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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen


Die Schmiede der Wirtschaftselite?

Published: 15.02.2006 06:00
Modified: 14.02.2006 11:05
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Von Mauro Pfister

Kürzlich noch diskutierte ich mit einem Studierenden über den Wert von ETH-Absolventen. Dieser stellte sich auf den Standpunkt, die Ausbildung an der ETH sei offensichtlich exzellent, die Wertschätzung der Wirtschaft beweise es. Vor vier Wochen erzählte ich hier vom Eintritt ins Berufsleben. Mittlerweile habe ich nun einen Monat Erfahrungen als Finanzanalyst im Investment Management sammeln können. Zugegebenermassen nicht gerade viel Zeit, um die Behauptung des Studierenden widerlegen zu können. Zusammen mit meinem Praktikum während des Studiums erscheint mir meine bisherig Erfahrung doch aber Grundlage genug, um einige Schlussfolgerungen ziehen zu können.

Würde man mich heute fragen, welche Qualitäten für meinen Job wichtig sind – als Erstes käme mir sogleich „schnelles, selbständiges Lernen und grosse Aufnahmefähigkeit“ in den Sinn, gefolgt von Präsentations- und Diskussionstechnik sowie Ausdrucksstärke. Weiter wären Teamfähigkeit, strukturiertes Vorgehen bei der Problemlösung und Kreativität zu erwähnen. Unterschätzt wird meines Erachtens auch die Notwendigkeit, sich in hierarchischen Strukturen einordnen zu können. Zu guter Letzt ist wohl auch meine Fachausbildung als Mathematiker von Nutzen.

Dieses Anforderungsprofil unterscheidet sich – den Status des der Fachausbildung ausgenommen – signifikant von demjenigen eines Absolventen, der eine akademische Karriere anstrebt. Ich bin indes überzeugt: Alle anderen Punkte sind beiden Profilen gemein. Müsste ich nun versuchen festzulegen, wo ich mir diese Fähigkeiten während des Studiums aneignen konnte, so käme die ETH schlecht weg. Die Fachausbildung, der Wissenserwerb geniesst nicht nur erste Priorität, nein, er ist fast immer auch das einzige Ziel. Dabei reicht diese meines Erachtens als Qualifikation für einen Bachelor oder Master bei Weitem nicht aus. Bei einer fundierten Planung der Studiengänge sind solche fachneutralen Qualitäten gegenüber zu vielen fachlichen Vertiefungen oder überbordender Breite abzuwägen. Die Folge eines solchen Planungsprozesses wäre meines Erachtens an der ETH in den meisten Studiengängen eine noch viel tief greifendere Reform als die eben durchgeführte. So versucht denn auch der vom VSETH in Gang gesetzte Diskurs über die Qualität der Lehre seit einem Jahr der ETH-Community diesbezüglich die Augen zu öffnen: Es könnte besser sein.

Nun diplomiert und seit Kurzem nicht mehr VSETH-Präsident: "ETH Life"-Kolumnist: Mauro Pfister

So frage ich mich denn auch, ob die Wirtschaft mit den Absolventen der ETH wirklich vollends zufrieden ist. Oder ob sie sich aus Mangel an einer echten akademischen Schmiede für Berufsleute mit unseren Unis begnügt. Nun scheint es, als ob ich meine letzte Kolumne unversöhnt mit der ETH abschliesse. Dem ist nicht so – ich bin meinen Lehrern und Kommilitonen und all jenen, mit denen ich hier zusammenarbeiten durfte, sehr dankbar für einen reichen Erfahrungsschatz. Eine Überzeugung bleibt aber nach gewonnener Distanz zur ETH sogar verstärkt bestehen: Die ETH hat das Zeug zu mehr, zu qualifizierteren Absolventen, zu besseren Leistungen, zu mehr Leben – kurz: zu mehr Qualitäten als Schmiede der Ingenieure, Kader, Akademiker, Manager, Politiker und Erfinder von morgen, und das alles mit den bereits ansässigen Studierenden, Wissenschaftlern und Mitarbeitern.


Zum Autor

Bis vor Kurzem war der 28-jährige ETH-Mathematiker Mauro Pfister VSETH-Präsident. Schwer war es nicht für ihn, in sein Amt hineinzuwachsen. Als Vorstandsmitglied war der St. Galler zuvor für die Formulierung der VSETH-Hochschulpolitik zuständig. Engagement, auch dort, wo Knochenarbeit gefordert ist, scheut Pfister nicht. Im Gegenteil: Im zweiten Studienjahr wurde er „Festminister“ beim VMP, dem Fachverein der Mathematiker und Physiker. Dann, nach dem zweiten Vordip, rückte er für gut ein Jahr ins Militär ein und brachte es dort bis zum Oberleutnant. Anschliessend verbrachte er einen halbjährigen Stage bei der „Winterhur“-Gruppe, wo er in einem Mathematiker-Team an der Überprüfung der Rückstellungen sämtlicher Ländereinheiten des Konzerns mitwirkte. Seit Januar dieses Jahre arbeitet Mauro Pfister als Finanzanalyst im Investment Management.



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