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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 14.03.2001 06:00

Sind Fr. 240'000.- genug?
ProfessorInnen-Löhne: Wie viel ist genug?

Von Thomas Bernauer

Die hohen Gehälter von Spitzenmanagern der SBB, Post und Telecom werden von einer breiten Öffentlichkeit als skandalös empfunden, während sich die DoktorandInnen an der ETH und anderen Schweizer Hochschulen zurecht über ihre nahe am Existenzminimum liegenden Gehälter beklagen (vgl. ETH Life, 7.März 2001). Wie steht es mit den Löhnen der ETH-ProfessorInnen? Verdienen diese genug, zu viel oder zu wenig? Sollen alle ProfessorInnen gleich viel verdienen? Wenn nein, wie können Gehaltsunterschiede festgelegt und legitimiert werden?

Löhne zwischen Fr.130'000.- und Fr. 240'000.-

Bis vor kurzem wurden die Gehälter der ETH-ProfessorInnen strikte durch die Lohnvorgaben des Bundes bestimmt. ProfessorInnen verdienten ungefähr zwischen Fr.130'000.- (Assistenzprofessur) und Fr. 240'000.- (ordentliche Professur mit allen Alterszulagen) brutto pro Jahr. Funktion - z.B. ausserordentliche oder ordentliche Professur - und Dienstjahre bestimmten das Gehalt. Nur mit Genehmigung des Bundesrates konnte das Grundgehalt um bis zu 20% über das Maximum hinaus angehoben werden (d.h. ca. Fr.30'000.--). In der Praxis geschah dies extrem selten.

Trotz stärkerer Autonomie der ETH, auch in finanziellen Belangen, haben Schulleitung und ETH-Rat die alten Gehaltsregelungen bisher stillschweigend beibehalten. In finanzieller Hinsicht sind die ProfessorInnen der ETH "Universitätsbeamte" geblieben. Im Zuge flexiblerer Lohnstrukturen in anderen öffentlichen oder quasi öffentlichen Institutionen sowie privaten Unternehmen wird auch die ETH ihre Gehaltspraktiken überdenken müssen.

Vergleich mit dem Ausland

Die Frage "wie viel ist genug" lässt sich in allgemeiner Form nur schwer beantworten. Die abstrakte Antwort lautet: Das Lohnniveau muss hoch genug sein, um für Personen, die die ETH als ProfessorInnen gewinnen möchte, attraktiv zu sein. In der Praxis hilft diese Antwort jedoch wenig, denn es gibt (zu) viele Referenzgrössen, beispielsweise die Folgenden. (A) Durchschnittliche ProfessorInnen-Gehälter in der Schweiz: Diesen Vergleich braucht die ETH nicht zu scheuen. (B) ProfessorInnen-Löhne in Deutschland: Auch hier können die Löhne der ETH noch gut mithalten. (C) Uni-Gehälter in Grossbritannien, Frankreich oder Italien: Von dort droht der ETH im Moment keine Konkurrenz. (D) Uni-Löhne in den USA, z.B. am MIT, mit dem sich die ETH so gerne vergleicht: Aufgrund flexiblerer Gehaltsstrukturen am MIT kann die ETH bei Spitzenforschern nicht mehr mitbieten. (E) Gehälter der 400 Topmanager in einem privaten Betrieb mit ca. 15'000 Leuten (vergleichbar mit den Proportionen der ETH): In diesem Vergleich schneidet die ETH ebenfalls schlecht ab. Man darf bei solchen Vergleichen allerdings nicht vergessen, dass die Konkurrenzfähigkeit der Arbeitgeberin ETH nicht alleine von den Löhnen abhängt, sondern auch vom akademischen Renommé, der Lehrbelastung, der Infrastruktur, der Lebensqualität in Zürich und anderen Faktoren. Und bei vielen dieser nicht gehaltsrelevanten Kriterien schneidet die ETH sehr gut ab.


