ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
Print-Version Drucken
Publiziert: 05.11.2003 06:00

"ETH Life"-Kolumne: Neue Gesichter
Vier neue Zwischenrufer am Start

Ein herzliches Dankeschön von „ETH Life“ an Barbara Orland, Bernhard Plattner, Elias Mulky und Matthias Erzinger(1). Sie werden ab kommender in dieser Rubrik von einer neuen Kolumnistenrunde abgelöst. Wir freuen uns auf die Wortmeldungen von vier so spannenden wie unterschiedlichen ETH-Persönlichkeiten, die im folgenden porträtiert werden.

Von Norbert Staub

Gibt Diplomaten den letzten Schliff: Jürg M. Gabriel

Dass Jürg M. Gabriel in diesem Jahr mit der Leitungsübernahme der "Mediterranean Academy of Diplomatic Studies" (MEDAC) auf Malta noch einmal etwas ganz Neues anpackte, überrascht nicht. Der 62-jährige ETH-Professor für Politikwissenschaften hat immer wieder unbekanntes Gelände beschritten. Als Romanischbündner zog der Zwanzigjährige in die USA und stieg dort die akademische Leiter hoch bis zum PhD. Kaum zurück in der Schweiz, liess er sich 1972 für drei Jahre an die Universität Yaoundé in Kamerun verpflichten. Danach habilitierte er sich an der Uni St. Gallen, wurde Ordinarius und kam 1995 an die ETH. Auch hier reizte Jürg Gabriel das Neue: Er baute den Studiengang für Berufsoffiziere zum B.A.-Studium in Staatswissenschaften aus.

Wie wird ein Schweizer Professor Chef der maltesischen Diplomatenschmiede? Die 1990 gegründete MEDAC wird vom Departement Calmy-Rey unterstützt, sowie vom HEI, dem Institut des Hautes Etudes Internationales der Uni Genf. Völkerrecht, Politikwissenschaften, Ökonomie und Geschichte bilden die Basis für das Ziel, die Kandidaten in ihren diplomatischen Kompetenzen zu schulen. Dabei liegt der Fokus der MEDAC keineswegs auf dem Mittelmeerraum: "Wir streben eine Ausbildung nach europäischen Standards an. Den Studierenden werden aufgeklärte – man kann auch sagen: westliche – Werte vermittelt“, betont Jürg Martin Gabriel.

Lotet Arbeitswirklichkeiten aus: Gudela Grote

„Wo gearbeitet wird, muss es menschengerecht zu- und hergehen“, umschreibt Gudela Grote den Fokus ihres Lehr- und Forschungsgebiets. Das sei gerade auch bei modernen Arbeitsumgebungen nicht immer der Fall, wo die Technologie als vermeintliche Erleichterung gewertet wird, de facto Menschen aber die Kontrolle über die Arbeitsprozesse verlieren können. Seit drei Jahren ist sie ordentliche Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der ETH und hält den Finger auf Störquellen im Arbeitsalltag.

Aufgebrochen, so Gudela Grote, würden herkömmliche Arbeitsgewohnheiten zudem durch den Trend zur permanenten Einsatzbereitschaft, zur Arbeit auf Abruf und zum mehrmaligen Jobwechsel. Den Beruf fürs Leben ergreifen Junge heute kaum mehr: „Arbeit hat ihren Stellenwert als Stabilitätsfaktor par excellence eingebüsst. Mit der Folge, dass Lebensorientierung für viele Junge problematisch wird. Ganz zu schweigen von jenen, die derzeit keine Arbeit finden“. Veränderungen habe es in der Arbeitswirklichkeit allerdings schon immer gegeben. Laut Gudela Grote stürzt der aktuelle Wandel das eindimensional westlich und notabene männlich geprägte Karrierekonzept der letzten hundert Jahre in eine Krise. „Wir werden gezwungen, in Alternativen zu denken und das eröffnet auch Chancen – die Arbeitspsychologie kann mithelfen, sie zu finden und zu realisieren.“

Ihr für die humane Gesamtschau geschulter Blick hat Gudela Grote vielleicht auch für eine andere, eher im Hintergrund anzusiedelnde Funktion prädestiniert: die Mitgliedschaft in der Ethik-Kommission der ETH. Dort geht es darum, dass ETH-Forschung, die am Menschen invasiv experimentiert – etwa in der Sportphysiologie - nicht zu Schädigungen führt, und im Notfall ein Veto einzulegen.

