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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 22.05.2002 06:00

Von kleinen und grossen Dingen

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Von Nicky Kern

Um das Thema dieser Kolumne einzuführen, sehe ich mich leider gezwungen einen Fachterminus einzuführen: den Nerd (sprich "Nöhrd"). In Informatikerkreisen repräsentiert er das Klischee-Bild eines Vertreters unserer Berufsgattung, mit dem uns eine heisse Hassliebe verbindet. Interessanterweise trifft das Bild nicht nur auf uns zu...

Die Bedeutung des Wortes ist bei weitem nicht klar. Oxford Advanced Learners Dictionary klassifiziert den Nerd als "stupid person, idiot". Das Nerd's Liberation Movement (www.perkel.com/nerd/nlm.htm) hingegen definiert den Nerd als besonders intelligent und verlangt das Recht genau das zu sein. Man sieht, die reine Übersetzung hilft nicht weiter....

Suchen wir also nach den Ursprüngen: der Begriff entwickelte sich bereits in den fünfziger Jahren, und bezeichnete damals pickelgesichtige, männliche Teenager, die den lieben langen Tag lang an Radioempfängern bastelten. Weil sie sich mit nichts anderem beschäftigten, waren auch alle Gespräche mit und unter ihnen auf genau dieses Thema beschränkt. Es versteht sich unter diesen Umständen schon fast von selbst, dass diese sich ihres Nerd-seins nicht im geringsten bewusst waren.

Heutzutage sind die Verhältnisse anders: es gibt Clearasil und mit Radioempfängern lässt sich keiner mehr hinter dem Basteltisch hervorholen. Ersetzt man allerdings das Radio durch den Computer, so ist man ziemlich genau bei der heutigen landläufigen Bedeutung des Begriffs angelangt: intelligent, auf ein einziges Thema fokussiert, nicht wirklich offen für Neues und sich schliesslich dieser Tatsache keineswegs bewusst.

Obwohl der Nerd an sich zu erstaunlichen Leistungen in seinem "Fachgebiet" fähig ist, hat er ein grundlegendes Problem. Durch seinen engen Blickwinkel verliert er gelegentlich zentrale Aspekte aus den Augen. Zusammen mit der Tatsache, dass er meist durch geringe soziale Kontakte zum kommunikativen Tiefflieger mutiert ist, erscheint er meist recht abgehoben.


Zur Person

Seit Oktober 2001 ist Nicky Kern Assistent bei Professor Bernt Schiele im Departement Informatik. Er engagiert sich in der Mittelbau-Vereinigung AVETH. Für seine Doktorarbeit vertieft er sich in das momentan trendige Thema "Wearable Computing". An der ETH schätzt der deutsche Informatiker die konstruktive Atmosphäre zwischen der Schulleitung und den Doktoranden. Als negativ wertet er aber, dass neu ankommende Wissenschaftler in Zürich häufig allein gelassen werden und: "die Professoren sollten den Doktorierenden nicht zuviel Arbeit ausserhalb des definierten Projekts auftragen".




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Nicky Kern, Assistent am Departement informatik.

Man kann allerdings unschwer feststellen, dass "Nerd-sein" bei weitem nicht auf Informatiker beschränkt ist: wer schon einmal Juristen auf einer Party das OR diskutieren hörte, weiss was ich meine. Die meisten anderen Berufsgattungen sind nicht viel besser. Eigentlich ist das auch nicht weiter erstaunlich: schliesslich verbringen wir alle viel Zeit mit dem Thema unseres Berufs oder unserer Ausbildung. Das lässt einen nicht immer so einfach los...

Ich möchte nicht falsch verstanden werden: wir brauchen Nerds. Die permanente Beschäftigung mit einem Thema zeugt einmal von wirklichem Interesse an der Sache, das natürlich absolut unabdingbar ist. Daneben ist sicherlich auch die Fähigkeit und Bereitschaft an die Grenze zu gehen, um ein Thema zu ergründen, notwendig.

Wir hier an der Hochschule sind von unseren Themen, die wir hier lehren, lernen oder forschen fasziniert, sonst wären wir wohl kaum hier. Eben deswegen sind wir besonders gefährdet, zu Nerds zu werden. Das ist auch gut so, schliesslich wollen wir den Dingen auf den Grund gehen. Um längerfristig gute und neue Ideen zu haben, um den Überblick zu behalten und um mit anderen darüber zu sprechen, was wir hier tun, dürfen wir aber genau das nicht geschehen lassen. Sind wir uns dieses Konflikts nicht bewusst, so besteht die Gefahr, dass wir entweder abheben oder nur noch an der Oberfläche herumschwimmen. Und beides kann eigentlich nicht unser Ziel sein.




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