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Rubrik: Montags-Porträts

Umweltphysiker Dieter Imboden
Das Gewissen der Wissenschaft

Published: 02.04.2001 06:00
Modified: 06.04.2001 14:42
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Der ETH-Umweltphysiker Dieter Imboden absolvierte im Wintersemester 2000/2001 einen Gastaufenthalt am Collegium Helveticum. Nebst seiner Forschungstätigkeit setzt sich Imboden intenstiv mit der Frage auseinander, welche Rolle der Wissenschaftler in der heutigen Geselschaft spielt - respektive spielen sollte. Ein Plädoyer an das Verantwortungsdenken der Forscher.



Von Michael Corbat

Es war der 30. Januar 2001, als der Umweltphysik-Professor Dieter Imboden am Collegium Helveticum einen bemerkenswerten Vortrag hielt. Der Auftritt Imbodens war zugleich Abschluss seines Gastaufenthaltes während des Wintersemesters 2000/2001 am Collegium, und sein Vortrag «Die Angst des Physikers beim Verlust des Exakten» (www.up.umnw.ethz.ch/) wohl auch deshalb bemerkenswert, weil es kein wissenschaftlicher Diskurs im gewohnten Sinne war, sondern vielmehr ein Plädoyer für WissenschaftlerInnen, die ihr Tun hinterfragen und in ihrer Forschungsarbeit weiter als nur bis zum eigenen Tellerrand denken.

Vom elitären Zirkel zum Massenunternehmen

Wie sich die Zeiten ändern, so habe sich auch die Rolle der Wissenschaft in unserer Gesellschaft drastisch gewandelt, sagt Imboden. «Dabei hat sich der eigentliche Paradigma-Wechsel in den vergangenen 50 Jahren hauptsächlich bei der gesellschaftlichen Position der Wissenschaft oder genauer, des Wissenschaftsbetriebes abgespielt. Dieser ist zu einem Massenunternehmen geworden, der viele Probleme anderer Grossorganisationen unserer Zeit teilt. Und damit vielleicht auch einen Teil seines Glanzes verlor, in dem er sich noch Mitte des 20. Jahrhunderts sonnte.»

"Wer forscht, erschafft"

Imboden scheinen betreffend der zukünftigen Rolle der Wissenschaftler zwei Dinge besonders wichtig. Erstens sollten jene, die Wissenschaft betreiben, viel bewusster über den Gegenstand ihrer wissenschaftlichen Neugierde reflektieren. Es genügt aus Imbodens Sicht nicht, etwas zu erforschen, nur weil es machbar geworden ist. «Tatsächlich kann man heute im Prinzip weit mehr machen, als es die zur Verfügung stehende Zeit und die materiellen Mittel erlauben. Also muss man auswählen und dabei insbesondere auch die Folgen der eigenen Neugierde bedenken. Ich denke, nicht jede mögliche Fragestellung ist auch eine verantwortungsvolle Fragestellung, jedes mögliche Wissen auch ein Wissen, das der Menschheit wirklich zum Segen verhilft. Wer forscht, der erschafft. Er oder sie müssen dafür gerade stehen, so wie ein Autor, der sich zwischen Lyrik und einem rassistischen Text entscheidet», führt Dieter Imboden aus.

Dass sich die eine Forschung in gefährlicheren Wassern bewegt als eine andere, ist gegeben. Wenn es beispielsweise um die physische und psychische Natur des Menschen geht, also um Gesundheit, Krankheit oder Genetik, so dürften sich weit komplexere Fragen der Verantwortung stellen als etwa bei der Erforschung der Plattentektonik. «Auch bei scheinbar harmlosen Fragestellungen können sich aber plötzlich vorher ungeahnte Konsequenzen ergeben.

Prof. Dieter Imboden
"Forschende müssen für ihr Tun geradestehen": Umweltphysiker Dieter Imboden, Collegiumsgast im vergangenen Wintersemester.

Die Kernphysiker haben vor der Entdeckung der Kernspaltung nicht an Atombomben gedacht, aber dann gab es diesen Moment, noch bevor die Bombe wirklich entwickelt war, wo sich das ungeheure Potential deutlich abzuzeichnen begann. In der medizinischen Forschung wimmelt es heute von solchen Momenten. Die Suche nach dem Alters-Gen ist ein Beispiel. Wollen wir wirklich die Mittel in die Hand bekommen, den Altersprozess verzögern oder sogar völlig aufhalten zu können?»

Gute Kunst schafft neue Wirklichkeit

Der zweite wichtige Punkt geht zurück auf die Autorenfrage. Wenn Wissenschaftler Autoren sind, gehört es für Dieter Imboden sehr wohl zur wissenschaftlichen Forschung, sich mit jenen Themen in die gesellschaftliche Debatte einzubringen, welche als gesellschaftlich relevant erkannt werden. Beschränkt sich die Rolle der Wissenschaft auf Beobachtung und Belehrung, verkennt sie ihren Platz und ihr Ziel. Imboden: «Gute Kunst belehrt nicht, sondern schafft neue Wirklichkeit. Und das macht sie nicht im luftleeren Raum, sondern aus der Interaktion mit anderen gesellschaftlichen Institutionen. Das gilt genauso für die Wissenschaft.»


Mitbegründer der ETH-Umweltnaturwissenschaften

Seit 1988 ist Dieter Imboden ordentlicher Professor für Umweltphysik im Departement für Umweltnaturwissenschaften der ETH Zürich. Geboren 1943 in Zürich, studierte er theoretische Physik in Berlin und in Basel und promovierte 1971 bei Professor Baltensperger an der ETH Zürich mit einer Arbeit über theoretische Festkörperphysik. Seine Faszination für die Umwelt und das Element Wasser brachte ihn an die EAWAG, an die Scripps Institution of Oceanography (Kalifornien) sowie an andere amerikanische Universitäten. 1987 zählte Imboden zu den Mitbegründern des neuen Studienganges in Umweltnaturwissenschaften an der ETHZ. Von 1998 bis 1999 leitete er das Projekt «novatlantis», Nachhaltigkeit im ETH-Bereich, und initierte das Pilotprojekt «Die 2000 Watt-Gesellschaft».



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