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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 10.03.2004 06:00

Die Begrünung Maltas – Möglichkeit und Grenzen

Von Jürg Martin Gabriel

Vor einem Jahr übernahm ich in Malta eine akademische Institution, deren Äusseres der Verschönerung und insbesondere der Begrünung bedurfte. Das mag überraschen, denn seit Benjamin Disraelis Aufenthalt im 19. Jahrhundert gilt Malta als eine romantische Insel im südlichen Mittelmeer. Ein Ort, geprägt von der maurischen Architektur der Wohnhäuser, dem Spätrenaissance Stil von Valletta und den zahlreichen barocken Kirchen. Zudem zeigen Postkarten das satte Grün von Olivenbäumen, das Blau des wolkenlosen Himmels und das noch tiefere Blau des Meeres. Wer wollte da verschönern?

Postkarten trügen. Maltas Schönheit ist roh, um nicht zu sagen rauh. Stein und Fels, so weit das Auge reicht. Gigantische Festungen und Paläste aus meterdicken Mauern, steinerne Flachdachhäuser im Stil des Vorderen Orients, von Steinmauern eingezäunte Felder, senkrecht ins Meer abfallende Felswände, und Stein- statt Sandstrände. Malta ist eine Trockenlandschaft ohne Fliessgewässer, mit mehr Staub als Regen. Die Olivenhaine sind Geschichte, Kakteen beherrschen die Landschaft, Braun dominiert Grün.

Roh ist Malta auch weil "im Bau". Unzählige Liegenschaften stehen entweder als Rohbau oder als verlassene Ruine zwecklos in der Landschaft, und viele Strassen und Trottoirs sind durchzogen von Gräben und Löchern. Teilweise ist die Rohheit ein Produkt der Natur, teilweise aber auch des Menschen. Malta steckt in einer Phase vulgären Wachstums, insbesondere im Bereich der Bauwirtschaft.

Der ausufernde Urbanismus verdrängt die ursprüngliche Schönheit und schafft ein ökologisches Desaster. Mittlerweile verdrängt der Wildwuchs treue, langjährige Touristen. Der Ruf: weg vom quantiativen, und hin zum qualitativen Wachstum, erschallt.


Zur Person

Als Romanischbündner zog der20-jährige Jürg Martin Gabriel in die USA und stieg dort die akademische Leiter hoch bis zum PhD. Kaum zurück in der Schweiz, liess er sich 1972 für drei Jahre an die Universität Yaoundé in Kamerun verpflichten. Danach habilitierte er sich an der Uni St. Gallen, wurde Ordinarius und kam 1995 an die ETH. Hier baute er den Studiengang für Berufsoffiziere zum B.A.-Studium in Staatswissenschaften aus. In diesem Jahr hat Gabriel mit der Leitungsübernahme der "Mediterranean Academy of Diplomatic Studies" (MEDAC) auf Malta noch einmal etwas ganz Neues angepackt. Die 1990 gegründete MEDAC wird vom Departement Calmy-Rey unterstützt, sowie vom HEI, dem Institut des Hautes Etudes Internationales der Uni Genf. Völkerrecht, Politikwissenschaften, Ökonomie und Geschichte bilden die Basis für das Ziel, die Kandidaten in ihren diplomatischen Kompetenzen zu schulen. Dabei liegt der Fokus keineswegs auf dem Mittelmeerraum: "Wir streben eine Ausbildung nach europäischen Standards an. Den Studierenden werden aufgeklärte – man kann auch sagen: westliche – Werte vermittelt“, betont Jürg Martin Gabriel.




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Jürg Martin Gabriel, beurlaubter ETH-Professor für Politikwissenschaft und seit März 2003 Direktor der Mediterranean Academy of Diplomatic Studies an der Universität von Malta.

Die Regierung beginnt ihr "laissez-faire" zu überdenken. Strassen und Plätze werden begrünt, Reinigungsequipen aufgestockt, Promenaden ausgebessert und Fassaden saniert. Auch an der Universität wird aufgeräumt, geputzt und begrünt. Die Aktion ist ansteckend, und – als ordnungsliebender Schweizer – will man dabei sein. Man lässt sich inspirieren von den attraktiveren Ecken des Campus und beginnt vor der eigenen Haustür.

Der Eingang zu unserer Akademie ist hässlich. Eine Steinlandschaft bestehend aus teilweise unfertigem Mauerwerk, einer aus billigem Metall eingefassten Glastüre, einem ebenso unansehnlichen Fenster, einem neben der Türe aufgestellten Coca-Cola Automaten, und das Ganze von falsch parkierten Autos verstellt.

Die Sanierung der Sandsteinwand erweist sich als problemlos. Handwerker der Universität erledigen die Arbeit fachmännisch. Malteser haben Erfahrung im Umgang mit Mauerwerk. Auch die Verschönerung des Fensters ist insofern ein Erfolg, als ein schmiedeisernes Gitter, ergänzt durch Geranien, die Unschönheit verdeckt. Seiner "bauchigen" Form wegen sprechen die Malteser von einem "pregnant window". Schwangerschaft hat Folgen – ein Nachbarinstitut hat unsere Aktion kopiert!

Etwas weniger erfolgreich ist die Befreiung des Eingangs von parkierten Autos. Zwei grosse, vom Gärtner gelieferte Pflanzkübel schaffen den Trick, doch Fahrräder versperren nach wie vor den Zugang, und das in den Kübeln wachsende Grün lockt Vandalen an. Grün scheint eine provokative Farbe zu sein.

Vollends gescheitert sind wir am typischsten Zivilisationssymbol unserer Zeit, am Getränkeautomaten. Dessen Verschiebung und Substitution durch ein grünes Mauergewächs ist bis heute nicht gelungen. Gescheitert sind wir am Veto eines Institutsdirektors im selben Gebäude. Er behauptet, den maltesischen Sommer nicht ohne Coca in Griffnähe überleben zu können. Vor einer Generation prägte der Club of Rome den Begriff der "limits of growth"; heute erleben wir die "limits of greening".




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