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Rubrik: News
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Publiziert: 26.09.2006 06:00

Buch und Ausstellung im Archiv für Zeitgeschichte: Lajser Ajchenrand
Sprachbilder eines Überlebenden

(nst) Er hatte eines jener dramatischen Schicksale, das gespickt war mit glücklichen Zufällen – und das ihm dadurch das Überleben während des Holocaust ermöglichte: Lajser Ajchenrand, 1911 im polnischen Demblin in eine traditionelle jüdische Familie hinein geboren, war einer der bedeutendsten Autoren jiddischer Sprache im 20. Jahrhundert. Vergangene Woche stellte der Ammann-Verlag im Archiv für Zeitgeschichte der ETH (AfZ) eine Neuerscheinung Ajchenrands vor („Aus der Tiefe. Gedichte, jiddisch und deutsch“ (1)). Es handelt sich dabei um eine Überarbeitung eines bereits 1953 erschienenen Werks, der bis dahin gezogenen Summe von Ajchenrands Schaffen.

Aus Anlass der Neuedition wurde auch eine kleine Ausstellung eingerichtet. Die Witwe des Dichters, Claire Ajchenrand, hat dem Archiv vor Kurzem dessen Nachlass geschenkt. „Für die Forschung besonders wertvoll ist die darin überlieferte Korrespondenz mit seinen Flüchtlings- und Schriftstellerkollegen wie Jo Mihaly, Carl Seelig, Max Brod, Hermann Hesse und Max Frisch“, sagt Uriel Gast, Leiter der Dokumentationsstelle Jüdische Zeitgeschichte, einem zentralen Teil des AfZ. Ebenso spannend für Kenner sei Ajchenrands Briefverkehr mit jiddisch und hebräisch schreibenden Dichtern wie Abraham Suzkever oder Baruch Hager.

Prekäre Existenz, auch in der Schweiz

Ajchenrand lernte Schneider, begann zu schreiben und wanderte zwei Jahre vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nach Paris aus. Zum Verfolgten wurde er trotzdem: Er diente zunächst in einem französischen Freiwilligen-Bataillon. Kurz vor einem Einsatz gegen die Deutschen bekam er hohes Fieber – und entkam ein erstes Mal dem sicheren Tod, denn keiner der Kameraden kam zurück. Was folgte, war eine Odyssee mit Haft in einem französischen Internierungslager und anschliessender Flucht, die im September 1942 an der Schweizer Grenze fast katastrophal geendet hätte: Lajser Ajchenrand gelangte nur deshalb über die Grüne Grenze, weil ihm die Frau eines Grenzwächters dringend riet, ins Landesinnere zu laufen. Seine Mutter und seine Schwester wurden in Treblinka ermordet.


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Die prekäre Existenz setzte sich auch im vermeintlich sicheren Hafen fort. Die Jüdische Fürsorge „entdeckte“ den Dichter, der von niemandem unterstützt wurde, erst zwei Jahre nach seinem Eintritt in die Schweiz in einem Flüchtlingslager in Zürich, wo er in äusserst schwierigen Verhältnissen als Schneider arbeitete. Im Kampf um ein Dauerasyl in der Schweiz, der sich bis Ende der vierziger Jahre erstreckte, unterstützte ihn namentlich auch Hermann Hesse.

Späte Anerkennung

Er liess sich, nach einigen Jahren in Argentinien und Israel, dauerhaft in Zürich nieder, aber das Schweizer Bürgerrecht blieb ihm verwehrt. Seine späteren Lyrikbände erschienen alle in Israel. Nach und nach wurde Lajser Ajchenrands Bedeutung auch öffentlich erkannt. 1968 erhielt er in Zürich den Salomon-Steinberg-Preis, 1976 in Tel Aviv den Itzik Manger-Preis, den „jiddischen Nobelpreis“. Im November 1985 starb Lajser Ajchenrand in der Zürichsee-Gemeinde Männedorf.


Literaturhinweise:
Website des Archivs für Zeitgeschichte der ETH: www.afz.ethz.ch

Fussnoten:
(1) Zu diesem Band siehe: www.ammann.ch/n1/2-buecher.php



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