits die Peking University, wie Wu sagte. Diese betreibe mit der Universität Stanford ein gemeinsames Ausbildungs-Programm. Beide Hochschulen hätten beim Partner zudem "Offshore-Campuses" gegründet. Generell soll mehr und mehr internationales Wissen in die Kurse an Chinas Hochschulen einfliessen: "Wir haben grosse Fortschritte bei der Übernahme ausländischer Unterrichtsmaterialien gemacht." Und Englisch als beginnt sich in der Lehre auch im ehemaligen Reich der Mitte einzubürgern: Die Tsinghua-Uni verzeichne bereits 15 Prozent englischsprachige Vorlesungen.

Willkommene Schweizer

Die Schweizer Hochschulen, im speziellen auch die ETH (die das Leading House der Schweizer Forschungsbeziehungen zu China darstellt) könnten von der Öffnungspolitik profitieren, meinte Wu. Schweizer Studierende seien sehr willkommen, auch um allenfalls später in China zu arbeiten. Im Gegenzug sei die Schweiz eines der bevorzugten Ziele für die zahlreichen Studierenden, die Erfahrungen im Ausland sammeln möchten. Und Chinas Anspruch, ein Land der Innovationen zu werden, korrespondiere ausgezeichnet mit der nachgewiesenen Innovationskraft der Schweiz.

Der ETH empfiehlt die Vize-Bildungsministerin, mit einem oder mehreren starken chinesischen Partnern Zusammenarbeitsgebiete zu definieren und gegenseitig Doktoranden-, aber auch Bachelorprogramme zu lancieren, die nicht nur den akademischen, sondern zusätzlich den sozialen und kulturellen Austausch fördern. Qidi Wu schloss mit ihrem Credo, dass Hochschulen neben Lehre, Forschung und Dienstleistung die Verpflichtung zur Kommunikation auferlegt sei. "Nur so entstehen gegenseitiges Verständnis und konstruktive Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg." (1)

Chancen jetzt nutzen

ETH-Präsident Ernst Hafen nahm diesen Faden auf und regte an, die Chancen, die sich derzeit in China eröffnen, zu nutzen. "Nicht nur die Forschung, auch die Ausbildung wird jetzt global", so Hafen. Die ETH, verankert in der kleinen Schweiz, müsse sich in dieser Situation klug positionieren und Partner in grossen, sich entwickelnden Ländern wie China suchen, das über ein enormes Potenzial von Talenten verfüge. Mit Qidi Wu an der Spitze des chinesischen Hochschulsystems bestehe die ideale Voraussetzung, um eine starke Verbindung in dieses Land herzustellen.


Literaturhinweise:
Website der ETH Alumni: www.alumni.ethz.ch

Fussnoten:
(1) Siehe dazu auch den "ETH Life"-Bericht "Willkommen in Beijing" über den Zusammenarbeitsvertrag zwschen der ETH und der Tsinghua-Universität vom 30. November 2005: www.ethlife.ethz.ch/articles/news/tsinghmou.html



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