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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 10.12.2004 06:00

Kompaktes Atomkraftmikroskop
Fingernagelgrosses Mikroskop

Auf einem CMOS Mikrochip von gerade mal 7 auf 10 Millimetern gelang es ETH-Forschenden, ein ganzes Atomkraftmikroskop zu realisieren. Das Minigerät enthält neben mehreren mikromechanischen Messkomponenten, den Cantilevern, auch die gesamte Elektronik zur Signalverarbeitung. Die Forschung wird in einem Artikel des Wissenschaftsmagazins PNAS beschrieben (1).

Von Christoph Meier

Der Fortschritt in den Naturwissenschaften hängt auch immer wieder von der Entwicklung neuer Messgeräte ab. So schuf die Entwicklung des Rastertunnelmikroskops und im speziellen des Atomkraftmikroskops in den 80er Jahren die Grundlage für neue Entdeckungen, ohne die der Boom der Nanotechnologie kaum möglich gewesen wäre. Mit dem Atomkraftmikroskop (AFM) gelang es beispielsweise die Kräfte bei der Streckung von DNA-Strängen zu messen, oder lithographisch winzige Transistoren herzustellen.

Es erstaunt darum nicht, dass entsprechende Messgeräte kommerziell hergestellt werden. Diese weisen aber einige Nachteile auf: So sind sie ziemlich klobig und haben aufgrund des seriellen und nicht parallelen Scanvorganges nur einen geringen Durchsatz so dass Messungen sehr zeitintensiv sind. Cantilever-Wechsel und die damit verbundene Nachjustierung der Laserdetektion kosten weitere Zeit. Dem Team um ETH-Professor Andreas Hierlemann vom Institut für Quantenelektronik (2) ist es nun gelungen, einen Prototypen eines AFM zu entwickeln, der einige dieser Beschränkungen überwindet und der mit 4 aktiven Cantilevern inklusive der benötigten Elektronik auf einem fingernagelgrossen CMOS Mikrochip von 7 auf 10 Millimetern Platz findet. CMOS steht dabei für Complementary Metal Oxide Semiconductor, einen industriellen Standardprozess in der Chiptechnologie.

Potenter Prozessor

Auf diesem Chip können grob zwei Blöcke unterschieden werden: Ein digitaler Block, der Kontrollelektronik, Signalprozessoren und eine serielle Schnittstelle umfasst, sowie ein analoger Block (je eine Untereinheit pro Cantilever), der Filter und Verstärker sowie analog-digital-Wandler enthält.

Aufbau des neuen AFM: links die digitale Elektronik, rechts die Cantilever-Einheit mit Analogteil und Konvertern. gross

Die mikromechanischen Cantilever sind 500 Mikrometer lang und 85 Mikrometer breit und werden in mikromechanischen Verfahren nach dem CMOS-Prozess hergestellt. Um die Cantilever auszulenken macht man sich zunutze, dass diese aus zwei Schichten bestehen: Silizium und Aluminium. Erhöht man nun die Cantilevertemperatur über einen Heizwiderstand, so krümmt sich der Cantilever, da sich die beiden Materialien verschieden stark ausdehnen. Das Ausmass der Cantileverkrümmung kann somit durch den Heizstrom präzise kontrolliert werden. Während der Rasterung einer Oberfläche wird nun aufgezeichnet, wie stark der Cantilever gebogen werden muss, damit er eine konstante Kraft auf die Probe ausübt. Diese Daten werden dann zu einem Topographiebild zusammengesetzt.


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Nur so gross wie ein Fingernagel, doch der Mikrochip enthält ein ganzes Atomkraftmikroskop. (Bilder: A. Hierlemann) gross

Bei ihrem Mikroskopchip schlossen die ETH-Forscher vier der zehn Messarme an die integrierte Elektronik an, was genügte, um die Wirkungsweise zu testen und zu demonstrieren. Die Chipelektronik selbst dient zur Signalverstärkung sowie Filterung, zur Offset-Kompensation, und enthält die bereits erwähnten analog-digital Konverter, einen leistungsstarken digitalen Signalprozessor sowie die digitale Schnittstelle. Der Prozessor ist in der Lage bis zu16 Millionen arithmetische Operationen pro Sekunde durchzuführen, was gemäss den ETH-Forschern einen der höchsten Werte für CMOS-basierte Mikrosysteme darstellt. Dank dieser Rechenleistung können alle AFM-Operationen autonom durchgeführt werden, so dass keine externe Signalverarbeitung notwendig ist. Bis zu 100'000 Werte pro Sekunde können für eine Repositionierung an die Cantilever gesandt werden. Der an den Mikrochip angeschlossene Computer dient darum nur noch zur Datenaufnahme und Speicherung.

Betrachtet man die räumliche Auflösung, detektiert das neue Messgerät Höhenunterschiede von weniger als einem Nanometer beziehungsweise misst Kraftunterschiede von weniger als einem Nanonewton. Anhand von Bildern geätzter Siliziumstrukturen oder von Fortsätzen von Nervenzellen, sowie anhand von Kraft-Abstands-Kurven demonstrieren die ETH-Forscher in ihrem Paper im Wissenschaftmagazin PNAS die Leistungsfähigkeit ihres miniaturisierten AFMs.

Fragt man Andreas Hierlemann nach der grössten Herausforderung bei der AFM-Entwicklung, dann weist er auf die Komplexität des Systems hin. Es sei sehr schwierig, die digitale und analoge Elektronik zusammen mit den mikromechanischen Systemkomponenten auf einem Chip zu integrieren, auch wenn für die Elektronik alleine Standardprozeduren existieren würden. Bei einem solchen Vielkomponentensystem müsse man auch beachten, dass kleine Fehler in einer Untereinheit fatal für das System sein können. Eine Anwendung des wahrscheinlich vorläufig kleinsten AFMs sieht der ETH-Forscher bei Untersuchungen, bei denen es darauf ankommt, viele Messungen gleichzeitig zu machen. Oder in Situationen, bei denen die Cantilever schlecht ausgewechselt werden können, wie beispielsweise in der Raumfahrt, bei der natürlich auch die kleinen Abmessungen und das geringe Gewicht des Systems ein entscheidender Vorteil sind.

Vergleich einer Lichtmikroskopaufnahme (links) mit einem Bild, das mit dem neuen AFM aufgenommen wurde. Zu sehen sind Fortsätze (Neuriten) von Nervenzellen. gross


Fussnoten:
(1) Hafizovic S, Barrettino D, Volden T, Sedivy J, Kirstein KU, Brand O, Hierlemann A. „Single-chip mechatronic microsystem for surface imaging and force response studies“. Proc Natl Acad Sci U S A. 2004 Dec 7;101(49):17011-5. Epub 2004 Nov 29: www.pnas.org/cgi/content/abstract/0405725101v1
(2) Homepage von Andreas Hierlemann, Institut für Quantenelektronik: www.iqe.ethz.ch/pel/



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