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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen


Good News für junge Forschende

Published: 05.04.2006 06:00
Modified: 06.02.2007 17:51
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Dora Fitzli

Seit über einem Jahr frage ich alle jungen Schweizer Forschenden, die ich hier in den USA treffe, wie es ihnen hier gefällt und ob sie planen, in den USA zu bleiben. Zwei Punkte stechen bei diesen Gesprächen hervor: Erstens möchten die Allermeisten gerne in die Schweiz zurück und sie bemängeln, dass es für sie zu Hause in der akademischen Forschung zu wenig Chancen gebe. Zweitens ist eine Verunsicherung in Bezug auf die beruflichen Perspektiven weit verbreitet: Hat man mit Forschung wirklich auf die richtige Karte gesetzt? Am deutlichsten formuliert hat dies ein Schweizer Postdoktorand, der in Bethesda in den National Institutes of Health forscht: „Mit 180 gegen die Wand!“

Mit Ausnahme der Ärzte/innen, scheinen viele der Schweizer Forschenden damit konfrontiert zu sein, dass ihnen die Rückkehr nach dem ersten oder zweiten Postdoktorat nicht wie gewünscht oder gar nicht gelingt. Stattdessen finden sie dann eine Nische in den USA und etablieren sich hier als Leiter/in einer eigenen kleinen Forschungsgruppe (Prinicipal Investigator), als Forscher/in in der Privatindustrie oder als („Tenure track“)-Assistenzprofessor/in. Dabei müssen sie aber nicht selten Abstriche betreffend Lebensqualität in Kauf nehmen. Die University of Kansas, die University of Iowa oder die University of Minnesota sind zwar unbestritten gute Forschungsuniversitäten, doch liegen diese in einem Umfeld, das viele Europäer/innen sowohl politisch, landschaftlich wie auch kulturell nicht wirklich attraktiv finden. – So erlischt der Wunsch, in die Schweiz zurückzukehren, lange nicht, auch wenn sich die Forschenden längst niedergelassen haben und ihre Erinnerungen an zu Hause immer nostalgischer werden.

„So what?“, werden einige fragen. Das ist alles nichts Neues, aber für die einzelnen Betroffenen ist diese Situation dennoch schwierig zu akzeptieren, engagieren sich Forschende doch oft überdurchschnittlich für ihre Karriere und das meist noch unter finanziell sehr mageren Bedingungen. – Da exakt eine solche akademische Karriere auch mein beruflicher Weg hätte sein können, fühle ich stark mit den Forschenden und ihren Schwierigkeiten mit.

Mittlerweile ist offensichtlich, dass der Wissenschaftsbetrieb in der Schweiz mit dem Wegfall vieler Mittelbaustellen mehr und mehr die Charakteristika einer Superstar-Ökonomie aufweist. Wenige führen ein sehr gutes Leben, während die grosse Mehrheit auf der Strecke bleibt. – Dies war mir aber keineswegs klar, als ich mich 1990 entschieden habe, an der ETH Zürich Biochemie zu studieren. Ob ich es hätte wissen können, weiss ich nicht. Zudem war die gesamte Ausbildung auf die akademische Laufbahn ausgerichtet, ohne Bezug zur Privatwirtschaft oder anderen möglichen weiteren Arbeitgebern. Unsere Professoren und Professorinnen gehörten einer Generation an von der jede und jeder, der wirklich Professor/in werden wollte, dies auch geschafft hatte. So ist es wenig erstaunlich, dass uns als Studierenden und Doktorierenden vermittelt wurde, man sei gescheitert und eine Verliererin oder ein Verlierer, wenn man aus der akademischen Forschung aussteige.

Zusammengefasst hat die akademische Karriere in den vergangenen 20 Jahren viel an Attraktivität verloren. Die mageren Aussichten auf eine Professur wie auch die limitieren Kenntnisse und die wenig adäquate Ausbildung für alternative Berufswege sind dabei nur zwei Elemente. Ein wichtiges drittes Element ist die Tatsache, dass eine akademische Forscherkarriere kaum mit Familie und einer Partnerschaft vereinbar ist, in der beide eine berufliche Karriere verfolgen. Beat Louis hat dies in seiner Kolumne von vergangener Woche bestens veranschaulicht. (1)

"ETH Life"-Kolumnistin Dora Fitzli ist Wissenschafts- und Technologierätin an der Schweizer Botschaft in Washington.

Glücklicherweise haben sowohl die ETH Zürich wie auch der Schweizerische Nationalfonds den Notstand erkannt und beschlossen diesen Attraktivitätsverlust zu stoppen und neue Perspektiven anzubieten. Vergangene Woche gab der neue ETH-Präsident Ernst Hafen in einem Interview mit ETH Life seine Pläne bekannt, die Ausbildung in den Naturwissenschaften breiter auszurichten sowie weitere 100 Professuren zu schaffen. (2)

Ebenfalls letzte Woche hat der Schweizerische Nationalfonds sein Mehrjahresprogramm 2008-2011 veröffentlicht. (3) Ab 2008 soll unter anderem ein neues Programm, „Ambizione“, zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses lanciert werden. „Ambizione“ richtet sich spezifisch an die anfangs erwähnten jungen Forschenden und bietet ihnen die Möglichkeit, zwischen Postdoktorat und Assistenzprofessur eigene Projektgelder zu beantragen. – Über diese positiven Entwicklungen bin ich sehr erfreut, denn so besteht Hoffnung, dass die Naturwissenschaften wieder an Attraktivität gewinnen werden!


Zur Autorin

Die ganz treuen “ETH Life”-Lesenden können sich vielleicht erinnern. Dora Fitzli (35) hat in der Pionierphase unserer Webzeitung journalistische Beiträge geliefert. Ihr Schwergewicht lag bei den Life Sciences, besonders bei deren gesellschaftlich-ethischen Implikationen. Bereits zuvor hatte die promovierte Neurobiologin mit ETH-Biochemie-Diplom ihr Interesse an der Schnittstelle Wissenschaft/Gesellschaft unterstrichen: sie war Kollegiatin am Collegium Helveticum der ETH und schrieb dort eine Studie zur Motivation von Forschenden, sich in der Öffentlichkeit zu engagieren.

Im August 2001 folgte der Wechsel ins Staatssekretariat für Wissenschaft und Forschung nach Bern, wo Dora Fitzli wissenschaftliche Koordinatorin für den ETH-Bereich war. Seit einem Jahr nun ist sie Wissenschafts- und Technologierätin an der Schweizer Botschaft in Washington. Als Leiterin des Office for Science, Technology and Higher Education konzentriert sich Dora Fitzli auf die Analyse der nordamerikanischen Wissenschafts- und Hochschulpolitik mit dem Ziel, Inputs zu laufenden Schweizer Projekten zu liefern: „Trotz des aktuellen Antiamerikanismus: die USA sind im Wissenschaftsbereich noch immer die Nummer 1. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass die bestehenden guten Beziehungen nicht vernachlässigt werden.“


Footnotes:
(1 Siehe ETH Life, Kolumne von Beat Louis, „Mobilitätswahn“ vom 29. März 2006: www.ethlife.ethz.ch/articles/kolumne/kolublouis1.html
(2 ETH Life, Interview mit ETH-Präsident Ernst Hafen: „Take-off für ETH 2020“ vom 27. März 2006: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/takeoff2020.html
(3 Mehrjahresprogramm 2008-2011 des Schweizerischen Nationalfonds: www.snf.ch/downloads/phi_plu_gesamtdoc06_d.pdf


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