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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen


Museumsreif

Published: 06.12.2000 06:00
Modified: 08.12.2000 14:47
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von Thomas Bernauer

Gäbe es ein Museum der wissenschaftlichen Wettbewerbssünden, die ETH könnte eines der ersten Exponate beisteuern. Ich meine damit die leidige Frage des Doktorats in geistes- und sozialwissenschaftlichen Fachgebieten.

Bekanntlich verleiht die ETHZ in diesen Fachgebieten, in denen mehr als zwei Dutzend Professuren tätig sind, keine Doktorate. Die Ursprünge des Problems sind über hundert Jahre alt: Angst der katholischen Kantone vor einer nationalen Uni in einem protestantischen Kanton, Angst der Uni Zürich und anderer Schweizer Hochschulen vor mehr Konkurrenz.

Antworten auf etwas "modernere", aber ebenso haltlose Einwände gegen ein Doktorat im Rahmen des Departements Geistes-, Sozial- und Staatswissenschaften (D-GESS) sind schnell gegeben: Zusätzliche Kosten eines Doktorats im D-GESS? Keine!

Braucht es einen vollen Studiengang der ETHZ im betreffenden Fachgebiet, um ein eigenes Doktorat zu rechtfertigen? Nein! Wie andere Fachgebiete an der ETH auch, können (und müssen!) die D-GESS ProfessorInnen hochqualifizierte M.A. AbsolventInnen anderer Unis anwerben. Den attraktiveren Professuren gelingt dies, den anderen nicht - der Wettbewerb soll entscheiden!

Braucht es mehr als eine oder zwei Professuren im betreffenden Fachgebiet? Nein! Erstens gibt es an anderen Unis viele Gegenbeispiele: z.B. die Uni Zürich mit zwei Professuren für Politikwissenschaft - die ETHZ hat deren drei! Zweitens erhalten DoktorandInnen im Zeitalter des Internet und der höheren physischen Mobilität immer mehr Input von ausserhalb ihrer Heim-Uni. Drittens lassen sich problemlos externe Ko-referentInnen beiziehen, was ohnehin sinnvoll ist. Viertens kann in Fachgebieten mit wenigen Professuren die Doktorandenausbildung durch Kooperation mit anderen Unis zusätzlich verstärkt werden, was in meinem Fachbereich (Politikwissenschaft) bereits der Fall ist.

Ist mit Opposition der Uni Zürich oder anderer Unis zu rechnen? Vielleicht. Dieses (imaginäre?) Problem liesse sich jedoch unter Hinweis auf den von den meisten PolitikerInnen und Hochschulbehörden gewünschten wissenschaftlichen Wettbewerb und die Kostenneutralität schnell beseitigen.

Die ETH Schulleitung und der ETH Rat haben sich zu einem leistungsfähigen D-GESS bekannt. Die Schulleitung setzt sich in verdankenswerter Weise für die Lösung des Problems ein. Erstens durch einen Vorschlag zur Schaffung eines fachübergreifenden Doktorates, bei dem auch D-GESS ProfessorInnen eine Rolle spielen könnten. Eine wesentliche Verbesserung gegenüber der geltenden Regelung würde diese Neuerung für das D-GESS allerdings nicht bringen. Zweitens werden Möglichkeiten gesucht, Promotionsrechte für D-GESS ProfessorInnen an der Uni Zürich zu erwirken.

Gute DoktorandInnen stärken die Wettbewerbsfähigkeit einer Professur. Und die Möglichkeit, gute DoktorandInnen betreuen zu können, erleichtert die Berufung hochqualifizierter ProfessorInnen an die ETHZ. Weshalb sollten diese Grundsätze nicht auch für das D-GESS gelten?

Natürlich arbeiten z.B. auch in meiner Forschungsgruppe DoktorandInnen. Diese müssen jedoch formell an der Uni Zürich abschliessen. Ist es, die Hochschulpartnerschaft in Ehren, aus Sicht des Hauses sinnvoll, wenn die ETHZ DoktorandInnen-Stellen finanziert und sich die Uni Zürich mit den Resultaten der ETH-seitigen Betreuungsarbeit schmückt? Weshalb der vorauseilende Gehorsam gegenüber der Uni Zürich?

Ich höre von meinen KollegInnen auf der anderen Seite der Karl-Schmid Strasse, mit denen ich eng zusammenarbeite und die ich sehr schätze, keine gewichtigen Einwände. Und selbst wenn dem so wäre: Welchen Nutzen hat diese Wettbewerbsbeschränkung für die Studierenden, die man ihrer Entscheidungsfreiheit in Bezug auf wo und bei wem sie doktorieren, beraubt?


Zur Person

Thomas Bernauer, geboren 1963 in London, Ontario (Kanada), ist seit April 1999 ausserordentlicher Professor für Internationale Beziehungen am Zentrum für Internationale Studien (CIS) der ETH und Uni Zürich. Zu seinen Schwerpunkten in Forschung und Lehre gehören Fragen der internationalen Wirtschafts- und Umweltpolitik sowie der Rüstungskontrolle.



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