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Rubrik: Forum

Wissenschaft
Heilsbringerin der Gesellschaft oder Schule autonom denkender Individuen?

Published: 27.03.2006 06:00
Modified: 27.03.2006 10:02
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Von Reto Bader

Kompromissloser Erkenntnisgewinn sei die Antriebskraft des Biowissenschaftlers bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Sensibilitäten in der Gesellschaft. Und da Antriebskräfte ja zumindest teilweise ökonomisch steuerbar sein könnten, ist der durch das Förderungsprogrammm "Society in Science" unternommene Versuch, die Horizonterweiterung einer sorgfältig ausgewählten Elite mittels Vergabe grosszügiger Stipendien herbeizuführen, in unserer Zeit sicher plausibel.

Als Horizonterweiterung wird in diesem Zusammenhang explizit die Bereitschaft eines Forschenden definiert, die Erwartungen der Gesellschaft zu erahnen und umzusetzen. Die Gesellschaft kann sich also glücklich schätzen, dass wieder investiert wird, diesmal in eine zeitgemässere Art von zukünftigen Heilsbringern.

Gehen diese Argumente auf? Ich meine nein.

Mit der genau gleichen ökonomischen Begründung wurden und werden nämlich auch die indirekt kritisierten "linear" arbeitenden Spezialisten gefördert, die als Rädchen in einer der immer zahlreicher werdenden Denk-Fabriken von "Big Science" funktionieren. In seinem Abschiedsinterview noch betont der scheidende ETH-Präsident Kübler, dass wissenschaftlicher Fortschritt zunehmend nur in grösseren Kooperationen erreicht werden könne. In der Motivation solcher Kooperations-Zentren steckt fast immer ein Verweis auf ökonomisch verwertbares Zukunfts-Potenzial, dem herkömmlichen Heilsbringer der Gesellschaft also.

Vergessen geht leider, dass die arbeitnehmenden Wissenschaftler solcher Zentren einen beträchtlichen Teil ihrer Denkautonomie aufgeben und sich dem erklärten (politischen) Ziel ihrer Institution verschreiben müssen.

Dass man im Branco-Weiss Förderungsprogramm holistisch ausgerichteten Ideen Raum zum Wachsen gibt, ist sicher äusserst zeitgemäss und auch begrüssenswert. Viele der wichtigsten Ideen über das "Getriebe der Welt" stammen von besonders scharfsinnigen Individuen. Die Veränderungen, die die wissenschaftliche Arbeitsweise aufgrund ihrer Einbettung in demokratische Gesellschaften erlebt, müssen reflektiert werden. Schade finde ich lediglich, dass das Förderungsprogramm nicht von der formalen Verpflichtung freigehalten wurde, ein "Heilsbringer" der Gesellschaft zu sein. Oder kann autonomes Denken am Ende etwa gar nicht ökonomisch legitimiert und gefördert werden?


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