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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 16.01.2002 06:00

Frischer Kolumnisten-Wind

Nach einem halben Jahr greifen ab kommender Woche bei ETH Life vier neue Kolumnisten in die Tasten. Wir stellen Ihnen im folgenden diese ETH-Persönlichkeiten vor.

Von Norbert Staub

Helga Nowotny: Vermitteln - und sich einmischen

"Nostalgische Anwandlungen, überfallen mich hie und da schon, wenn ich etwas Wienerisches in die Hand bekomme", bekennt Helga Nowotny. So geschehen zum Beispiel mit dem aktuellen Programm der dortigen Festwochen. Von der Donau an die Limmat verschlagen hat es sie aber nicht wegen des reichhaltigen Zürcher Kulturlebens. "Es war, wie man so schön sagt, ein Angebot, das man nicht ausschlagen konnte", umschreibt die Professorin für Wissenschaftsforschung und -philosophie, die in Wien Jura und an der Columbia University Soziologie studiert hat und später an der Wiener Uni das Institut für Wissenschaftstheorie leitete, ihren Ruf (1995) an die ETH.

"Tolle Arbeitsbedingungen und eine internationale Atmosphäre, die in Europa ihresgleichen sucht", umschreibt sie die Trümpfe der ETH. Seit 1998 führt Helga Nowotny als Nachfolgerin von Adolf Muschg das Collegium Helveticum in der Sternwarte, den schweizweit einmaligen Think Tank, der die Forschung sich selbst zum Thema werden lässt, der tote Winkel im Wissenschaftsbetrieb ausleuchtet und die Konturen künftiger Entwicklungen herausarbeitet.

"Die Forschung muss von sich aus raus aus den Labors, wenn sie sich von der Gesellschaft nicht entfremden will, sie muss eine Sprache sprechen, die verstanden wird", lautet eine ihrer Kardinalbotschaften. – Ihre Mitbegründung der Stiftung "Science et Cité" ist sichtbares Zeichen dafür. Es reiche allerdings nicht, Wissenschaft ab und an "im sonntäglichen Salon zur Schau zu stellen", sagt Helga Nowotny. Man müsse sich schon auch zum mühsameren "Einblick in die Küche" bequemen. Dasselbe gelte für die fatalerweise oft noch Welten auseinander liegenden Natur- und Geisteswissenschaften. Hier zu vermitteln, sei eine der Hauptaufgaben ihrer Disziplin. Eine weitere ihrer Botschaften heisst: "Wissenschaft muss sich politisch einmischen". Auch dafür liefert Helga Nowotny gleich selbst das Beispiel: Im September 2001 wurde sie in den Rat der Weisen des EU-Forschungskommissars Philippe Busquin berufen. Die Aufgabe: das 17.5 Euromilliarden schwere sechste EU- Forschungs-Rahmenprogramm, bei dem auch die Schweiz mittut, aufs richtige Gleis zu bringen.

Nicky Kern: Engagiert für den Mittelbau

Als Nicky Kern 1996 frisch von Ulm nach Zürich gezogen war, um sein Informatik-Studium an der ETH aufzunehmen, fiel ihm ein Stein vom Herzen: das Deutsch, das seine neuen Schweizer Kollegen sprachen, war ja problemlos zu verstehen – bis die Anstandshürde fiel und die Einheimischen wieder im Dialekt parlierten... Offensichtlich würde die Integration doch nicht so spielend verlaufen. Heute kann von solchen Problemen bei Kern keine Rede mehr sein; der 26-Jährige war Präsident des Informatiker-Fachvereins VIS und hat sein Studium mittlerweile erfolgreich abgeschlossen.

Sein Diplom machte er mit einer Arbeit im Gebiet der Computergraphik im Rahmen des Projekts "Blue C". Dabei wird eine Art Virtual Reality Videokonferenz entwickelt, in der die Teilnehmer ein dreidimensionales Bild von einander sehen (http://blue-c.ethz.ch). – Ein spürbar weiter Weg, der im Unikrankenhaus von Ulm seinen Anfang nahm, wo Kern als "Zivi" die EDV in Ordnung gebracht und so erstmals Kontakt mit seinem Studienfach geknüpft hatte.

Seit Oktober 2001 ist Nicky Kern Assistent bei Professor Bernt Schiele im Departement Informatik und und engagiert sich in der Mittelbau-Vereinigung AVETH. Für seine Doktorarbeit vertieft er sich in das momentan trendige Thema "Wearable Computing". Welches Bild hat der Doktorand von der Stellung der Assistierenden an der ETH? "Zwischen der Schulleitung und den Doktoranden herrscht eine konstruktive Atmosphäre", sagt Kern. Als negativ wertet er, dass neu ankommende Wissenschaftler in Zürich häufig allein gelassen werden. Sehr schätzt er das im D-INFK übliche projektorientierte Arbeiten; problematisch sieht er eine da und dort zu beobachtende Tendenz: "die Professoren sollten den Doktorierenden nicht zuviel Arbeit ausserhalb des definierten Projekts auftragen".

Richard Ernst: Den Atomkernen zuhören

Er wirkt nicht, als sei er pensioniert. - Wenn man ihn trifft, sträubt sich etwas dagegen, Richard Ernst als "Grand old man" der Schweizer Chemie zu bezeichnen. Trotzdem: sein enormes Renommée macht ihn nun einmal dazu. Regelmässig arbeitet er in seinem Büro im Chemie-Institut der ETH, neuerdings im Chemie-Mekka HCI auf dem Hönggerberg.

