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Rubrik: News

20 Jahre nach Tschernobyl
Nukleare Gefahr nicht gebannt

Published: 26.04.2006 06:00
Modified: 26.04.2006 09:00
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(per (mailto:peter.rueegg@cc.ethz.ch) ) Heute jährt sich die Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl zum 20. Mal. Noch immer ist das Gebiet rund um das ehemalige Kernkraftwerk in der Ukraine stark radioaktiv verseucht. „Es wird nicht nur Jahrzehnte unbewohnbar sein, sondern Jahrtausende“, sagte Vladimir Kuznetsov gestern in seinem Vortrag an der Universität Zürich. Um den „grössten Unfall der Nuklearindustrie“ ging es dem russischen Nuklearexperten allerdings nur am Rand der Veranstaltung, die von der Militärakademie an der ETH (MILAK), der Universität Zürich und Green Cross durchgeführt wurde. Der 50-jährige Vladimir Kuznetsov war Chefexperte für die Sicherheit von Kernanlagen in der ehemaligen Sowjetunion und arbeitete bis kurz vor dem Reaktorunfall als Hauptingenieur in Tschernobyl. Als er zu Beginn der 90er Jahren zehn Kernanlagen still legen wollte, musste er unter dem Druck des Atomministeriums seinen Posten aufgeben. Heute ist er Direktor des Nuklear- und Strahlungssicherheits-Programms von Green Cross Russland.

Noch 11 Reaktoren in Betrieb

Sein Referat drehte sich vielmehr um den gegenwärtigen Zustand der russischen Atomanlagen. Noch immer sind in Russland 11 Reaktoren des Typs RBMK in Betrieb. Kuznetsov betonte, dass von diesen weiterhin ein grosses Risiko ausgehe. Sie sind gleich gebaut wie der Unglücksreaktor von Tschernobyl und liessen sich auch nach einer Erneuerung nicht sicher betreiben. Zudem sind sie in die Jahre gekommen. Die Hülle dieser Reaktoren ist dünn, sie bietet der Aussenwelt bei einem Störfall kaum Schutz vor radioaktiver Strahlung. Weiter verfügen RBMK-Reaktoren nur über einen Kühlkreislauf. „Alles in solchen Reaktoren ist deshalb radioaktiv.“ Der Grund, weshalb diese Reaktoren dennoch gebaut wurden, liegt auf der Hand: Sie produzierten den Strom am billigsten.

Für die Tschernobyl-Katastrophe habe es schon früh Warnzeichen gegeben. 1973 sei nahe Leningrad der erste RBMK-Reaktor für die zivile Nutzung in Betrieb genommen worden. Doch kaum am Netz, habe sich ein schwerer Unfall ereignet. „Das war eine Einstimmung auf das, was kommen würde.“ Als die Nuklearanlage Leningrad saniert wurde, fanden die Experten im Kühlkreislauf 370 Löcher und Risse.

Berge abgebrannter Brennstäbe

Auch in anderen AKW Russlands treten regelmässig Störfälle auf. 1992 wurden 200 gemeldet, 2005 noch 40. Das habe mit einer Änderung des Meldesystems zu tun, merkte der Experte an, nicht mit der besseren Sicherheit der Anlagen. Der grösste Unfall ereignete sich 1993 in Tomsk, wo ein Gebiet im Umkreis von 15 Kilometern verstrahlt wurde.

Der Nuklearexperte Vladimir Kuznetsov (r.) und sein Übersetzer Stephan Robinson von Green Cross erläutern die Risiken der russischen Atomanlagen.

Grosse Probleme bereiten den Russen auch die abgebrannten Brennelemente. Jedes Jahr wächst der Berg von verbrauchten nuklearen Brennstoffen um 850 Tonnen an. Die Lagerkapazität ist aber gemäss Kuznetsov in fünf, maximal sieben Jahren erschöpft. Zudem mangelt es Russland für die Lagerung an Geld.

Nukleare Flotte als Zeitbombe

Zu den Risiken gehören auch die Nuklearanlagen für die Forschung sowie die atomar betriebenen Schiffe und U-Boote der russischen Zivil-, respektive Marineflotte. Seit das erste Atom-U-Boot ausgelaufen ist, haben sich 26 offizielle und 19 inoffizielle Unfälle ereignet. 405 Seeleute liessen dabei ihr Leben. Fünf U-Botte sanken. Das bekannteste Beispiel ist die „Kursk“. Es sei das einzige, das gehoben werden konnte, sagte der Russe. Die restlichen vier lägen zu tief unter dem Meer. Dabei handle es sich um strahlendes Material.

Regierung knausert

„Bis heute hat die russische Regierung nur 12,5 Prozent des Geldes ausgeschüttet, welches sie für die Strahlensicherheit versprochen hatte“, gab Kuznetsov zu bedenken. In den 90er Jahre habe der Staat gar die Verantwortlichkeit für die Strahlensicherheit an die Regionen delegiert. Dies kam einer Bankrotterklärung in Sachen atomarer Sicherheit gleich, da dort das Geld fehlte, um den radioaktiven Abfall sachgemäss zu lagern. Noch immer aber hegt die staatliche Atomenergiebehörde „Rosatom“ Ausbaupläne für die Nuklearenergie. Sie will deren Marktanteil an der Stromerzeugung auf einen Viertel erhöhen. „Ob sie diese Pläne umsetzt, ist jedoch fraglich“, so Kuznetsov, „seit Tschernobyl sind schliesslich nur noch drei neue Reaktoren in Betrieb genommen worden.“


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