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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen


Krieg um Öl?

Published: 08.11.2006 06:01
Modified: 07.11.2006 17:38
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Andreas Wenger

Das Thema Energiesicherheit hat Hochkonjunktur. Hohe Ölpreise, Instabilität im Nahen und Mittleren Osten sowie Angst vor Versorgungsknappheit wecken in den westlichen Staaten die Befürchtung, dass teure und knappe Energie die Weltwirtschaft destabilisieren und ein intensivierter Wettbewerb um Rohstoffe zu mehr internationalen Konflikten führen könnte. Droht ein Zeitalter der Erdölkriege? Werden die Produzentenstaaten die „Energiewaffe“ vermehrt zu politischen Druckversuchen einsetzen? Oder trifft das Gegenteil zu: Kann Ressourcenknappheit kooperativen Bemühungen zum Durchbruch verhelfen, die eine gerechte und nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen ermöglichen sollen?

Fest steht: Erdöl ist eine endliche Ressource, und dieser Rohstoff wird knapper. Umstritten ist lediglich, wann das weltweite Ölfördermaximum erreicht sein wird. Daraus lässt sich aber nicht einfach ableiten, dass es unter den erdölhungrigen Grossmächten zu vermehrten militärischen Auseinandersetzungen um Energierohstoffe kommen wird. Ganz im Gegenteil: Erdölkriege unter den Grossmächten sind allein daher nicht sehr wahrscheinlich, weil das Spektrum der nachfragenden Länder zunehmend breiter und die Verflechtungen engmaschiger werden. So sind nicht mehr nur die USA, Japan und Europa, sondern zunehmend auch die dynamischen Regionalmächte Indien und China auf eine grösstmögliche Stabilität des weltweiten Energiemarktes angewiesen. Zudem sind aufgrund der ökonomischen Logik auch die Produzentenstaaten an einem stabilen Weltmarkt interessiert. Ähnliches gilt für den regionalen Erdgasmarkt: Europa braucht russisches Gas, Russland braucht Europa als Handelspartner.

Das eigentliche Konfliktpotential liegt bei Energiefragen eher im Lokalen und in der Region. Rohstoffreichtum begünstigt ein Entwicklungsmodell, das von kleinen, meist korrupten Eliten und einer staatlich dominierten Wirtschaft geprägt ist. Einnahmen aus der Ölförderung fliessen in die Taschen der Mächtigen, die wenig Anreize für wirtschaftliche Innovation und Reformen haben. Dafür verfügen sie über genügend flüssige Mittel, um ihre Herrschaft durch den Auf- und Ausbau von Sicherheitsstrukturen gegen innere und äussere Konkurrenten abzusichern. Es überrascht daher auch nicht, dass sich die bekannten Erdöl- und Erdgasreserven in Regionen und Ländern konzentrieren, die als politisch instabil gelten und von innerstaatlichen Konflikten geplagt werden.

Es ist nun allerdings auch nicht so, dass die Grossmächte in Energiefragen intensiv zusammenarbeiten würden. Auch ist keine gemeinsame Politik zur Stabilisierung der Regionen des Mittleren Ostens und des kaspischen Raumes absehbar. Die staatlichen chinesischen Energieunternehmen investieren weltweit in grossem Umfang und verhandeln dabei ohne Bedenken auch mit Diktaturen und vom Westen kritisierten Regimes. Erst vor kurzem hat Peking ein milliardenschweres Energieabkommen mit dem Iran unterzeichnet, das den Sanktionsdrohungen der Uno gegenüber Teheran zuwider läuft. Für die Weltöffentlichkeit sehr deutlich wurde diese Entwicklung gerade in diesen Tagen anlässlich des ersten China-Afrika-Gipfels, der dem asiatischen Riesen Zugang zu umfangreichen Rohstoffvorkommen sichert.

Andreas Wenger, ETH-Professor für schweizerische und internationale Sicherheitspolitik und Leiter des Center for Security Studies an der ETH.

Darin liegt eine Herausforderung für die ETH Zürich: Die Wissenschaft kann ihren Beitrag zur Erarbeitung einer Strategie leisten, die langfristig für eine sichere Energieversorgung sorgt und gleichzeitig nachhaltig, sozialverträglich und wirtschaftlich ist. Es gilt ein stabiles System zu schaffen, das die Interessen, das Know-how und die Ressourcen aller Beteiligten klug aufeinander abstimmt und allen den ihnen zustehende Return on Investment garantiert.

Energiefragengewinnen weltweit an sicherheitspolitischer Relevanz. Denn die Ausschöpfung des kooperativen Potentials im Umgang mit Ressourcenknappheit hängt nicht nur von den Entscheiden den Erdöl- und Erdgasproduzentenstaaten ab, sondern immer stärker von den energie- und wirtschaftspolitischen Weichenstellungen in den Konsumentenstaaten.


Andreas Wenger

Sein Forschungsgebiet bewegt die Welt – heute mehr denn je. Andreas Wenger beschäftigen die Sicherheit und die politischen Institutionen und Prozesse, die dazu führen sollen. Und die Konflikte, die zeigen, dass Sicherheit immer ein gefährdetes Gut ist. Als ETH-Professor für schweizerische und internationale Sicherheitspolitik leitet Andreas Wenger das Center for Security Studies (CSS). Mit über 60 Mitarbeitenden ist es eines der grossen Zentren der ETH und weit über Uni und ETH hinaus vernetzt. So betreibt es im Auftrag des Bundes und in Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Partnern das International Relations and Security Network (ISN), eine elektronische Netzwerkinitiative, die den sicherheitspolitischen Forschungsdialog fördert.

Bei längeren Forschungsaufenthalten in Yale, Princeton und kürzlich wieder in Washington hat sich Wenger vertieft mit aktuellen Fragen der internationalen Sicherheitspolitik auseinandergesetzt. Schwerpunkte seiner Forschung sind die transatlantischen Beziehungen sowie die amerikanische und russische Aussen- und Sicherheitspolitik. Dazu kommt die europäische Sicherheitsarchitektur sowie die Aussen- und Sicherheitspolitik der Schweiz. In Schweizer Medien ordnet er als Experte regelmässig Ereignisse fürs grosse Publikum in die sicherheitspolitische Landschaft ein – eine Aufgabe, die er nicht nur gern übernimmt, sondern auch als selbstverständlichen Bestandteil seines Jobs ansieht: „Unser Wissen und Know-how soll nicht aufs Akademische beschränkt bleiben. Es in die politischen Prozesse einfliessen zu lassen und der Bevölkerung zu vermitteln, ist Reiz und Herausforderung zugleich.“



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