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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 01.02.2006 06:00

Vom Erdöl unabhängig

Kurt R. Spillmann

Bill Clintons Auftritt am WEF in Davos wurde bejubelt und das Publikum dankte ihm mit einer standing ovation. Dabei sprach er der versammelten Weltwirtschaftselite keineswegs nach dem Munde, sondern sprach über schwierige und ungeliebte Herausforderungen unserer Zeit, nämlich über den Klimawandel, über die Armut, über Aids und den Kampf gegen den Fundamentalismus. Der Klimawandel, sagte Clinton, sei die grösste Bedrohung der menschlichen Zivilisation und es sei höchste Zeit zum Handeln. Nur globale Anstrengungen könnten eine Zukunft mit sauberer Energie ermöglichen.

Ist die Botschaft verstanden worden? Hat das Thema Klimawandel damit endlich die Ebene der Macher erreicht? Das WEF jedenfalls schloss mit dem Aufruf, über die Worte hinaus endlich zu Taten vorzustossen.

Eine gleichzeitig in Genf stattfindende wissenschaftliche Klimakonferenz untermauerte die Dringlichkeit dieser Anliegen: Die stetige Erwärmung seit 1950 sei nicht anders als durch die Emissionen fossiler Brennstoffe zu erklären, durch die der CO2-Ausstoss um 33 Prozent zugenommen habe, erklärte Michel Jarraud, Generaldirektor der Weltorganisation für Meteorologie. Sie sei auf dem höchsten Stand seit 420’000 Jahren, mit negativen Folgen wie abwechselnden Dürreperioden und Überschwemmungen und regional immer intensiverem Wassermangel (zum Beispiel in Spanien). Um die weitere Erwärmung zu bremsen, sei eine Reduktion des Energieverbauchs um ein Drittel notwendig, forderte einer der Experten, bzw. der Einsatz anderer Technologien zur Produktion von erneuerbaren Energien, die heute erst 1% der Energieproduktion ausmachten.

Allmählich verbreitet sich die Kenntnis dieser Fakten auch bis zu den Politikern und Wirtschaftsführern. – Auch bis an die Spitze der grössten Energiekonsumenten (und CO2-Produzenten): der USA?

US-Vizepräsident Cheney hat die „grüne Gesinnung“ als eine „personal virtue“, als eine private Angelegenheit abgetan. Der amerikanische Kolumnist Thomas L. Friedman hat dem heftig widersprochen: grün zu denken, meinte er, sei ein nationaler Sicherheitsimperativ der USA (New York Times, 6. Januar 2006). Wer – wie die USA – die Demokratie verbreiten wolle, müsse aufhören, diktatorische Regimes, die zufällig auf den weltgrössten Energiereserven sässen, zu finanzieren und damit politisch zu unterstützen, und stattdessen die Produktion energieeffizienter Autos fördern, wenn nötig durch eine über die nächsten Jahre stark ansteigende Steuer auf Treibstoff. Überhaupt müsse Amerika versuchen, die bedeutendste Wachstumsindustrie des 21. Jahrhunderts anzuführen, nämlich die für „grüne“ Autos, Häuser, Büros, Haushaltgeräte, und alle Produktionseinrichtungen für erneuerbare Energien.


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Kurt R. Spillmann, emeritierter ETH-Professor für Sicherheitspolitik und Konfliktforschung.

Realistisch? Heute noch zielen wissenschaftliche Erkenntnisse und daraus abgeleitete Forderungen nach einem vernünftig „grünen“ Verhalten in eine völlig andere Richtung als das reale Verhalten der meisten Staaten und der meisten grossen Unternehmen. Aber Energiepolitik wird über kurz oder lang ins Zentrum des politischen Handelns rücken. Und der Grad der Unabhängigkeit vom Erdöl wird dann für den einzelnen Staat bestimmend für seine Freiheit, und in globaler Perspektive für die Menschheit ausschlaggebend für ihr Überleben.


Zum Autor

Kurt R. Spillmann hat in der Schweiz die Analyse von Konflikten und deren Ursachen geprägt wie keiner vor ihm: als Professor, Autor und Experte in der Öffentlichkeit. 1986 zum ETH-Ordinarius für Sicherheitspolitik und Konfliktforschung an die ETH berufen, gründete und leitete er die Forschungsstelle für Sicherheitspolitik und Konfliktanalyse (FSK). Er initiierte zudem die Schaffung des Center for Comparative and International Studies (CIS), eines Clusters von heute zehn Professuren, der die entsprechenden Kompetenzen von ETH und Universität bündelt. Lange Jahre war er, der im Militär den Rang eines Obersten bekleidete, Vorsteher der Abteilung für Militärwissenschaften. Daneben hat Spillmann Wichtiges als Berater geleistet: So hat er seinen nicht unwesentlichen Teil dazu beigetragen, dass die Schweizer Sicherheitspolitik sich in den neunziger Jahren modernisierte und öffnete. Seit seiner Emeritierung im Jahr 2002 hat er nun mehr Zeit, seinen besonderen Interessen zu nachzugehen: Den psychologischen und gesellschaftlichen Hintergründen von Krieg und Frieden zum Beispiel, den interdisziplinären Zusammenhängen zwischen Ökologie und politischen Konflikten – insbesondere Wasserkonflikten –, und der Nachwuchsförderung.






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