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Rubrik: Forum
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Publiziert: 08.03.2001 10:00

ETH: naiv & opportunistisch
Naive und opportunistische Meinung der ETH

Prof. Thomas Stricker

Die Rechtsgrundlage dieser Zensurmassnahme ist höchst fraglich, denn sie basiert auf einer wilden Konstruktion von Strafandrohungen mittels Beihilfedelikten und den daraus resultierende Panikreaktionen, die grösstenteils auf der Unkenntnis des Mediums Internets beruhen. Würden wir das gedruckte Wort oder den Rundfunk so behandeln, so müssten wir tonnenweise Bücher verbrennen und massenweise neue Störsender aufstellen.

Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sagt zum Thema folgendes - und sie ist auch durch die Schweiz unterzeichnet und ratifiziert:

"Artikel 10 Freiheit der Meinungsäusserung"

"(1) Jeder hat Anspruch auf freie Meinungsäusserung. Dieses Recht schliesst die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein."

Selbstverständlich muss die aktive Meinungsäusserung in der Schweiz gegen Hetze abgegrenzt werden, doch der freie Empfang von Nachrichten aus aller Welt ist ein Recht, dem nichts gleiches entgegensteht.

Der Lauf der Geschichte scheint sich hier zu wiederholen. Im Juli 1995 hat die Veröffentlichung einer völlig mangelhaften Studie eines gewissen Marty Rimm zu pornographischen Inhalten auf dem Internat zu einer ähnlich panikartigen und naiven Zensuraktion der Carnegie Mellon University geführt. Ein nationaler Sturm des Entsetzens brauste über den nordamerikanischen Kontinent mit monatelanger negative Presse für die Universität und deren völlig naive Rechtsabteilung. Ein in der Folge vom US-Parlament in aller Eile zusammengebasteltes nationales Internetzensurgesetz, der sogenannten Communications Decency Act, erlitt wenig später in der US Verfassungsgerichtsbarkeit kläglich Schiffbruch (US Supreme Court). Ich dachte 6 Jahre später habe die Welt etwas gelernt... Weit gefehlt!

Die Durchsetzung unserer lokalen community standards bezüglich Rassismus ist nur der Anfang. Die eidgenössische Spielbankenkommission will bereits auf die selbe Art und Weise auf dem Internet alles verbieten was nach Glücksspiel riecht. Der interkantonalen Arzneimittelkontrolle sind Websites mit dem Slogan "Viagra - Rezeptfrei" ein Dorn im Auge und die Hüter des geistigen Eigentums verlangen schlicht nach dem Verbot von allen Sounds die im Datenformat MP3 codiert sind.

Eine weltbekannte Hochschule wie die ETH sollte sich wahrhaftig schämen, in einer so weitreichenden Sache eine solch naive und opportunistische Meinung zu vertreten.

Prof. Thomas M. Stricker

Parallele und Verteilte Systeme

Dept. Informatik





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