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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 20.11.2002 06:00

Hohe Belastung - wenig Lohn

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Haben Sie auch schon davon gehört, dass man sich seinen Akademikertitel, ja sogar den Doktortitel, kaufen kann? In Appenzell hat sich laut eines Zeitungsberichts eine suspekte Firma darauf spezialisiert, gegen eine hübsche Summe Geld Hochschuldiplome auszustellen. Mühsames Lernen und Studieren bleibt einem erspart, innert kürzester Zeit gehört man zum erlauchten Kreis der Akademiker. Wenn der Zeitungsartikel nähere Angaben zu dieser Firma gemacht hätte, hätte ich vielleicht sogar eine Offerte für einen Doktortitel eingeholt. Nur für einen Vergleich, versteht sich! Denn auch an der ETH und an den Universitäten ist ein Doktorat nicht gratis. Doch wie viel kostet es genau?

Machen wir eine kurze Milchbubenrechnung! Laut Bundesamt für Statistik betrug der durchschnittliche monatliche Bruttolohn im Jahr 2000 in der Grossregion Zürich 5’700 Franken. Für Berufe mit anspruchsvollen, selbständigen und qualifizierten Arbeiten betrug er sogar 7’800 Fr. Im Vergleich dazu: ein Doktorand der ETH Zürich mit einer 100%-Anstellung verdient im ersten Jahr monatlich 4’650 Fr. brutto, bei der minimalen Anstellung für ETH-Doktorierende von 60% sind es 2'790 Fr. Während einer (laut Doktoratsadministration) durchschnittlichen Promotionszeit an der ETH von 4,5 Jahren haben Doktorierende einen Bruttolohn von total 294'600 Fr. bei einer 100%-Anstellung und 176’800 Fr. bei einer 60%-Anstellung (Zuschlag von 2848 Fr. pro Dienstjahr inbegriffen). Somit „verliert“ eine ETH-Doktorandin im Vergleich zu einer anderen gut ausgebildeten und qualifizierten Person in der Wirtschaft oder im öffentlichen Sektor 161’700 Fr. bei einer 100%-Anstellung und 279’500 Fr. bei einer 60%-Anstellung (vorausgesetzt, man hat nebenher keine andere Arbeitsstelle). Ein ETH-Doktorand lässt sich also seinen Doktortitel zwischen 161'700 und 279'500 Fr. kosten! Nicht berücksichtigt sind in dieser Rechnung die entgangenen Pensionskassenbeiträge durch den Arbeitgeber sowie die Kosten für den verspäteten Aufbau der privaten Altersvorsorge (3. Säule).

An den Universitäten sieht die Bilanz unter Umständen schlechter aus, da es dort keinen minimalen Anstellungsgrad gibt. Nun ja, ein Doktorat ist schliesslich eine Ausbildung, werden jetzt einige sagen. Schlimm genug, dass dieses Argument in gewissen Disziplinen, z.B. in der Chemie, stimmt, da dort ein Hochschuldiplom ohne Doktortitel fast wertlos ist. Ansonsten ist es aber ein schlechtes Argument, denn während einer Dissertation erhält man nicht a priori mehr Ausbildung als an einer anderen anspruchsvollen Arbeitsstelle.

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Das Preis-Leistungsverhältnis für viele Doktorierende in der Schweiz ist schlecht. Denn die Doktorierenden leisten zumeist hochqualifizierte, wissenschaftliche Arbeit, doch der Preis, den die Universitäten und die ETH dafür bezahlen, ist tief. Das Problem liegt in meinen Augen nicht nur am niedrigen Lohn an und für sich, sondern auch in der geringen Wertschätzung, die den Doktorierenden damit entgegengebracht wird.

Die Hochschulleitungen und -politiker sind sich offensichtlich zu wenig bewusst, dass ein Grossteil der Forschung von Doktorierenden und Post-Docs ausgeführt wird. Auch wenn ein Professor noch so berühmt ist, zum Forschen bleibt ihm oft nicht mehr viel Zeit übrig. Hinzu kommt, dass man in jungen Jahren besonders kreativ und leistungsfähig ist - nicht umsonst werden vielen Forschenden Preise für Leistungen zugesprochen, die sie in jungen Jahren vollbracht haben.

Einen positiven ersten Schritt hat die ETH Zürich in ihrer neuen Lohnregelung für Doktorierende, die seit Januar 2002 gültig ist, gemacht: Doktorierende dürfen 50% eines Wochenpensums für die eigene Dissertation aufwenden.


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Katja Wirth, Assistentin am ETH-Institut für Hygiene und Arbeitsphysiologie und AVETH-Vorstandsmitglied. gross

Dies bedeutet, dass die Forschungsarbeit der Doktorierenden bezahlt und somit honoriert wird (wenn auch noch zu wenig). Auch der Schweizerische Wissenschafts- und Technologierat hat erkannt, welches Potential in jungen Wissenschaftlern liegt, und fordert, den Forschungsnachwuchs ganz gezielt zu fördern (1).

Gute, kreative Doktoranden sind das Kapital einer guten Hochschule. Nicht nur, dass sie zu einem grossen Teil für die Ausführung und Qualität der Forschung zuständig sind; sie sind auch die Wissenschaftler von morgen. Gute Leute arbeiten aber nicht gratis. Katharina von Salis hat dies in ihrer Kolumne, die vor zwei Jahren an dieser Stelle erschienen ist, treffend ausgedrückt: „If ETH wants to attract the most talented young people as PhD students - also from Switzerland - she and the Swiss science policy community in general will have to rethink their salary policy.” (2) Eine Hochschule, die auf ihren guten Ruf bedacht ist, sollte sich dieser Problematik bewusst sein.


Zur Person
Als begeisterte Fechterin kann Katja Wirth in ihren ETH-Life-Kolumnen Präzision, und wenn’s sein muss, kämpferische Qualitäten gut zur Geltung bringen. Die Assistentin am ETH-Institut für Hygiene und Arbeitsphysiologie hat Psychologie und Neurobiologie studiert. Jetzt arbeitet sie bei Professor Krueger an einer Doktorarbeit zum aktuellen Thema Fluglärm. In der grossangelegten „Lärmstudie 2000“ werden die Auswirkungen des Fluglärms auf die betroffenen Menschen untersucht. Katja Wirth engagiert sich zudem im Vorstand der Vereinigung der Assistierenden der ETH (AVETH). Ausserdem setzt sie sich auch schweizweit für die Assistierenden ein: nämlich in der „ActionUni“ (http://www.action-uni.ch/de/index.html), einem Forum über die Arbeitsbedingungen der DoktorandInnen an Schweizer Universitäten.



Die ETH-Life-Kolumnisten äussern ihre persönliche Meinung. Sie muss nicht mit der Haltung der Redaktion übereinstimmen.

Fussnoten:
(1) Nachzulesen in den Publikationen des Schweizerischen Wissenschafts- und Technologierats unter: www.swtr.ch
(2) www.ethlife.ethz.ch



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