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Rubrik: News

Open Source Software an der ETH
Offene Quellen der Unabhängigkeit?

Published: 03.04.2007 06:00
Modified: 03.04.2007 08:36
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(sch) Open Source ist auf aller Festplatte: Ganze Stadtverwaltungen stellen auf lizenzfreie Betriebssysteme oder offene, nicht patentierte Datenformate wie das Open Document Format (odf) um – so erst kürzlich in Wien und München geschehen. Der Grund dazu: Nicht ein einzelner Betrieb und dessen Geschäftsstrategie entscheiden über die Weiterentwicklung von Software und Datenformaten, sondern eine weltweit vernetzte und gegen aussen offene Gemeinschaft, die sich grösstenteils aus Computercracks zusammenstellt. Sie macht ihre Entwicklungen der Öffentlichkeit zugänglich, ohne dass diese dafür Lizenzgebühren, wie bei den kommerziellen Anbietern, bezahlen müsste. Zudem sind die Anwender frei, die Softwareprodukte für ihre eigenen Bedürfnisse zu modifizieren, unter der Voraussetzung, dass diese wiederum der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.

Chancen erkannt – oder auch nicht?

Die Chancen der Open Source Software wurden auch an der ETH erkannt. Im Informations- und Kommunikations-Technologiekonzept der ETH Zürich 2003 bis 2007 (ICT-Konzept), das von der Informatik- und IT-Expertenkommission zuhanden der Schulleitung erstellt wurde, wird Open Source explizit als möglicher Ausweg aus dem Dilemma der Abhängigkeit von einzelnen Softwareherstellern aufgeführt. Momentan arbeiten an der ETH aber erst circa zehn Prozent der 18`000 ETH-Angehörigen mit einem patentfreien Linux-Betriebssystem. Laut Marcus Dapp, Vereinspräsident von „TheAlternative“ – einem Verein innerhalb des VSETH, der sich mit Fragen der digitalen Nachhaltigkeit beschäftigt – hat die ETH die Förderung und den Support von Linux-Systemen bislang weitgehend verschlafen.

In einem offenen Brief (1) an Andreas Dudler, Leiter der ETH-Informatikdienste (ID), bemängelt Dapp das Schattendasein von Open Source-Software an der ETH und die stiefmütterliche Betreuung der Linux-Anwender. Linux-Benutzer könnten auf weniger Support durch die ID zurückgreifen als Windows- und Mac-Nutzer. Zudem könne er nicht erkennen, inwiefern die ICT-Strategie und die darin festgelegte Verminderung von Abhängigkeiten an der ETH zum Tragen kommen. Gerade für eine Hochschule erachtet Dapp Unabhängigkeit im IT-Bereich als überlebenswichtig.

Keine Weisungsbefugnis

Laut Wolfgang Korosec, einem engen Mitarbeiter von Andreas Dudler bei den ID, richtet sich der Brief an die falsche Adresse. Die ID seien in erster Linie eine Dienstleistungsstelle für Verwaltung, Lehre und Forschung sowie die Studierenden. Da circa 75 Prozent der Mitarbeiter mit einem Windows-Betriebssystem arbeiten, sei klar, dass die Hauptanstrengungen im Support auf diesen Teil entfallen. Ein Impuls zum Umstellen auf Open Source-Software müsste laut Korosec entweder von den Benutzern selber oder aber von der Schulleitung kommen. Anders als in einer Stadtverwaltung hätten die ID keine Weisungsbefugnis, die eine verordnete Linux-Einführung rechtfertigen könnte.

Die Kritik Dapps, nach welcher das nötige Know-How zu Open Source-Anwendungen in den ID fehlten und sich grösstenteils auf einen Mitarbeiter konzentriere, lässt Korosec nicht gelten. Benno Luthiger sei zwar der einzige Mitarbeiter, welcher sich wissenschaftlich in Form einer Dissertation mit dem Thema beschäftigt habe und sich im Rahmen der Fachstelle Open Source (2) einzig der freien Software widme. In den ID gebe es aber Dutzende von Mitarbeitern, die aktiv an der Open Source-Gemeinschaft teilnehmen. Ausserdem benutze man in den ID schon lange eine grosse Bandbreite an Open Source-Systemen, so zum Beispiel beim Content Management. Zudem würde die von der ETH entwickelte Software nicht patentiert, damit diese wiederum von anderen ohne Lizenzen verwendet und gegebenenfalls angepasst werden kann.

Quasi religiöser Touch

Korosec kritisiert an der derzeitigen öffentlichen Debatte über Open Source-Software, den politischen und quasi religiösen Touch, mit welchem Linux-Anhänger argumentierten. Fragen der Praktikabilität und der Akzeptanz bei den zukünftigen Nutzern blieben dabei meist auf der Strecke. Natürlich sei die Mission von „TheAlternative“ auch politisch, sagt Dapp, es sei jedoch genauso politisch, wenn alle ETH-Angehörigen eine E-Mail der ID erhielten, welche indirekt das Flaggschiff-Produkt eines einzelnen kommerziellen Softwareherstellers bewerbe. „TheAlternative“ erwarte, dass mehr sichtbare Bewegung in die Aktivitäten der ID komme, welche die ETH in Richtung der ICT-Strategie bringen, so Dapp.

Korosec sieht jedoch momentan keinen Handlungsbedarf. Man werde die Entwicklungen genau beobachten und wolle sich weiterhin sämtliche Optionen offen halten. Er stimmt Dapp jedoch zu, dass freie Software punkto Sicherheit und Transparenz durchaus Vorteile gegenüber kommerziellen und patentierten Programmen mit sich brächten. So könnten bei offen einsehbaren Standards zum Beispiel Fehler und versteckte Spionagefunktionen in Programmen sofort verortet und von einer weltweiten Gemeinschaft behoben werden. Korosec kann sich deshalb durchaus vorstellen, dass längerfristig auch eine umfassende Einführung von Open Source-Software an der ETH evaluiert werden muss.

Dapps offener Brief wurde von Andreas Dudler beantwortet und kann in bester Open Source Manier im Internet angesehen werden (1). Dapps Fragen konnten jedoch nur bedingt geklärt werden. Er hat bereits ein Nachfolgeschreiben mit der Bitte um Präzisierungen an die Adresse des ID-Chefs gesandt.

Footnotes:
(1 Der offene Brief an Andreas Dudler und seine Antwort darauf: www.thealternative.ch/tiki-index.php?page=Offener%20Brief%20ID
(2 Fachstelle Open Source der ETH Informatikdienste: http://foss.ethz.ch/


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