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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen |
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Der Wechsel zu Bachelor- und Masterstudiengängen Der Zug fährt nach Bologna |
Von Richard Pink In der "Bologna-Deklaration" vom 19.6.1999 haben 29 europäische Länder, darunter die Schweiz, beschlossen, ihre Hochschulsysteme miteinander zu harmonisieren und auf das angelsächsische Modell von gestuften Bachelor- und Masterstudiengängen überzuwechseln. Die Umsetzung ist nun quer durch die ETH in vollem Gang. Wie fühlt sich das an? Die Metapher einer Eisenbahnfahrt passt gar nicht so schlecht. Man sitzt in seinem eigenen Abteil und kümmert sich wenig um die Richtung oder die einzelnen Weichenstellungen. Man will nur dort ankommen, wo gute Wissenschaft und gute Ausbildung gemacht wird und wo das geistige Leben schön, interessant, und materiell gesichert ist. Ob dieser Ort Bologna heisst oder anders: was kümmert's mich? Ab und zu schaut man schon aus dem Fenster und betrachtet die Szenarien, die einem präsentiert werden. Da wechseln sich heitere Bilderbuchlandschaften ab mit düsteren Schreckensgemälden, und manchmal sitzt man ganz im Dunkeln. Dann hofft man, dass der oder die Lokführer sorgfältig alles beachten, was zu beachten ist. Doch wie die SBB-Angestellten wissen, sind auf dem Weg nach Bologna einige hohe Berge zu überwinden. Der Zug fährt nicht von alleine, und viele Bereiche der ETH sind mit vor den Karren gespannt. Die ETH-weiten Reglemente wurden im vergangenen Jahr überarbeitet, und ganze 12 Departemente wollen schon im kommenden Herbst auf das neue System wechseln. Das bringt eine unglaubliche Menge an Detailarbeit mit sich, natürlich zusätzlich zu allen anderen Aufgaben. Es ist unendlich mühsam, alle berechtigten Interessen zu berücksichtigen, bietet aber auch die positive Gelegenheit, die Struktur des eigenen Studiengangs gründlich zu überdenken und die notwendigen Änderungen in ein schlüssiges Konzept zu giessen.
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Jede Reise bringt Chancen und Risiken mit sich. Chancen liegen in der grösseren Flexibilität, sowohl innerhalb der einzelnen Studiengänge als auch am Scharnier des Bachelorabschlusses. Leider lässt die kürzere Studienzeit in Zukunft eher weniger Spielraum für vorübergehende Auslandsaufenthalte vor dem Bachelor. Dafür wird es sinnvoll, die anderthalb bis zwei Masterjahre ganz offiziell woanders zu verbringen. Man hofft auch, dass attraktive Masterstudiengänge von überall her gute Studenten an die ETH ziehen werden, wofür man kräftig die Werbetrommel rühren wird. Auf der anderen Seite steht zu befürchten, dass der allgemeine Grad an Hochschulbildung sinkt, wenn viele mit dem Bachelor abgehen. Ein Bachelor ist kein vollwertiger Hochschulabschluss, weil dafür primär vorgegebenes Wissen unselbständig gelernt wird. Erst im Masterstudium mit der zugehörigen Masterarbeit, die der bisherigen Diplomarbeit entspricht, erwirbt man die volle fachliche Reife. Erst der Master bescheinigt die Fähigkeit, nicht nur gegebene Methoden anwenden zu können, sondern sie auch auf unvorhergesehene Situationen anpassen und weiterentwickeln zu können. Die ETH-Schulleitung sieht das bisher auch so, doch es gilt, wachsam zu sein: in Deutschland macht sich die Politik stark für den Schmalspurakademiker mit Bachelorabschluss. Auch die "Qualitätssicherung" als Teil des Bologna- Prozesses gibt Anlass zu grosser Sorge. Obwohl gut gemeint, muss man befürchten, dass eine neue Evaluationsbürokratie geschaffen wird, die uns alle lahmlegt. Sie würde uns zwingen, ständig neue Berichte zu schreiben darüber, wie wir das tun, was wir tun, und uns dabei die Zeit stehlen, die wir bräuchten, um es zu tun. Dabei haben wir doch schon unsere internen, mit Vertretern aller Gruppen besetzten Gremien für solche Kontrollfunktionen. Etwas Neues kann bei der Qualitätssicherung auch kaum herauskommen; man weiss ja schon, wo die fachliche Qualität hoch ist. Darum hoffe ich sehr, dass dieser Kelch an uns vorübergeht... |
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