|
Rubrik: Mittwochs-Kolumnen |
Print-Version
|
Wasserkriege ? |
Von Kurt R. Spillmann Vom Erdöl weiss man es seit langem: seit es Motoren gibt, wird um Erdöl gestritten. Doch Wasser? Seit einigen Jahren berichten die Medien mit zunehmender Häufigkeit von der immer dramatischer werdenden Wasserknappheit und von wahrscheinlich bevorstehenden Wasserkriegen. Was lässt sich zur Wahrscheinlichkeit solcher Wasserkriege sagen? Richtig ist, dass die Verteilung der Regenfälle auf unserem Planeten äusserst unregelmässig ist. In grossen Staaten schwankt sie innerhalb der eigenen Grenzen so stark, dass China, Indien, Australien oder die USA neben Gebieten üppigster Vergetation auch Wüsten aufweisen. Von besonderer Trockenheit geplagt ist der Gürtel der nordafrikanisch-mittelöstlichen Staaten von Marokko bis nach Oman. In dieser Region stehen pro Individuum weniger als 500 Kubikmeter Wasser pro Jahr zur Verfügung, was einer Tagesquote von weniger als 1'400 Litern entspricht. Zieht man davon ab, was im Mittel für die Landwirtschaft (70 Prozent) und die Industrie (20 Prozent) verbraucht wird, so stehen den Menschen für ihre persönlichen und Haushaltbedürfnisse nur noch 10 Prozent, also rund 140 Liter, zur Verfügung. Das sind extreme Lebensbedingungen. (Zum Vergleich: Europäer verbrauchen 200 bis 300 Liter, Nord-Amerikaner 500 Liter pro Tag für Haushaltsbedürfnisse.) Dabei nimmt gerade hier die Bevölkerung noch extrem zu. Sind das nicht die Voraussetzungen für bewaffnete Kämpfe um die vorhandenen Wassermengen und Flussläufe? So ungünstig die gegenwärtige Situation und die Prognose in dieser Region auch aussehen, so lässt sich aus der geschichtlichen Erfahrung doch ableiten, dass Wasser bisher noch nie allein als Ursache eines Krieges in Erscheinung getreten ist. Konflikte um Wasser spiegeln die Beschaffenheit von Wasser: Wasser lässt sich nicht wie Land besetzen und zum unverrückbaren Besitz machen. Wasser fliesst, fällt als Regen vom Himmel, mal da, mal dort, überschwemmt, verschwindet, ist nicht fest wie ein Stein, dauerhaft wie ein Gebirge, oder solid-beständig wie ein Stück Land. Wasser scheint die Gefühle der Menschen nicht so dauerhaft zu besetzen wie Landbesitz, und entsprechend wird um Wasser weniger verbissen gekämpft. So wie das Wasser Hindernisse umfliesst oder ihnen ausweicht, und so wie die Menschen auf Überfluss oder Mangel an Wasser beweglich (meist mit Flucht) reagieren, so scheinen auch Wasserkonflikte weniger hart ausgetragen zu werden als Landkonflikte. Aaron T. Wolf, der alle von der FAO aufgelisteten Konflikte, in denen Wasser eine Rolle spielte, genau analysiert hat, kommt zum Schluss, dass die Warnungen vor Wasserkriegen übertrieben seien und dass in den Konflikten um Wasser die Bereitschaft zu Kooperation und kooperativen Lösungen im allgemeinen überwiege. Und die deutsche Forscherin Petra Holtrup hat zahlreiche Belege dafür vorgelegt, dass in der Praxis bereits viele nichtbindende Aktionsprogramme funktionieren, die eine geregelte kooperative – und damit gewaltfreie – Nutzung von Flüssen erlauben, die durch mehrere Länder fliessen. Auch hat die Forschungsstelle für Sicherheitspolitik der ETH Zürich im NCCR Nord-Süd Programm an Hand des Nilbeckens aufgezeigt, wie mit „Dialog Workshops“ Kooperation um knappe Wasserressourcen gefördert werden kann. (1)
|
Solchen kooperativen Lösungen gegenüber werden auch grundsätzliche Bedenken angemeldet. Kooperation verlange Verzichte, meint John Waterbury, Politologe und Präsident der American University in Beirut. Verzichte seien mit der Optimierung der eigenen Interessen unvereinbar und deshalb sei die Problemlösungskraft solcher Regelungen bestenfalls nur eine „utopische Vision“: der kaum fassbare „Nutzen für alle“ falle in der Praxis für den Einzelnen weit weniger ins Gewicht als die ihn direkt betreffenden Kosten. In der Tat: Verzichte sind schwer zu verkraften, wenn keine konkrete Entschädigung winkt. Doch im Bereich der Wasserkonflikte wie in vielen anderen Bereichen haben wir die Wahl: sollen die Einzelinteressen des Stärksten maximiert werden oder soll eine win-win Lösung mit Vorteilen für alle angestrebt werden? Die modernen Formen des Terrorismus im 21. Jahrhundert sollten uns gezeigt haben, dass auch der Stärkste sich nicht unverletzlich machen kann. Und die modernen Gesellschaften unserer globalisierten Welt sind als offene und komplexe Strukturen so verletzlich geworden, dass Sicherheit nicht mehr durch Ausschluss, sondern nur noch durch Einschluss – in für alle akzeptable win-win Lösungen – erreicht werden kann. Solche Lösungen zu finden: darauf muss die Energie der Forscher und die Weitsicht der Politiker gerichtet sein.
|
|||||||||||||||
Literaturhinweise:
Fussnoten:
Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen. |