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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 29.05.2002 06:00

Ein Modell für das künftige Schweizerische Hochschulsystem
Lasst uns gemeinsam stärker werden!

Von Richard Ernst

In meiner letzten Kolumne vom 1.5.2002 plädierte ich für eine weitsichtige Reorganisation der Schweizerischen Hochschullandschaft. In der Zwischenzeit sind erneut Hiobsbotschaften bezüglich mangelnder Hochschulfinanzierung ausgesandt worden: ETH Life, 10.5.2002: “Sparmassnahmen sind unvermeidlich“; NZZ, 19.5.2002: “Sturmtief über der Uni Bern“. Es fehlt an allen Ecken und Enden! - Natürlich braucht es mehr Geld! Und zwar viel! - Doch der Steuerzahler darf von den Hochschulen gleichzeitig auch eine verbesserte Koordination erwarten, um die begrenzten Mittel optimal eingesetzt zu wissen.

Heute möchte ich ein konkretes Modell für das künftige Schweizerische Hochschulsystem skizzieren, das sehr ähnlich ist dem Vorschlag, der heute um 10.30 Uhr vom Schweizerischen Wissenschafts- und Technologierat an einer Pressekonferenz in Bern vorgestellt wird. Die folgenden Grundsätze bilden seine Basis:

1. Die unabdingbare Autonomie der Hochschulen und des schweizerischen Hochschulsystems erfordert eine klare Trennung von strategisch-politischer und operativ-akademischer Verantwortung.

2. Die Hochschulleitungen sollen gestärkt werden, sodass sie ihrer autonomen Verantwortlichkeit gerecht werden können.

3. Die Finanzierung soll zentral koordiniert erfolgen und durch den Leistungsausweis der einzelnen Hochschulen gesteuert werden.

Die strategisch-politische Verantwortlichkeit umfasst (i) die bundesweite Gesetzgebung, welche die legale Gleichberechtigung aller universitären Hochschulen einerseits und aller Fachhochschulen anderseits garantiert, (ii) die Bereitstellung der finanziellen Mittel aus Bund und Kantonen, und (iii) den Abschluss von Leistungsvereinbarungen. Sie soll von einer Schweizerischen Konferenz der Hochschulträger, die Bund und Kantone gleichermassen repräsentiert, wahrgenommen werden.


Zur Person

Den Nobelpreis, den Richard Ernst 1991 für seine bahnbrechende Forschung im Bereich NMR-Spektroskopie bekam, nutzt er, um sich regelmässig als einer der profiliertesten Kommentatoren der Schweizer Bildungspolitik zu Wort zu melden. "Ich habe mich immer als Werkzeugmacher verstanden," bekennt der emeritierte ETH-Chemieprofessor, der lange in den USA in der Industrie tätig war. Seine Forschung sollte stets in eine sinnvolle Anwendung münden. Die Revolutionen in den exakten Wissenschaften gründeten, so Ernst, vor allem auf der Intuition und Kreativität der Forscher. Kein Wunder, hielten sich bei ihm die Begeisterung für die Chemie und jene für die Kunst seit seiner Jugend die Waage. Eines seiner Erfolgsrezepte: "Wenn ich etwas mache, dann nicht mit halbem Engagement, sondern richtig – alles andere ist Zeitverschwendung."




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prof richard ernst
Richard Ernst, ETH-Professor für Physikalische Chemie und Nobelpreisträger 1991. gross

Auf der operativ-akademischen Ebene sollen ein Schweizerischer Universitätsrat und ein Schweizerischer Fachhochschulrat zur gesamtschweizerischen Koordination eingesetzt werden. Die beiden Räte vereinigen sich bei Bedarf zum Schweizerischen Hochschulrat, um Traktanden von übergeordnetem Interesse zu behandeln. Diesen Räten obliegt die Koordination der Studiengänge und ihre Akkreditierung. Sie erarbeiten Konzepte zur Schwerpunktsbildung in der Lehre und zur langfristigen Entwicklung der schweizerischen Hochschullandschaft. Die Rektoren (Rektorinnen), Präsidenten (Präsidentinnen) oder Direktoren (Direktorinnen) der einzelnen Schulen sind Mitglieder dieser Gremien, ohne aber eine Stimmenmehrheit zu erhalten. Mittelfristig wird der bisherige ETH-Rat funktionell durch den Schweizerischen Universitätsrat ersetzt und somit überflüssig werden.

Jeder Hochschulleitung wird ein Beirat zur Seite gestellt. Der Beirat wählt die Hochschulleitung und ratifiziert die wesentlichen hochschulinternen Reglemente. Er stellt gleichzeitig ein wichtiges Bindeglied zur Gesellschaft dar. Er wird dazu mit überragenden Persönlichkeiten der Wissenschaft und der Öffentlichkeit besetzt. Sein Wohlwollen, sein Rat und seine Kritik werden für die positive Entwicklung der Hochschule von grosser Bedeutung sein.

Keine Hochschule soll a priori einen legalen Anspruch auf finanzielle Mittel haben. Die Mittel werden aufgrund von erbrachten oder projektierten Leistungen in Lehre und Forschung gewährt. Während die Mittel für die Lehre primär von der Schweizerischen Konferenz der Hochschulträger gesprochen werden, wird ein wesentlicher Teil der Forschungsmittel via SNF und KTI beschafft werden müssen. Natürlich braucht es sowohl in der Lehre wie auch in der Forschung eine ausreichende Grundfinanzierung, damit die Hochschulleitung genügend kreativen Bewegungsfreiraum hat.

Es ist zu hoffen, dass freie Konkurrenz und Hochschulautonomie zu vermehrter Zusammenarbeit, zu Schwerpunktsbildung und zu noch mehr international beachteter Exzellenz führen, sodass in der Zukunft besonders weitsichtige Industrielle nicht nur in Boston, sondern auch wieder auf dem Forschungsplatz Schweiz investieren werden.




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