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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen Das neue alte Leben |
Published: 20.06.2007 06:00 Modified: 19.06.2007 13:56 |
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Anna Peter
Ich sitze im Zug und schwitze und keuche vor mich hin. Vor einer knappen Minute bin ich eingestiegen und der Zug fährt auch schon. Uff, so ein Stress! Ich hatte ganz vergessen, wie pünktlich das Leben in der Schweiz abläuft. Aber alles schön der Reihe nach. Ich bin wieder zurück in der Schweiz. Eigentlich schon seit ein paar Wochen. Doch ich habe mich immer noch nicht daran gewöhnt, dass die Züge ziemlich genau zu der Zeit abfahren, wie es auf dem Fahrplan steht. Deshalb renne ich nun regelmässig zum Bahnhof, hoffend, dass ich den Zug noch erwische, und fluchend, weil ich es immer noch nicht kapiert habe, dass der Fahrplan hier auch eingehalten wird. Wenigstens hat dies den Vorteil, dass ich mir den Gang ins Fitnesscenter sparen kann. Die pünktlichen Züge sind nicht das Einzige, woran ich mich wieder gewöhnen muss. Nachdem ich zu Hause angekommen bin, hat es mehrere Tage gedauert, bis ich meine Koffer endlich vollständig ausgepackt hatte. Nicht nur, weil sie so voll waren und ich nicht wusste, wo ich all die Dinge verstauen sollte, sondern auch, weil ich es nicht ganz glauben konnte, wieder richtig zu Hause zu sein. Auch die Umstellung der Sprache hat mir zu Beginn ein wenig Mühe gemacht. Da ich in Philadelphia kaum Deutsch und schon gar nicht Mundart gesprochen habe, fand ich es sehr lustig, plötzlich wieder viele verschiedene Schweizer Dialekte zu hören. So hat es auch eine Weile gedauert, bis ich die Sprache wieder richtig umgestellt hatte. Während einigen Tagen sind mir immer wieder englische Wörter reingerutscht, ohne dass ich es gemerkt habe, sehr zur Belustigung meiner Familie. Gewöhnen muss ich mich auch an die kürzeren Ladenöffnungszeiten. Nun kann ich nicht mehr abends um zehn meine Einkäufe erledigen und am Sonntag erst recht nicht. Auch sonst ist das Leben hier ruhiger als in Philadelphia, vor allem am Abend und am Sonntag. Es ist für mich immer wieder erstaunlich, wie sehr sich die Sonntage in der Schweiz von den Wochentagen unterscheiden. In Philadelphia, sowie in allen Grossstädten der USA, wird zwischen Wochentag und Wochenende kaum ein Unterschied gemacht. Ausser vielleicht, dass länger geschlafen wird. Vor allem wenn ich auf dem Campus war, musste ich oft im Kalender nachschauen, um zu wissen, welchen Wochentag wir gerade hatten. Hier in der Schweiz kann man die Unterschiede zwischen den Wochentagen fast spüren.
Dass am Wochenende auch auf dem Hönggerberg kaum etwas los ist, war schon immer bekannt. Deshalb war ich freudig überrascht zu sehen, dass die Cafeteria nun auch am Samstag und Sonntag geöffnet ist. Ob der Campus dadurch am Wochenende etwas weniger verlassen wirkt, kann ich noch nicht beurteilen. Doch ich weiss jetzt schon, dass ich diesen Sommer sehr froh sein werde über die neuen Öffnungszeiten der Cafeteria, da ich mich, so wie die meisten ETH-Studenten, auf die Prüfungen der Herbstsession vorbereiten muss. Sonst hat sich hier in den letzten neun Monaten nicht allzu viel verändert. Am einen Ende des Campus steht ein neues Gebäude, am anderen Ende gibt’s eine riesige Baustelle. Doch zum ersten Mal seit ich an der ETH studiere, fällt mir auf, dass unser Campus, mal abgesehen vom Baulärm, ziemlich leise ist. Man merkt, dass hier vor allem studiert und gearbeitet wird. Auch die Begrüssungen zwischen Bekannten sind weniger überschwänglich, aber auch weniger künstlich, als ich das in an der UPenn kennen gelernt habe. Es ist sehr interessant, alte Freunde und Bekannte wieder zu treffen. Einige haben sich stark verändert und sind kaum wieder zu erkennen. Andere sind auch gerade von einem Austauschjahr zurückgekommen und haben genauso viel Neues erlebt wie ich. Wieder andere haben sich kaum verändert, sodass es mir manchmal vorkommt, als wäre ich nie weg gewesen. Es macht mir richtig Spass, mein altes Leben neu zu entdecken. Und obwohl ich Philadelphia sehr vermissen werde und mich das Fernweh bestimmt schon bald wieder packen wird, steht fest: Es ist schön, wieder zu Hause zu sein. |