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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen Sterntagebücher |
Published: 11.01.2006 06:00 Modified: 10.01.2006 22:52 |
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...oder Neue Ansichten alter Welten (Alte Ansichten neuer Welten ist der Standard.) Von Gerd Folkers Hilfe, mein Publikum hat sich verändert. Spürte ich bis jetzt eine wohlige Spannung wenn ich zu einem Kongress fuhr, um Ergebnisse vorzustellen, ich kannte ja dann doch die meisten Kollegen in der „ersten Reihe“, so sind die ersten Reihen meiner jetzigen Auditorien mir unvertraut und meine Nervosität steigt. Bekannte Gesichter, die schon ein paar Mal im Collegium waren, freuen mich, sie geben mir Sicherheit, verlangen aber auch stete Leistung. Vorbei die Zeit, in der ich aus einem grossen Fundus von "Power Point"-Slides schöpfte. Wie angeblich die Anfänger (ich bin ein Anfänger!) muss ich meine Vorträge niederschreiben, der Präzision der Sprache wegen, der sorgfältig gewählten, aber komplizierten Zitate, der ironischen Wendungen wegen, die passen müssen wie handgemachte Schuhe, weil sie mit nur einer einzigen falschen Vokabel ihren Witz verlieren. Keine Strukturen mehr an die Wand geworfen, die bei einem „eingeweihten“ Publikum, ausser dem wirklich innovativen Element, kaum weiterer grundlegender Erklärung bedurften und auch nicht in Frage gestellt wurden. Keine Strukturen, Graphiken, Tabellen mehr, an denen ich mich entlang hangeln kann, sondern der berühmte rote Faden im Text, die virtuelle Leitlinie, entlang derer die Gedankenkette Schritt für Schritt logisch entwickelt werden muss, ohne ins Schwätzen zu kommen. Für interessierte, aufmerksame, kritische Zuhörer, deren viele ein völlig verschiedene Vorbildung mitbringen. Da gilt es Worte zu wählen und Metaphern zu suchen, die eine Interpretation in Richtung der Botschaft ermöglichen, die es zu verkünden galt und die vom Titel meines Vortrags womöglich opulent angesagt worden war. Ich muss mich für meine Sprache kritisieren lassen und dafür, dass ich Dinge klarzustellen versuche, die den Anderen (manchen Anderen) aus ihren Denkweisen sowieso schon klar waren. Natürlich versuche ich mich in Mischformen. Wenn immer möglich, illustriere ich. Die strukturierende Auswahl und Verwendung des Bildmaterials ist aber schon wieder ein interessantes Problem in sich selbst und unter dem Schlagwort „iconic turn“ (Boehm 1994) endlich zur wissenschaftlichen Kontroverse avanciert. Da komme ich mir vor, als verläse ich diese Reiseberichte des Sternenpiloten und Universalgelehrten Ijon Tichy, den sein Schöpfer Stanislaw Lem in die Weiten des Weltraums reisen lässt, ohne dass man nach seinen Berichten vor der Akademie je hätte sicher sein können, dass er das Gravitationsfeld unseres Heimatplaneten, ja nicht einmal seine heimatliche Startrampe verlassen habe und er deswegen eigentlich über die Erde selbst berichtete. Ich versuche für mich und mein Auditorium die Beschreibung derselben Welt, mit anderen Worten und Bildern, so als ob man einen Raumflug hinter sich gebracht hätte, wie Tichy, hinter dessen Schilderungen man immer dieselbe Welt zu entziffern vermag, jeweils mit anderen Metaphern für ihre guten und die schlechten Dinge. Was am Anfang Verunsicherung ist, weicht einer neuen Sensibilität. Neue Beschreibungen eröffnen neue Sichtweisen, vielleicht dadurch andere Interpretationen.
Nach Sir William Bragg (der den Physiknobelpreis zusammen mit seinem Sohn erhielt) ist ein stetiges Neuüberdenken geradezu die Grundforderung der Wissenschaften: “The important thing in science is not so much to obtain new facts as to discover new ways of thinking about them.” Die mit akademischen Fleiss und dem unentbehrlichen Bierernst betriebene „rethinking“ Phase hätte allerdings mit Exaltationen wie rethinking the rethinking of... einem sehr vernünftigen Prozess fast das Leben genommen. Da sind die Lem’schen Sternentagebücher eine gute Vorlage, besonders für eine Sternwarte. P.S.: Die Mischformen im Vortragswesen sind stark im Kommen. Interdisziplinarität greift um sich. "Power Point" allerdings auch. Wie wär’s mit Rethinking the Power Point Bullet Point Thinking?
References:
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