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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen |
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USA – Schweiz: Beste Beziehungen? |
Dora Fitzli Es ist beinahe schon ein Credo: Die Beziehungen im Wissenschafts- und Forschungsbereich zwischen der Schweiz und den USA sind exzellent. Fast alle Schweizer Universitäten haben Abkommen mit amerikanischen Universitäten, sei dies auf der Ebene der Institutionen, einzelner Fakultäten, Institute oder Forschungsgruppen. Dazu kommen unzählige direkte Kollaborationen zwischen Forschenden. Diese reiche Verflechtung von bilateralen Beziehungen entwickelte sich über die letzten Jahrzehnte, aufbauend auf persönlichen Kontakten. Ein einfacher Schluss daraus wäre, dass alles zum Besten steht und es keinen Handlungsbedarf gibt. Doch sind diese Kontakte im Forschungs- und Wissenschaftsbereich auch stabil? Ich fürchte nein, denn es gibt zahlreiche Entwicklungen und Anzeichen für eine Schwächung dieser Verknüpfungen: Die klarsten Hinweise dafür sind für mich die deutlich sinkenden Zahlen von Schweizer Studierenden und Forschenden, welche die USA als Zielland ihres Auslandaufenthaltes auswählen. Bei den Studierenden waren dies im akademischen Jahr 2004/05 13% weniger, verglichen mit dem Vorjahr. Bei den Stipendiatinnen und Stipendiaten des Schweizerischen Nationalfonds ist der relative Anteil von 50% in Jahr 2000 auf 38% im Jahr 2004 gesunken (1). Besorgniserregend scheint mir insbesondere der Attraktivitätsverlust der USA für Schweizer Postdocs zu sein: Einerseits, weil sich damit weniger Schweizer Forschende dem hoch kompetitiven Umfeld in den USA aussetzen und anderseits, weil in der Zukunft deren persönliche Netzwerke mit amerikanischen Universitäten fehlen werden. Wesentlich für diese Entwicklung ist die ausgeprägte Fokussierung der Schweiz auf den europäischen Forschungs- und Bildungsraum. Die Schweiz beteiligt sich nicht nur an den Forschungsrahmenprogrammen (mit rund 1,2 Milliarden Franken in den letzten zehn Jahren (2)), sondern ist auch intensiv im Bologna-Prozess involviert. Zudem unterstützt sie EU-Bildungsprogramme (2003 mit gut 13 Millionen Franken (3)). So positiv die europäische Integration für die Schweiz auch sein mag, sie führt gleichzeitig zu einer starken Benachteiligung der Kontakte im Wissenschaftsbereich zwischen der Schweiz und den USA. Während für gemeinsame Forschungsprojekte zwischen der Schweiz und den USA kaum Mittel eingestellt sind, wird die europäische Forschungszusammenarbeit finanziell stark gefördert. Ähnlich bevorzugte Bedingungen existieren für die studentische Mobilität innerhalb von Europa, die von ungleich mehr Stipendien, vereinfachten Einreisebestimmungen und einer zunehmenden Vereinheitlichung des Studienaufbaus infolge des Bologna-Prozesses profitiert. Daneben gibt es natürlich weitere Faktoren, welche die bilateralen Kontakte im Forschungs- und Hochschulbereich erschweren: In der Schweiz ist eine antiamerikanische Stimmung oder sicher eine ablehnende Haltung gegenüber der derzeitigen US-Regierung weit verbreitet. Auf amerikanischer Seite wurden durch verschärfte Einreisebestimmungen und ausgedehnte Datenerfassungssysteme grosse Hürden geschaffen. Damit nicht genug: Es existieren belastende gesellschaftliche Differenzen wie bei der Einstellung gegenüber gentechnisch veränderten Pflanzen, Energie- und Umweltfragen sowie der Religiosität, die verstärkt auf Bereiche wie Stammzellforschung und Evolutionslehre Einfluss nimmt (4). Diese Bestandesaufnahme könnte bestimmt relativiert werden. Zentraler Punkt ist aber, dass das Verhältnis im Forschungs- und Bildungsbereich zwischen der Schweiz und den USA längst nicht so rosig ist, wie es meist dargestellt wird.
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Welche Konsequenzen hat dies nun für die Schweiz? Nichts wäre falscher, als die vielen Anzeichen einer Verschlechterung dieser Beziehungen zu ignorieren. Denn noch immer sind die USA mit gut einem Drittel der weltweiten Investitionen in Forschung und Entwicklung (5) unangefochten die global führende Wissenschaftsnation. Die USA überflügeln die EU15 sowohl in ihrem wissenschaftlichen Gewicht (6) wie auch in ihrer Innovationskraft (7) und dominieren die internationalen Universitäts-Rankings.(8) Deshalb würde ich es sehr begrüssen, wenn die Schweiz ihre Prioritäten überdächte und den USA im Wissenschafts- und Bildungsbereich wieder mehr Gewicht beimässe. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist das ausgehandelte Rahmenabkommen zur Förderung der wissenschaftlichen und technologischen Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und den USA, das hoffentlich noch 2006 unterzeichnet werden wird. In Ergänzung dazu setzen sich die beiden Swiss Houses in den USA, SHARE in Boston und Swissnex in San Francisco, sowie das Office of Science, Technology and Higher Education der Schweizerischen Botschaft in Washington mit der Unterstützung und Förderung einer Vielzahl konkreter Zusammenarbeitsinitiativen ebenfalls für eine Vertiefung der bilateralen Beziehungen im Forschungs- und Hochschulbereich ein.
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Fussnoten:
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