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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen |
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Rückblick - oder: Worüber schreibt man eine Kolumne? |
Von Rudolf Mumenthaler René Schwarzenbach hat gut reden. Schreibt er doch, es solle Kolumnen schreiben, wer wolle. Wenn das so einfach wäre. Kolumnenschreiben ist keine Frage des Wollens. Natürlich steht am Anfang eine Zusage, die man freiwillig macht. Ab diesem Zeitpunkt hängt dann der Abgabetermin wie ein Damoklesschwert über dem leichtfertig frischgebackenen Autor. Es kommen Zweifel, ob man wirklich etwas zu sagen habe, ob sich denn irgendjemand für die eigenen Gedanken interessiere. Nicht viel einfacher wird das Ganze, wenn der Auftraggeber versichert, es gäbe keine Vorgaben und Einschränkungen bezüglich des Themas. Für meine erste Kolumne fragte ich mich deshalb, warum nicht das Unangenehme mit dem Nützlichen verbinden? Ich könnte doch die Gelegenheit nutzen und ein bisschen Werbung für die Projekte und Dienstleistungen der ETH-Bibliothek machen. Am nahe liegendsten wäre ein Werbespot über E-Pics (1). Schliesslich haben wir eine tolles Produkt entwickelt und müssen jetzt unsere potentiellen Kunden – also Sie, liebe Leserin und lieber Leser – davon überzeugen, E-Pics als System für die Ablage, Archivierung und Vermittlung Ihrer Bilddaten einzusetzen. Aber das wäre schon ein wenig plump für eine Kolumne, finden Sie nicht? Oder wie wäre es mit dem neusten Produkt Baugedächtnis Schweiz Online, das einen Online-Zugang auf sämtliche Zeitschriften des Schweizer Ingenieur- und Architektenverbandes bietet, und zwar kostenlos und in einer Qualität, die ziemlich einmalig ist? (2) Aber es sind ja nicht alle Kolumnenleserinnen und -leser Architektinnen, Ingenieure, Umweltwissenschaftlerinnen oder Historiker. Für eine Kolumne also auch nicht wirklich ideal – und irgendwie zu aufdringlich. Schliesslich habe ich mich für die Frage, „Wie halten sie’s mit der Kultur?“ entschieden, im Sinne eines Kommentars zum etwas leichtfertig geäusserten Bekenntnis unseres damaligen Präsidenten zur Kultur, auf das die entsprechenden Taten folgen sollten. Nein, das mit dem Werbespot war keine gute Idee. Also habe ich mir für meine zweite Kolumne ein Thema ausgedacht, das praktisch alle an der ETH betrifft und interessieren sollte: Kommunikation. Wie wichtig – und leider keineswegs selbstverständlich – es ist, dass man miteinander redet, sich darüber informiert, womit sich der Büro- oder Labornachbar beschäftigt und dass hier an der ETH ein grosses Potential brach liegt. Der Text war schon fertig und bereit zum Versand. Und was passiert dann? Plötzlich gibt es nur noch DAS THEMA an der ETH. Die Hochschule brodelt, alle sprechen nur noch über den Widerstand gegen den Reformprozess, diskutieren darüber, was jetzt passieren könnte. Was tue ich jetzt? Die schöne Kolumne ist plötzlich völlig marginal, unwichtig, banal. Aber was schreibe ich denn zu der grossen Sache? Darf ich als Mitarbeiter der ETH-Bibliothek zu einem so brisanten, hochpolitischen Thema überhaupt Stellung beziehen? Ich komme zum Schluss, dass ich darf, wenn ich vorsichtig bin und den Fettnäpfchen und Minenfelder ausweichen kann. Aber wen interessiert dann noch meine Meinung? Eine Kolumne müsste doch witzig (wie die von Kolumnen-Kollege Kleiser) oder kompetent und originell formuliert sein (wie die von Kollege Schwarzenbach). Ist es nicht anmassend zu glauben, jemand da draussen könnte sich für die Gedanken eines Mitarbeiters aus der dritten Reihe erwärmen?
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Der es nicht wagen kann, sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen und kaum mehr weiss als die meisten Leserinnen und Leser? Und der Termin rückt immer näher. Kollegen raten mir, die Finger vom Thema zu lassen und lieber über etwas Unverfängliches zu schrieben. Über Blumen zum Beispiel. Oder übers Wetter. Doch irgendwie geht das auch nicht, man hat ja schliesslich eine gewisse Verpflichtung als Kolumnist, quasi ein temporäres Berufsethos. Und so liefere ich halt dann doch einen Text zum THEMA ab, der zwar am nächsten Tag von den Ereignissen schon wieder überrollt wird und überholt ist. Aber sei’s drum! Man kann ja immer noch hoffen, dass ihn niemand gelesen hat, oder? Diese Hoffnung wird dann allerdings zunichte gemacht. Die Rückmeldungen erfolgen zwar nicht unbedingt direkt, aber es ist offensichtlich, dass die Kolumnen gelesen werden und einem Bedürfnis zu entsprechen scheinen. Die interessanteste Reaktion, die ich auf diese Kolumnen erhalten habe, war die Rückmeldung aus der Westschweiz, dass wir an der ETH eine sehr offene Diskussionskultur hätten. Tatsächlich haben die Kolumnen zum THEMA darüber hinweg sehen lassen, dass eine offizielle Kommunikation während der Krise nicht wirklich stattgefunden hat. Dies ist meine letzte Mittwochskolumne für "ETH Life" gewesen, und ich möchte mich bei allen, die mitgelesen und besonders bei denjenigen, die mir ein Feedback (3) gegeben haben, herzlich bedanken.
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