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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 02.05.2007 06:00

Ausschau Halten nach der exzellenten Elite

Friederike Osthof

Gemäss dem Selbstverständnis der Hochschulen wird an ihnen die künftige Elite unserer Gesellschaft ausgebildet. Gerade die ETH bemüht sich um die besten Professoren, die besten Studierenden und um beste Bedingungen, um dieses Ziel zu erreichen. Sie hat sich die Exzellenz auf ihre Fahnen geschrieben.

Was aber bedeutet Exzellenz, und wodurch zeichnet sich eine wissenschaftliche Elite aus?

Unter Elite verstehe ich Menschen, die sich aufgrund besonderer Begabungen und Fähigkeiten bestimmten Inhalten verschreiben und sich dabei anspruchsvolle Ziele setzen, die sie auch verfolgen. Die Art der Hingabe an ihren Gegenstand und der Auseinandersetzung mit ihm steht unter dem Vorzeichen „lebenslänglich“, weil die kontinuierliche Verfolgung des eigenen Wegs zur immer perfekteren Kenntnis der eigenen Imperfektion führt. Das macht bescheiden und motiviert zugleich, den eigenen Weg beharrlich weiterzuverfolgen; aber so, dass dabei das eigene Tun reflektiert und kritisch unter die Lupe genommen, dass es der Realität ausgesetzt wird. Von Selbstverwirklichung und Selbstbezogenheit unterscheidet sich dieses Vorgehen, weil es ihm um das Ganze der Gesellschaft geht, zu dem man sich zugehörig und für das man sich verantwortlich fühlt. Elite-Menschen wollen etwas von Belang tun und darum auch von Belang sein. Sie wollen mit ihrem Beitrag für das Ganze auf das Ganze Einfluss nehmen. Darum suchen sie den Kontakt zu den andern, die Teil des Ganzen sind. Um zu verstehen und um sich verständlich zu machen, überbrücken sie immer wieder die Kluft, die dadurch entsteht, dass sie ihrem Weg und die anderen ihren Wegen gefolgt sind. Sie denken nicht für die anderen, sondern tauschen sich mit ihnen aus. Ihre Verantwortung für das Ganze nehmen sie wahr, indem sie es nicht aus dem Blick verlieren.

Wo tritt Exzellenz bei uns auf, und wie zeigt sich wissenschaftliche Elite?

Dazu drei Reminiszenzen.

Ich verfolge das Gespräch einiger ETH-Studierenden. Sie unterhalten sich über ein Treffen mit einem Menschen aus der Wirtschaft. Der sagte ihnen, dass in der Wirtschaft nicht nur Leute gefragt sind, die über hervorragende fachliche Qualifikationen verfügen. Auch kommunikative Fähigkeiten, vernetztes Denken, Weitblick und breites Wissen spiele eine entscheidende Rolle. Es macht sie nachdenklich, aber sie glauben ihm nicht. Am Schluss sei doch nur die fachliche Qualifikation ausschlaggebend. Will heissen: Kopf runter und durch. Weiterackern.

Der Studienbetrieb lehrt sie, dass zur Elite gehört, wer – ohne nach rechts oder links zu schauen – den vorgeschriebenen Weg konsequent verfolgt und alle Einzel-Ziele erreicht, die darin gesteckt sind.


Zur Autorin

Glauben strebt nach Wissen, ist Friederike Osthof überzeugt. Diese suchende Haltung bildet für die Hochschulpfarrerin auch einen Berührungspunkt der Religion zu den Wissenschaften, insbesondere den technischen und naturwissenschaftlichen. Das Ziel sei einfach ein anderes: Bei ihr als Theologin gehe es um persönliche, existentielle Erhellung, dort um objektiv nachvollziehbare Aussagen. Grundsätzlich sehe sie sich als Zeitgenossin, die in der christlichen Tradition steht und von da aus denkt.

Friederike Osthof geht es darum bei ihrer Tätigkeit nicht um Missionierung, sondern sie will im Kontakt mit Studierenden aufzeigen, wie grundsätzliche Probleme bereits in der Bibel aufgegriffen und bearbeitet wurden. Und der Austausch ist rege: So gibt es neben den persönlichen Beratungen jeden Freitag ein gemeinsames Mittagessen mit Studierenden. Zudem führt sie zusammen mit ihrem Lebenspartner ein studentisches Wohnheim, in dem sie mit ihrem Sohn auch wohnt. Friederike Osthof ist aber nicht nur Ansprechperson für Studierende, sondern für alle Hochschulangehörigen.




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Setzt sich im Moment nicht nur als Seelsorgerin mit den Hochschulen auseinander, sondern auch als Kolumnistin: Friederike Osthof. gross

In der Zeitung lese ich einen Bericht über den erschwerten Zugang zur universitären Ausbildung im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Die meisten Colleges seien von der Qualität der Ausbildung her gar nicht so unterschiedlich. Trotzdem versuchen fast alle High-School-Abgänger an die wenigen Colleges zu kommen, die als Elite-Einrichtungen gelten. Sie nehmen einen ruinösen Lebensstil in Kauf, um arbeitsintensive Klassen zur Vorbereitung absolvieren zu können, um den besten Notendurchschnitt zu erreichen und um auch in den ebenfalls verlangten ausserkurrikulären Aktivitäten nur die Besten zu sein.

Elite, lernen sie schon in jungen Jahren, ist das, was als Elite gilt. Und Elite hat viel mit grenzenloser Leistungsfähigkeit und Erschöpfung zu tun und damit, besser zu sein als die anderen.

In Deutschland wurde die Exzellenzinitiative zur Regelung der öffentlichen Forschungsfinanzierung durchgeführt. Die öffentlichen Gelder werden nicht länger nach dem Giesskannenprinzip verteilt, sondern fliessen gezielt dahin, wo Exzellenz ist und wo Elite darum effizient gefördert werden kann. Leicht auszudenken, in welche Hektik die mit den Fördergeldern bedachten Hochschulen versetzt werden, müssen sie doch in den nächsten fünf Jahren genügend Projekte aufgleisen, damit die geflossenen Gelder auch aufgebraucht werden.

Elite, so kann man lernen, ist, wo viel Geld viel Betriebsamkeit entfaltet. Diese Initiative soll laut der Bundesforschungsministerin verstetigt werden. Nach dem Wettbewerb ist vor dem Wettbewerb, lese ich.

Elite, so lerne ich, ist, wo Forscherinnen und Forscher einem andauernden Destabilisierungsprogramm ausgesetzt werden, können sie doch nie sicher sein, ob sie sich auch in Zukunft ihren Forschungen widmen können.

Angesichts der harten Fakten um Elite und Exzellenz erweisen sich meine Vorstellungen von Elite als ziemlich realitätsfern und naiv. Aber ich gestehe, ich hänge an ihnen. Das innere Erfülltsein durch diese Art von Beschäftigung verbunden mit der Sorge und Verantwortung für das Ganze der Gesellschaft haben ihre eigene Güte und Schönheit. Und ich gehe mal davon aus, dass ich nicht die Einzige bin, die diese Vorstellungen teilt. Vielleicht besteht das Problem gar nicht darin, dass man sich nicht darüber einigen könnte, was es mit Elite und Exzellenz auf sich hat, sondern darin, dass Beides nicht auf dem Wege von Struktur- und Fördermassnahmen herzustellen ist. Elite und Exzellenz sind keine Produkte, sondern entstehen durch Lebensweisen, die nicht massgeschneidert werden können, sondern denen Raum und Zeit gelassen werden muss; Umwege inbegriffen.




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