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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen |
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Lobbying für die ETH Zürich |
Von Rudolf Mumenthaler Neulich hat mich ein Studienkollege im Zug auf die gegenwärtige Situation an der ETH angesprochen. Er fragte mich, ob sich nun die konservativen Professoren durchgesetzt hätten. Den Tages- und Wochenzeitungen entnehme er, dass eigentlich notwendige Reformen am Widerstand der Professorenschaft gescheitert seien. Natürlich habe ich ihn zuerst vorwurfsvoll gefragt, welche Zeitungen er denn lese und habe ihm dann das Geschehene aus meiner Sicht geschildert. Ich habe ihm versichert, dass es an der ETH Zürich ein breites Commitment für die Durchführung von Reformen gebe. Mein Kollege stellte als Unternehmensberater einige kritische Fragen, die zeigten, dass seine Interpretation nicht nur auf eine Falschinformation durch die Medien zurückzuführen war. Und ich musste zugeben, dass in der Debatte vor und nach dem Rücktritt des Präsidenten auch einige Voten zu vernehmen waren, die – ich sage es vorsichtig – Ausdruck einer gewissen Selbstzufriedenheit waren. Ich denke dabei an Äusserungen gegen das „Mikromanagement“ der Administration, gegen die stärker leistungs- und projektbezogene Finanzierung der Forschung usw. Das Feedback eines Aussenstehenden zeigt mir, dass die ETH Zürich zur Zeit ein Problem hat mit der Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Die Medien funktionieren bekanntlich nach ihren eigenen Gesetzen und betonen in ihrer Berichterstattung prinzipiell die negativen Aspekte. Richtig gross berichtet wird über Skandale, die laufenden positiven Nachrichten hingegen interessieren viel weniger. Deshalb hat der Sturz des Präsidenten ein so grosses Echo gefunden, und die ETH wird zumindest kurzfristig Mühe haben, das Bild von einer Institution in der Krise zu korrigieren. Ein Nobelpreis käme da sehr gelegen… Ansonsten bleibt nur der mühsame Weg über den steten Tropfen, der den Stein mit der Zeit höhlt: positive Nachrichten über kleinere und grössere Erfolge. Wichtig finde ich Initiativen wie ETH im Dialog (www.ethimdialog.ethz.ch/) oder die Aktivitäten im Jubiläumsjahr, die den direkten Kontakt zur interessierten Bevölkerung suchten. Mir hat die Diskussion in 2006 noch etwas anderes vor Augen geführt: der ETH Zürich fehlt eine starke politische Lobby. Möglicherweise hat der Begriff Lobbying im Hochschulumfeld einen negativen Beigeschmack. Ich vermute, dass es die ETH Zürich mit ihrer extrem starken Vernetzung innerhalb der Politik, des Militärs und der Wirtschaft der Schweiz lange Zeit gar nicht nötig hatte, über dieses enge Beziehungsgeflecht hinaus aktiv zu werden. But the times, they are changing… In den letzten Jahrzehnten wurde dieser „Schweizer Filz“ allmählich aufgelöst. Die Entwicklung fand ihren Abschluss mit dem Grounding der Swissair. Ich habe den Eindruck, dass die ETH Zürich diese Entwicklung etwas verschlafen und es gleichzeitig verpasst hat, sich neue Kanäle zu den politischen Meinungsbildnern und Machtzentren zu verschaffen. Politisches Lobbying ist nichts Anstössiges. Meiner Ansicht nach muss die ETH Zürich dringend versuchen, den ihr gebührenden politischen Einfluss auf nationaler Ebene wieder zu erlangen.
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Die kleine Schwester in Lausanne hat da einen entscheidenden Vorsprung und verfügt über einen sehr gut funktionierenden romanischen Draht bis in den Bundesrat. Wobei es mir nicht nur um die Konkurrenz zur EPFL und den Verteilkampf um die staatlichen Ressourcen geht. Lobbying ist auch nötig, um zum Beispiel dem Parlament die Bedeutung der technischen Hochschulbildung und die Förderung des naturwissenschaftlichen Unterrichts vor Augen zu führen. Lobbying bedeutet politische Basisarbeit, deren Früchte längere Zeit zum Reifen brauchen. Es genügt nicht, einen Präsidenten oder eine Präsidentin zu wählen, die einen guten Draht zu Politikern hat. Das braucht es natürlich auch, aber zusätzlich heisst erfolgreiches Lobbying ständige Präsenz, unermüdliches Türklinkenputzen, viele Arbeitsessen und so weiter – echte Knochenarbeit eben. Die Erfahrung der letzten Monate hat uns zudem deutlich gezeigt, dass die ETH Zürich dieses Lobbying nicht allein dem ETH-Rat überlassen darf. (1) Auch auf dieser Ebene hat man zu lange auf „traditionell gute Kontakte“ vertraut. Ich schlage deshalb vor, dass die ETH Zürich ein Büro in Bern (2)eröffnet und einen emeritierten Professor mit den entsprechenden Kontakten als Botschafter einsetzt, der durch einen Assistenten unterstützt wird. Die Infrastruktur wäre vorhanden: der ETH-Rat besitzt ja Räumlichkeiten in Bern und wird diese sicher gerne zur Mitbenutzung zur Verfügung stellen…
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