Zur Person

Thomas Bernauer, geboren 1963 in London, Ontario (Kanada), ist seit April 1999 ausserordentlicher Professor für Internationale Beziehungen am Zentrum für Internationale Studien (CIS) der ETH und Uni Zürich. Zu seinen Schwerpunkten in Forschung und Lehre gehören Fragen der internationalen Wirtschafts- und Umweltpolitik sowie der Rüstungskontrolle.




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thomas bernauer
Politologe Thomas Bernauer

Leider wurde bisher noch keine systematische Analyse der Konkurrenzfähigkeit der ETH im weltweiten Wettbewerb um die besten ProfessorInnen erstellt. Die verfügbare anekdotische Evidenz reicht für eine solide Beurteilung nicht aus, zumal im Dunkeln bleibt, weshalb sich mögliche Top-KandidatInnen nicht für eine Professur an der ETH bewerben. Ich vermute jedoch, dass das heutige Lohnniveau der ETH-ProfessorInnen vor allem dann zu tief ist, wenn es um die weltweite Rekrutierung von SpitzenforscherInnen geht oder wenn die ETH direkt mit finanzstarken privaten Arbeitgebern konkurrieren muss.

"Don't rock the boat!"

Nehmen wir an, diese Behauptung sei empirisch haltbar. Soll die ETH ihre Lohnstrukturen flexibilisieren um stark umworbene ProfessorInnen anheuern zu können? Oder sollen Personen auf gleicher Funktionsstufe und mit gleichem Dienstalter weiterhin gleich viel verdienen?

Offensichtlich zögern ProfessorInnenschaft, Schulleitung und ETH-Rat, eine zielgerichtete Diskussion um flexiblere ProfessorInnen-Gehälter zu eröffnen. Die "don't rock the boat" Haltung birgt zwei Risiken. Erstens dürfte die Berufung weltweit umworbener SpitzenforscherInnen zunehmend schwieriger werden, je mehr Universitäten auch ausserhalb der USA ihre Lohnstrukturen flexibilisieren. Zweitens könnten Teile der bereits an der ETH tätigen ProfessorInnenschaft zunehmend versucht sein, ihr stagnierendes und weitgehend leistungstunabhängiges Gehalt mit Nebeneinkommen aufzubessern. Eine solche Entwicklung ginge auf Kosten der Grundlagenforschung und Lehre.

Flexiblere Lohnstrukturen?

Leistungsabhängige Gehälter sind die offensichtliche Antwort auf diese Probleme. Wie lässt sich aber der "Wert" einer Professorin oder eines Professors bestimmen? Auch in der Privatwirtschaft funktioniert der Markt für Spitzenmanager eher schlecht. Viele empirische Untersuchungen haben beispielsweise keine signifikante Korrelation zwischen den Löhnen von Spitzenmanagern und der Profitabilität ihrer jeweiligen Unternehmen ergeben. An Universitäten, deren Output weitgehend nicht-monetarisierbar ist, sind leistungsabhängige Löhne noch viel schwieriger zu erreichen.

Altbekannte Bewertungskriterien sind Publikationen in renommierten Fachzeitschriften, anderweitige Bewertungen durch "peers", Job-Angebote anderer Hochschulen, Drittmittel, Unterrichtsbeurteilungen usw. Jedes dieser Kriterien birgt Vor- und Nachteile. Je nach Fachbereich müssen diese Kriterien allenfalls auch unterschiedlich gewichtet werden.

Konkretere Vorschläge zur Ausgestaltung flexiblerer Lohnstrukturen für ETH-ProfessorInnen sind zum jetzigen Zeitpunkt jedoch wenig sinnvoll. ProfessorInnenschaft, Schulleitung und ETH Rat müssten sich zuerst einmal intensiv damit auseinandersetzen, ob sie flexiblere Lohnstrukturen überhaupt wollen, und welches die Vor- und Nachteile sind. Eine systematische Untersuchung zur Konkurrenzfähigkeit der ETH im weltweiten Wettbewerb um ProfessorInnen wäre ein guter Ausgangspunkt für eine solche Diskussion.




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