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Rubrik: Frontpage Wie geht die Internet-Aufsichtsbehörde ICANN mit ihrer Macht um? Wer kontrolliert das Internet? |
Published: 01.02.2001 06:00 Modified: 01.02.2001 18:59 |
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Das Internet ist dezentral aufgebaut - mit einer Ausnahme: Die Adressverwaltung wird zentral von der ICANN gesteuert. Dadurch hat sie eine ungeheure Macht: mit einem Knopfdruck kann sie ganze Länder von der Internet-Landkarte verschwinden lassen. Eine Tagung in Zürich will unter anderem die Frage klären, wie die ICANN mit ihrer Macht umgehen soll. Von Jakob Lindenmeyer (www.jakob.lindenmeyer.ch/) und Richard Brogle Obwohl das Internet grundsätzlich eine dezentrale Struktur aufweist, ist die Adressverwaltung als Achillessehne des Internets zentral organisiert. Auf dem sogenannten "Root-Server A" werden die Top-Level-Names (beispielsweise .com, .ch, .de) zentral verwaltet. Dieser Server befindet sich in den USA und steht unter der Kontrolle der amerikanischen Regierung. Seine Verwaltung ist zur Zeit der ICANN, einer privaten Organisation (siehe Kasten (#kasten) ), übertragen und verleiht ihr eine enorme Macht.
Es ist denkbar, dass in Zukunft Sanktionen auch mit Hilfe von diesen Servern ausgeübt werden. Mit einfachsten Mitteln kann ein ganzes Land von der Internet-Landkarte zum Verschwinden gebracht werden. Es ist also keine unerhebliche Frage, wer die ICANN eigentlich ist und wer sie kontrolliert. Die ICANN ist die weltweite Internet-Aufsichtsbehörde. Sie wurde 1998 von der amerikanischen Regierung eingesetzt, um die technischen Aspekte des Internets zu regeln. Immer mehr zeichnet sich aber ab, dass die ICANN die faktische Macht über das Internet ausübt. "Die ICANN gerät zunehmend ins Spannungsfeld zwischen ihrem technischen Mandat und den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen ihrer Entscheidungen", heisst es im ICANN-Programm der Tagung, die morgen in Zürich stattfindet und von Mitarbeitern der ETH und SWITCH mitorganisiert wird. Demokratiedefizit und fehlende TransparenzInnerhalb der ICANN besteht eine Diskussionsplattform, der sogenannte "ICANN-Studienkreis". Dabei handelt es sich um ein offenes Netzwerk von Personen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, die die Entwicklung der ICANN diskutieren. Organisiert wird die morgige Tagung in Zürich unter anderen vom Dresdner Völkerrechtler Wolfgang Kleinwächter, vom ETH Politikwissenschaftler Marc Holitscher und vom SWITCH-Mitarbeiter Marcel Schneider.
Für ein breites Publikum interessant ist sicher die Podiumsdiskussion am Freitagmorgen zum Thema: "ICANN: Technisches Mandat versus politische Herausforderung". Der 28-jährige "Hacker" und ICANN-Direktor Andy Müller-Maguhn diskutiert darüber mit Esther Dyson, der ehemaligen Vorsitzenden von ICANN. Müller-Maguhn sieht in der zentralen Verwaltung des Internets auf Root-Server A einen "Fehler im System", weil dadurch sehr leicht Adressen gelöscht werden können. Auch Mitorganisator Marc Holitscher ist skeptisch bezüglich dem Demokratieverständnis der ICANN: "Noch immer fällt das Direktorium wichtige Entscheide hinter verschlossenen Türen." Vom europäischen ICANN-Direktor erwartet er allerdings nicht viel. Müller-Maguhn sei ein "Techie". Im Gespräch mit ETH Life kritisiert ICANN-Kenner Holitscher: "Müller-Maguhn hat zuwenig Verständnis für sozialpolitische Zusammenhänge. Die sind nicht auf seinem Radar." Mehr bissige Kommentare zu Andy Müller-Maguhn und zur ICANN lesen Sie morgen im ETH Life Freitags-Interview "Der Internet-Aktivist" mit dem ICANN-Kritiker Holitscher. Neue AdressbereicheAn der Veranstaltung wird aber nicht nur über Macht gesprochen. Auch Adresserweiterungen sind eine Thema. Im Jahre 2002 wird die ICANN sieben neue Adressendungen einführen: .pro für Berufsgruppen wie Anwälte und Ärzte, .aero für Fluglinien und Flughäfen, .museum für ebensolche, .coop für Genossenschaften, .biz für Unternehmen, .name für private Adressen und .info für Registrierungen aller Art. Momentan ist SWITCH die einzige Organisation, bei der man CH-Domain-Names registrieren lassen kann. Mit der Ausweitung von Adressendungen wird auch wieder die Frage gestellt, warum dies nur eine einzige Organisation tun darf. Andreas Dudler, Präsident der SWITCH gibt zu bedenken, dass momentan wohl nur SWITCH ausreichend Know-how und Beziehungen habe, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Auch Marcel Schneider von SWITCH und Mitveranstalter der Tagung schliesst eine Beteiligung weiterer Partner nicht aus: "Es gilt eine Lösung zu finden, um mit mehreren "Playern" die gleiche Stabilität, Sicherheit und Transparenz gewährleisten zu können, wie es sich Internetbenutzer in der Schweiz bisher gewohnt sind." Zu diesem Thema laufen momentan Gespräche zwischen SWITCH und dem Bundesamt für Kommunikation (BAKOM). Dudler meint zur Kritik an der Monopol-Verwaltung der SWITCH: "Ich verstehe diese kritischen Stimmen, da man mit diesem Geschäft im Moment etwas Geld verdienen kann, das im vorliegendem Fall an die Universitäten zurückfliesst." ICANN will GeldAuch die ICANN möchte an diesem Geldsegen teilhaben. Kürzlich hat sie SWITCH für ihre Registrierungstätigkeiten eine Rechnung über 35'371 Dollar und 5 Cents gestellt. Die SWITCH spendete 51'000$. Schneider will die Anwesenheit der ICANN-Vertreter nutzen, um die Geldforderungen und fehlende Mitsprachemöglichkeiten dieses Wochenende aufs Tapet zu bringen: "Bisher hat uns die ICANN nur Geld gekostet und wir haben für deren Aktivitäten in Bezug auf COM/NET/ORG bezahlt, genau genommen für deren Anwälte." Zusammengefasst lautet die Botschaft von SWITCH an die ICANN: "Ohne Gegenleistung keine finanzielle Unterstützung". Die Tagung des ICANN-Studienkreises ist öffentlich und beginnt morgen Freitag um neun im Marriott Hotel in Zürich. Die Teilnahme ist kostenlos. Interessierte sollten sich aber übers Internet anmelden (www.icann-studienkreis.net/zurreg.html) . (Link unter "Literaturhinweise"). References:
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