Was hat sich in seinem Leben seit jenem Tag im Jahr 1991 geändert, als dem ETH-Chemieprofessor für seine bahnbrechende Forschung im Bereich NMR-Spektroskopie der Nobelpreis zuerkannt wurde? "Nicht viel. Ausser vielleicht: man wird eher angehört, wenn man etwas sagen will", sagt er augenzwinkernd. Genau das macht er sich jetzt als einer der profiliertesten und kritischsten Kommentatoren der aktuellen Schweizer Bildungspolitik zunutze.


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vier kolumnisten
Die neuen ETH-Life-Zwischenrufer (v. l., oben): Richard Ernst, Helga Nowotny sowie Nicky Kern und Paul Schmid-Hempel (v. l., unten). gross

"Wir benutzen die magnetischen Momente von Atomkernen als Spione, um so molekulare Strukturen und Gewebe im menschlichen Körper sichtbar zu machen. Wir setzen die Atomkerne Radiowellen aus und hören auf deren Reaktionen", bringt er sein äusserst erfolgreiches Lebenswerk auf den Punkt, das zu wichtigen Anwendungen in Chemie, Biologie und Medizin führte.

"Ich habe mich immer als Werkzeugmacher verstanden," bekennt er, der lange in den USA in der Industrie tätig war und 1970 Professor an der ETH wurde. "Meine Forschung war nie für den wissenschaftlichen Elfenbeinturm bestimmt, sondern sollte stets in eine sinnvolle und nützliche Anwendung münden". Vielseitigkeit war und ist sein Programm: Die Revolutionen in den exakten Wissenschaften gründeten, so Ernst, vor allem auf der Intuition und Kreativität der Forscher.

Kein Wunder, hielten sich bei Richard Ernst die Begeisterung für die Chemie und jene für die Kunst seit seiner Jugend die Waage. Bei einer Asienreise fing er Feuer für die Kunst Tibets, die er seither leidenschaftlich sammelt und studiert. Und irgendwo müssen noch Kompositionen des jungen Richard Ernst lagern, für den die klassische Musik eine Art Lebenselixier geblieben ist. Eines seiner Erfolgsrezepte gibt er noch preis: "Wenn ich etwas mache, dann nicht mit halbem Engagement, sondern richtig - alles andere ist Zeitverschwendung." - Ganz einfach, oder?

Paul Schmid-Hempel: Darwin hatte Recht

Für Hummeln hat er eine besondere Schwäche. Paul Schmid-Hempel, Professor für Experimentelle Ökologie an der ETH und Spezialist für Fragen der Evolution, beobachtet fasziniert, wie Hummeln, aber auch Schnecken und andere unscheinbare Zeitgenossen ihr Leben organisieren. "Hummeln sind schöne Tiere, es bereitet mir ein ästhetisches Vergnügen, mit ihnen zu arbeiten", erklärt Schmid-Hempel. Aber auch ganz praktische Gründe sprechen für diese Spezies: "Es ist einfach sie zu halten, zu züchten und an ihnen zu forschen." Der Beweis dafür ist schnell erbracht: im Labor liegen auf einem Haufen zahlreiche Streichholzschachteln; darin tote Hummeln, wie der Laie meint. - In Tat und Wahrheit absolvieren sie dort nur ihren Winterschlaf.

Die Erforschung sogenannt sozialer Insekten ist ein enorm weites Feld, das Paul Schmid-Hempel mit seinem Team beackert. Spannend ist es vielleicht auch darum, weil die Beobachtung ganzer Insektenvölker manchmal an menschliches Verhalten erinnert. Das ist auch problematisch und wurde etwa im Kommunismus unter Stalin so weit getrieben, dass Honigbienen oder Ameisen zu vermeintlich "sozialeren" und "nützlicheren" Wesen als andere erklärt wurden, wie Schmid-Hempel erzählt.

Zudem klingt Evolutionsbiologie verdächtig nach Charles Darwins "Survival of the fittest" - eine historisch belastete Ideenwelt, in welcher sich noch lange nicht jeder Intellektuelle wohl fühlt. Wie hält es Schmid-Hempel damit? "Für die Biologie ist schon lange klar: Darwin hatte prinzipiell Recht", hält der Wissenschaftler nüchtern fest, "umstritten sind allenfalls noch Details". Aber dass natürliche Selektion in der Evolution eine wichtige Rolle spielt, sei nicht wegzudiskutieren. - Auch der heutige Mensch sei "Produkt" der Evolution.

Schmid-Hempel hatte an der Uni Zürich Biologie studiert, seine Karriere verlief über die Stationen Oxford, Vancouver und Basel - dann, 1991, kam der Ruf an die ETH. "Zurück zu den Wurzeln - damit hatte ich anfangs Mühe. Andererseits waren da ja bereits neue Gesichter, und die guten Forschungsbedingungen an der ETH, die mich reizten". Wann immer es die Zeit erlaubt, bricht er mit seiner Frau aus und zu grösseren Wanderungen auf - "am liebsten dorthin, wo einen nichts und niemand mehr stört". Kürzlich "erwanderten" die beiden auf diese Weise Island. Aber nicht nur dramatische Landschaften, auch dramatische Schicksale haben es ihm angetan: wenn Wagner, Verdi oder Strauss gegeben werden, ist Paul Schmid-Hempel nicht selten im Zürcher Opernhaus zu finden.




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