Techniker und Sinnesmensch: Martin Näf

Seinen Weg verfolgt er konsequent – und wirkt dabei doch sehr entspannt. Martin Näf, Doktorand am ETH-Computer Graphics Laboratory, hantierte schon als Elfjähriger mit einem programmierbaren Taschenrechner, mit 15 entwickelte er kommerzielle Software und verdiente damit sein erstes Geld. Informatiker zu werden, stand für ihn nie ausser Frage. Kein Wunder: Als Sohn eines Wirtschaftsinformatikers war ihm die Computerwelt nie fremd.


weitermehr

Für ein halbes Jahr im "ETH Life"-Kolumnistenamt: Informatiker Martin Näf (oben links), Arbeitspsychologin Gudela Grote, Politikwissenschaftler Jürg Martin Gabriel (unten links) , Ex-PSI-Chef und Jubiläums-Manager Meinrad Eberle.

Und dennoch: Technik in Reinkultur wäre ihm zuwenig. „Ich bin halt zu sehr auch Sinnesmensch“, sagt er. In der Virtual Reality hat er darum sein ideales Tummelfeld gefunden: „Da kommt die Spielerei nicht zu kurz.“ Für seine Doktorarbeit hat Martin Näf die Softwareschnittstelle zur Applikation von „The blue-c“ entwickelt, dem grossen ETH-Projekt, das den Weg zur Telekonferenz der nächsten Generation aufzeigt. Mit „blue-c“ kann man dereinst in Zürich eine Person auch dann dreidimensional begrüssen, wenn diese sich in Santa Barbara aufhält.

Mehr als spielerisch, schon eher leidenschaftlich, betreibt Martin Näf sein Hobby, die elektronische Musik. Im hochgerüsteten Heimstudio tüfelt er an Ambient-Klängen von beeindruckender Qualität herum. Der Austausch darüber erfolgt global via Web, aber manchmal auch sehr real: Kürzlich hat der Informatiker bei sich zuhause eine international besetzte Jam-Session organisiert. Im Frühjahr 2004 beginnt für Martin Näf ein neuer Lebensabschnitt: dann wird er 30, und etwa gleichzeitig sollte seine Diss fertig sein. Nach neun Jahren ETH und viel Engagement für Gremien wie die AVETH, den SSD und die Unterrichtskommission des Departements Informatik hat er nun einen Postdoc in fernen Landen im Visier.

Hat die Fäden des Jubiläums in der Hand: Meinrad Eberle

„Doch, es gibt schon Gemeinsamkeiten“, korrigiert Meinrad Eberle. Er habe keine Probleme, die Erfahrungen als Direktor des Paul-Scherrer-Instituts in die Projektleitung für das ETH-Jubiläum 2005 einzubringen. „Zentral ist: Man muss wissen, was man will und fähig sein, das in eine Strategie, dann in ein Projekt und schliesslich in Wirklichkeit umzusetzen. Darauf beruht ja das gesamte Management-ABC“, so Eberle, bis 2002 ETH-Professor für Verbrennungsmotoren und Verbrennungstechnik. Einen wichtigen Unterschied gebe es aber doch: „Ich kann das Projekt ‚150 Jahre ETH’ niemandem verordnen, ich muss die ETH-Angehörigen dazu motivieren.“

An sich hätte der PSI-Manager nach seiner Pension vor einem Jahr ein, zwei Gänge herunterschalten, sich mehr der Kunst und den Bergen widmen können. – Kein Thema für den zupackenden Workaholic, der von sich sagt, er sei „von den ausgezeichneten Rahmenbedingungen der ETH verwöhnt worden“. Dagegen sei vielen ETH-Angehörigen, auch Professoren, zuwenig bewusst, was sie an ihrer Hochschule haben. Mit Kritik werde verschwenderisch umgegangen, mit Lob weniger. „Das Jubiläum ist eine Chance, der enormen Qualität unserer ETH mehr Profil zu geben“.

Das Jubiläumsjahr werde vieles sein, nur keine „Bier- und Wurst-Veranstaltung“, betont Meinrad Eberle. „Discover ETH“ solle denn auch weniger zur Rückschau werden als Anlass zum Aufbruch. Je unorthodoxer, erfrischender, unschweizerischer das geschehe, umso besser. – Und konkret? Der Jubiläumsminister wäre zum Beispiel glücklich, wenn „2005“ bei Forschenden eine bleibende Begeisterung für gute, offene Kommunikation wecken könnte.


Fussnoten:
(1) Porträts zu den mit diesem Text verabschiedeten Kolumnisten finden Sie unter: www.ethlife.ethz.ch/articles/kolumne/KolumneAbloesung.html



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!