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Publiziert: 22.03.2005 06:00

Unterstützung am falschen Ort, ETH Life 9.3.05

Von Kurt Signer

Eine Zielbereinigung tut not.

Wie der Artikel aufzeigt, gibt der Bund jährlich mehr als 4 Mrd Franken für die Landwirtschaft aus. Gemäss anderen Quellen sind es 7 Mrd. Bei 68'000 landwirtschaftlichen Betrieben mit durchschnittlich 4 Personen sind das 17’000 – 25'000 Franken pro Jahr und pro Person. Die Schweiz liegt damit an der Spitze der westlichen Industrieländer. Die Bauern beziehen 77% ihres Einkommens aus Subventionen. Vergleicht man die Sozialausgaben der Stadt Zürich damit, 1 Mrd. Franken auf ca. 330'000 Einwohner, dann kommt man auf ca. 3'000 Franken pro Person und Jahr. Ein landwirtschaftlich tätiger Mensch ist uns also 6- bis 9-mal mehr Sozialunterstützung wert, als ein Städter. Die Raumplanung befindet sich da im Dilemma. In Art 1 des Eidg. Raumplanungsgesetzes wird die masshälterische Nutzung des Bodens postuliert, in Art. 1 c eine Dezentralisierung der Bebauung. Während die Planer eindringlich eine Konzentration der urbanen Bereiche und eine Ökonomie des Bodens verlangen, gibt der Bund – gemäss vorliegendem Artikel - 700 Millionen pro Jahr zu viel für die Dezentralisierung durch die Landwirtschaft aus, ohne sichtbaren Erfolg.

Die Tätigkeit der Landwirtschaft ist nicht unbestritten. Flächenbeiträge veranlassen die Landwirte zur Requirierung und zur Pacht von fremden Böden, die sich direkt auf ihr Einkommen auswirken. Die Übersäuerung der Böden und der Seen infolge Überdüngung führt zu nachhaltigen Schäden unserer Ressourcen. 52% der Treibhausgase stammen aus der Landwirtschaft. Der Kampf zwischen Förstern und Bauern um das Land ist altbekannt. Die Bauern tun seit einem Jahrtausend alles, um ihre Produktionsfläche zu vergrössern, häufig auf Kosten des Waldes, der als Produzent von Primärmaterie, aber auch als ökologischer Umleger von Schadstoffen dient. Hormonbeigaben beim Futter zur Erreichung eines besseren Wachstums beim Vieh sind nicht selten. Eine ökologische Landwirtschaft setzt sich in der Schweiz wenig und sehr langsam durch.

Jean Vallat, emeritierter Professor der landwirtschaftlichen Betriebslehre an der ETH Zürich, forderte seinerzeit schon vehement die Einführung des Berufs des Landschaftsgärtners und wies nach, dass die offene Ackerfläche der Schweiz so mit einem Bruchteil des jetzigen Aufwandes erhalten und fachmännisch gepflegt werden kann. Da er, was für einen Agronomen selten war, aus der linken Philosophieecke kam, wurde seine Meinung bei den Kollegen nicht sehr geschätzt. Vallat hat aber immer versucht, die Eigenkräfte der Landwirtschaft zu mobilisieren und die Selbsthilfe an Stelle der staatlichen Milchflasche zu propagieren. Sein "Privatisierungsmodell“ der Landwirtschaft würde hervorragend in die heutige Polit-Landschaft passen. Schutz der Natur und bessere landwirtschaftliche Produkte aus besseren Produktionsbedingungen bei wesentlich tieferen Kosten für den Staat wären das Ergebnis.

Etwa 230'000 Personen leben in der Schweiz von der Landwirtschaft. Ohne Subventionen wären die Betriebsführer der 68'000 landwirtschaftlichen Betriebe arbeitslos. Heute erhalten sie Unterstützungen der öffentlichen Hand, bis zu 25'000 Franken pro Familienmitglied und Jahr, erwirtschaften aus ihrem Betrieb noch 33% dazu und sind weitgehend selbstversorgend. Mit den Goldreserven aus der Nationalbank, die der Bund nun erhält, könnte man gerade ein Jahr die Subventionen der Landwirtschaft bezahlen. Seit der Entdeckung des Bauern durch Caspar Hirzel mit der idealisierenden Figur des Kleinjogg im Jahr 1761 schätzt man in der Schweiz den Landwirt. Viele Schweizer haben ihre Wurzeln in der Landwirtschaft. So sind die Kühe in der Schweiz heiliger als in Indien, aber auch viel teurer. Raumordnungspolitk und Landwirtschaftspolitik widersprechen sich, wie es auch der vorliegende Artikel beweist, sowohl in den Zielsetzungen, wie auch in den Massnahmen. Eine Zielbereinigung und Neufassung der Modelle tut not.





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