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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 28.03.2007 06:00

Vom Leben im Schlaraffenland

Anna Peter

Seit fast sieben Monaten bin ich nun hier, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Und seit fast sieben Monaten frage ich mich, wie es möglich ist, sich hier einigermassen vernünftig zu ernähren. Schon am ersten Abend wurden wir ahnungslosen Austauschstudenten in Gruppen in verschiedene Restaurants begleitet, wo wir zum ersten Mal mit den überdimensionierten Portionen amerikanischer Küche in Kontakt kamen. Von dem, was einem hier normalerweise in einem Restaurant serviert wird, werden problemlos zwei Personen satt. Es erstaunt mich wenig, dass Übergewicht in diesem Land ein grosses gesellschaftliches Problem darstellt.

Einige Schwierigkeiten standen mir bevor, als ich zum ersten Mal einkaufen ging. Es dauerte eine Weile, bis ich normalen Zucker gefunden hatte, denn er war in einer Ecke im untersten Regal eines mit über 20 verschiedenen künstlichen Süssstoffen voll gepackten Gestells versteckt. Die nächste Herausforderung wartete beim Kühlregal auf mich. Welchen Orangensaft sollte ich kaufen? Den mit wenig Fruchtfleisch, den mit extra viel Fruchtfleisch, den mit Kalziumzusatz, den mit wenig Zucker, den mit Vitamin-E-Zusatz, den extra für Kinder, den mit reduziertem Säuregehalt oder doch den mit Vitamin-D-Zusatz?

Um nicht den ganzen Tag im Supermarkt zu verbringen, beschloss ich, ab sofort nach dem Zufallsprinzip Produkte auszuwählen, was leider zur Folge hatte, dass ich mit natriumarmen Keksen, fettfreier Salatsauce und absolut geschmacklosem „Swiss“-Käse zu Hause ankam. Und obwohl es in den meisten Supermärkten mindestens 15 verschiedene Arten von Butter gibt, dauerte es über zwei Monate bis ich das fand, was man in der Schweiz unter Butter versteht, nota bene in einem Laden für kulinarische Spezialitäten aus aller Welt.

Meine amerikanische Mitbewohnerin hatte wenig Verständnis für mein Bedürfnis nach Nahrungsmitteln, die diesem Namen auch gerecht werden, denn sie ist daran gewöhnt Dinge zu essen, die eine fast unendliche Reihe von Verarbeitungsschritten hinter sich haben. Dies war auch unserem Kühlschrank anzusehen, der immer ziemlich voll war, da neben meiner Vollmilch, meiner Butter und meinem Joghurt von allem ein Exemplar in fettfreier, dafür mit vielen Vitaminen versetzter Form stand. Die Überbleibsel meines Glaubens an die Esskultur dieses Land verlor ich, als in unserer Küche eines Tages ein Behälter mit natriumarmen Tafelsalz stand. Dies war nun wirklich zuviel des Guten.


Zur Autorin

Technik hat Anna Peter schon immer begeistert. Die Studentin der Materialwissenschaft, die momentan an der University of Pennsylvania ein Auslandjahr verbringt, wollte schon als Kind wissen, wie die Dinge funktionieren. In der Mittelschule entschied sie sich dann für den Schwerpunkt Physik und Mathematik. Schliesslich fand sie den richtigen Studiengang bei der Materialwissenschaft. Obwohl es Anna Peter an der ETH gefällt, entschied sich für ein Auslandjahr, um neue Erfahrungen zu sammeln und die amerikanische Hochschulkultur kennen zu lernen.

Das Interesse der Studentin geht auch sonst über ihr Fach hinaus. Sie engagiert sich in verschiedenen Studentenvereinen und -organisationen. Beispielsweise war sie in ihrem Fachverein für die Hochschulpolitik zuständig. In ihrer Freizeit treibt sie gerne Sport und liest zurzeit vor allem zeitgenössische Literatur aus Europa und den USA. Für die ETH hofft sie, dass sich der Frauenanteil dem der Männer angleicht.




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Schreibt aus den USA für ETH Life: die ETH-Studentin der Materialwissenschaft Anna Peter.

Doch offenbar bin ich nicht die Einzige, die Mühe hat, sich im Dschungel kurioser amerikanischer Lebensmittel zu Recht zu finden. Alle internationalen Studenten, die ich kennen gelernt habe, scheinen mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Dies hat dazu geführt, dass regelmässig grosse Abendessen mit Speisen aus verschiedenen Ländern organisiert werden. So hatte ich immerhin die Möglichkeit die australische, die koreanische und die argentinische Küche besser kennen zu lernen.

Und doch erlebt man auch hier immer wieder positive kulinarische Überraschungen. Bei einem Barbecue wird bekanntlich nicht nur Fleisch gebraten, sondern es kommen auch Marshmallows auf den Grill. Als wäre ein halb-flüssiges Marshmallow nicht sonderbar genug, steckt man dieses mit einem Stück Schokolade zwischen zwei Cracker und nennt es S’more. Eine sehr interessante und durchaus geniessbare Kombination.

Positiv fällt beim Essen in den USA auch auf, dass die Preise in vielen Restaurants vernünftig sind, sodass man es sich auch als Student leisten kann, ab und zu auswärts zu essen. Ausserdem gibt es auf unserem Campus eine Ben & Jerry’s Filiale, wo man die verrücktesten Sorten von Eis kriegen kann, was meinen Speiseplan eindeutig bereichert.

Nun, in meinem zweiten Semester in den USA habe ich mich schon an Einiges gewöhnen können und weiss auch, dass man fast alles an Essen finden kann, wenn man nur lange genug danach sucht. Man muss es sich sozusagen zuerst verdienen. Glücklicherweise konnte ich aus meiner Wohnung ausziehen und wohne nun mit einer französischen Austauschstudentin zusammen, die meine Vorbehalte gegenüber amerikanischem Essen teilt. Dank unserem Einfallsreichtum in der Küche haben wir beide unsere Freude am Essen und unser normales Körpergewicht einigermassen behalten können. Und da immer wieder jemand aus Europa zu Besuch kommt, ist unser Wein-, Käse- und Schokoladenvorrat nie ganz aufgebraucht. Also, alles in Butter.




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