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Rubrik: Forum
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Publiziert: 12.06.2006 06:00

Nachhaltigkeit: Und die ETH?
"Mehr Mut zu Herzblut"

Von Kurt Signer, BA

Wie gerne hört man die Botschaft des ETH-Rats-Präsidenten, wenn man an die eigene Studienzeit zurück denkt. Welcher Professor konnte wirklich begeistern und sein Wissen weiter geben? Ein Ackeret, der durch seine geistige Klarheit den interessierten Studenten in den Bann zog. Oder ein Joseph Hersch, der immer hinter einer Säule stand, um auf die Sekunde genau den Hörsaal zu betreten. Es war häufig Brillanz aber auch Originalität, die den Studenten beeindruckte. Ganz hervorragende Genies konnten oft keine pädagogischen und hermeneutischen Glanzleistungen erbringen, wie etwa ein Fritz Zwicki, der sehr unwirsch werden konnte, wenn ein Student seinen genialen Gedanken nicht sofort folgte. Ich glaube, dass die pädagogischen Qualitäten früher so wie jetzt ganz ungleich verteilt waren und die Wahlverfahren auch früher schon oft den zukünftigen Kandidaten vor der Ausschreibung der Stelle bereits festgelegt hatten, ohne seine pädagogischen Qualitäten geprüft zu haben. Zugegeben, das ist verbesserungswürdig und es ist sehr wohltuend zu hören, dass der Präsident des ETH-Rates dieses Problem erkannt hat.

Aber nur der gute Lehrer macht noch keinen guten Lernerfolg. Ich möchte damit das Augenmerk auf die heutigen Studenten lenken. Ein Germanistikprofessor aus Basel sagte mir kürzlich, er hätte den Eindruck, die heutigen Studenten suchten nur das „Label“, also den Jagdschein von der am besten eingestuften Universität, der sie dann in den entsprechenden Verdienstlevel begleitet. Dieses Denken in materiellen Kategorien ist absolut unwissenschaftlich, nicht prospektiv nachhaltig und für einen universitären Betrieb tödlich. Wenn es einer Schule nicht gelingt, eine Atmosphäre des Interessens an der Sache zu schaffen und nicht an der materiellen Belohnung, hat sie versagt - wie gut auch ihre Forschungsausweise sein mögen. Eine Universität lebt nur in der Synergie von Lehrern und Schülern. Wenn unsere heutige Gesellschaft und unser heutiges Bildungssystem nicht fähig sind, Menschen an die Hochschulen zu schicken, die der Erkenntnis wegen kommen, können auch die besten und hermeneutisch begabtesten Professoren ihrer Aufgabe nicht nachkommen. Die Leidenschaft zum fragenden und forschen Denken bei den Studenten einpflanzen, eine nötige Voraussetzung nicht nur zur Nutzung der heutigen Informationssysteme, sondern auch zur interessierten und verantwortungsvollen Beobachtung der Phänomene und Probleme unserer Umwelt.

So stellt sich auch bei der Auswahl der Studenten die Frage nach der Eignung und nach der Aufnahmewilligkeit der jungen Menschen, Eigenschaften, die aus der vorhergehenden Schulung und aus der Erziehung entstehen. Die Verantwortung für einen universitären Geist liegt beim System der Hochschule und ihrer Fähigkeit zur Schaffung eines Ambientes der Kollegialität zwischen Lehren und Schülern. Daher ist die Aufforderung Alexander Zehnders nach mehr „Mut zu Herzblut“ mehr als gültig und aktuell. Sie gilt aber im höchsten Ausmass und mit grösster Verantwortung vor allem für jene, die das Artefakt der Hochschule und des ganzen Bildungswesens kreieren. Die „Bildungs -und Forschungsmaschine“ Hochschule mit den gleicherweise guten Lehrern und Forschern und dem Ziel des besten „Ranking“ mag zwar heute sehr in Mode sein, sie scheint mir dafür nicht das geeignete Modell abzugeben und die genügende „sustainability“ aufzuweisen. Das würde sicher auch Scheherazade empfehlen, um möglichst lange lebendig zu bleiben.

Kurt Signer





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