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Rubrik: News
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Publiziert: 14.07.2003 06:01

Ein Barock-Baumeister aus der Schweiz in Chiquitos
Schweizer Spuren in Bolivien

(nst) Die Region Chiquitos im Osten Boliviens war im 18. Jahrhundert geprägt von den so genannten Jesuitenmissionen. Die zum Christentum bekehrten Indianer konnten sich dort relativ eigenständig entwickeln. In dieser Epoche wirkte in Chiquitos der Schweizer Missionar, Musiker und Baumeister Martin Schmid (1694 – 1772). In zehn Dörfern bauten er und seine Nachfolger prächtige Kirchen, von denen heute noch sechs bestehen. Schmids Bauten eignet nichts Schweizerisches. Sie repräsentieren vielmehr den lokalen Bautyp der sogenannten „mehrschiffigen Holzskelettkirche“, der an indianische Gemeinschaftshäuser anknüpft – und dies in höchster Vollendung. Die UNESCO hat die sechs Kirchen 1990 zum Weltkulturerbe erklärt. Sie sind als die letzten Zeugnisse der früheren Jesuitenmissionen in Südamerika von überragendem kulturhistorischem Rang.

Wichtiger kultureller Beitrag

Knapp 250 Jahre nach Martin Schmid hinterliess in Chiquitos erneut ein Schweizer bemerkenswerte Spuren. Auch Hans Roth war Architekt – ausgebildet an der ETH – und Theologe. Roth, der 1999 starb, widmete sich in den 27 Jahren, die er in der Region lebte, der umfassenden Restaurierung der barocken Missionskirchen. Er baute zudem über 100 neue Gebäude, darunter Kirchen, Wohnungen und Lehrwerkstätten. Roth ist auch die Rettung eines der bedeutendsten Archive amerikanischer Barockmusik zu verdanken.


NIDECO – Blick über Disziplinengrenzen

Im Oktober 2002 wurde an der ETH das Netzwerk für Entwicklung und Zusammenarbeit (NIDECO) gegründet, um die Forschung und Lehre im Bereich internationale Entwicklung und Zusammenarbeit an der ETH zu fördern (siehe Artikel in „ETH Life“: www.ethlife.ethz.ch/articles/nideco.html). Eine der zentralen Aktivitäten von NIDECO ist die Durchführung disziplinenübergreifender Seminare für Doktorierende und andere Forschende.

In diesem Rahmen, und als Teil der Vorlesungen des Departements GESS, fand im Sommersemster das NIDECO-Kolloquium „Ausgewählte Aspekte nachhaltiger Entwicklung“ statt. Darin konnten Doktorierenden der ETH ihre Arbeiten Forschenden anderer Disziplinen vorstellen, um dadurch Impulse aus einer anderen Perspektive zu erhalten.

Die Palette der Themen reichte vom „Bau und Restauration der Missionskirchen des 18. Jahrhunderts in Chiquitos“ (siehe Artikeltext), über „Optionen für Grundwasser Management in Nordafrika“, „Wasserknappheit, Ernährungssicherheit und virtueller Wasserhandel in China“, bis hin zu „Optimierung der Gärung von Attiéké, einem traditionellen Cassava Gericht von regionaler Bedeutung in Westafrika“. NIDECO wird auch im nächsten akademischen Jahr wieder ein Kolloquium für Doktorierende anbieten. Informationen dazu gibt es zu gegebener Zeit auf der NIDECO-Homepage und im ETH-Vorlesungsverzeichnis.




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Wichtiger kultureller Impuls: Die von Martin Schmid erbaute Kirche von Concepción, Chiquitos, in einer historischen Aufnahme vom Beginn des 20. Jahunderts (Bild: E. Kühne). gross

Dieser wenig bekannte Schweizer Beitrag zur Kulturgeschichte Boliviens, einem Schwerpunktland der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit, ist das Forschungsgebiet von Eckart Kühne. Der 49-jährige Kühne ist ausgebildeter archäologischer Zeichner und Grabungstechniker. In den neunziger Jahren machte er ein ETH-Architekturstudium, und jetzt doktoriert er am ETH-Institut für Denkmalpflege über den Bau und die Restaurierung der Missionskirchen von Chiquitos. Kürzlich stellte er sein Projekt am NIDECO-Kolloquium zu nachhaltiger Entwicklung vor (siehe Kasten).

Motor nachhaltiger Entwicklung

Neben einer umfassenden Darstellung der Bau- und Restaurationsgeschichte will Kühne die beteiligten Architekten, Künstler und Handwerker vorstellen sowie die sozialen und kulturellen Voraussetzungen für die Entstehung dieser Barockbauten im Spannungsfeld von europäischen und indianisch-mestizischen Traditionen aufzeigen. "Es fasziniert mich, wie an der äussersten Peripherie des spanischen Kolonialreichs eine Gesellschaftsform entstehen konnte, die ganz europäisch geprägt war und doch den Indianern beachtliche Freiheiten liess“, erklärt Eckart Kühne sein Interesse für das Thema. „Ich finde es zudem beeindruckend, wie Schmid mit schlichten, lokalen Bauweisen eine grossartige Architektur schuf und wie schliesslich Roth die zerfallenden Bauten zu neuem Leben erweckt und zum Motor einer nachhaltigen Entwicklung gemacht hat."

Schon viel erreicht

Doktorand Kühne ist alles andere als ein Neuling auf seinem Gebiet: Bereits seit 15 Jahren befasst er sich intensiv mit den Jesuitenkirchen in Bolivien und Paraguay, und zwar sehr praktisch: als Restaurator und Bauführer vor Ort sowie als Gestalter von Ausstellungen in Österreich, der Schweiz und Bolivien. Von 2000 bis 2001 war Eckart Kühne Leiter des bischöflichen Architekturbüros in Concepción, Chiquitos, richtete am selben Ort das „Museo Misional“ ein und zeichnete selbst für den Neubau einer Kirche verantwortlich.


Literaturhinweise:
Website des ETH-Netzwerks für Entwicklung und Zusammenarbeit (NIDECO): www.nideco.ethz.ch



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