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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 01.03.2006 06:00

Nachhaltigkeitsforschung an der Eawag
Wasser, Fäkalien, Abfall

Zahlreiche Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und kämpfen mit ungelösten Abfallproblemen. Forscher der Eawag suchen nach Wegen, wie in Entwicklungsländern mit angepasster Technik die Lebensqualität der Bevölkerung verbessert werden kann.

Felix Würsten

Gut fünf Jahre ist es nun her, seit sich im September 2000 am Milleniumsgipfel der Vereinten Nationen in New York 189 Staats- und Regierungschefs auf die sogenannten Milleniumsziele geeinigt haben. Auch die Schweiz erklärte sich damals bereit, aktiv einen Beitrag zur Erreichung dieser Ziele zu leisten. Zu ihnen gehören etwa die Bekämpfung der Armut, die Gleichstellung der Frauen, eine Schulbildung für alle sowie die Bekämpfung von Krankheiten wie AIDS und Malaria. Die bisher erreichten, eher bescheidenen Erfolge zeigen, dass die Ziele nur mit neuen Ansätzen erreicht werden können. Will man beispielsweise wie in New York vereinbart den Anteil der Menschen, die keinen nachhaltigen Zugang zu hygienischem Trinkwasser haben, um die Hälfte senken, müssen bis im Jahr 2015 weltweit jeden Tag 290'000 Menschen an eine funktionierende Wasserversorgung angeschlossen werden.

Diese gewaltigen Aufgaben stellen auch für die Wissenschaft eine Herausforderung dar. Einen aktiven Beitrag zur Lösung der anstehenden Probleme möchten auch die Forscher des Wasserforschungsinstituts Eawag (1) leisten. An einer Medienkonferenz in Bern zeigten Vertreter der Forschungsanstalt gestern auf, was sie konkret unternehmen, um die Lebensqualität der Menschen in Entwicklungsländern zu verbessern. Wichtig sei insbesondere, Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen, erklärte Roland Schertenleib, Mitglied der Direktion der Eawag. In vielen Fällen habe man versucht, von oben herab Lösungen zu implementieren. "Dieser Ansatz führte in vielen Fällen nicht zum gewünschten Erfolg. Wir verfolgen deshalb einen kombinierten Ansatz, bei dem nicht nur die Experten entscheiden, sondern auch die lokale Bevölkerung einbezogen wird."

Einfache Technik, komplexe Forschung

Ein wichtiges Projekt, das die Eawag in diesem Bereich verfolgt, ist die solare Wasserdesinfektion, Sodis (2) (3) genannt. Das Prinzip ist überraschend simpel: Legt man Wasser in einer PET-Flasche während rund sechs Stunden an die Sonne, wird es durch die Wärme und die UV-Strahlung desinfiziert und kann danach ohne Bedenken konsumiert werden. Heute benützen bereits rund zwei Millionen Menschen dieses Verfahren, um sauberes Trinkwasser zu erhalten. Gerade für Entwicklungsländer ist Sodis ökonomisch attraktiv. Jährlich erkranken unzählige Menschen an Durchfallerkrankungen, weil sie verseuchtes Wasser trinken. Dies stellt nicht nur für die einzelnen Familien, sondern auch für die Gesundheitssysteme der Länder eine grosse Belastung dar.

Um das einfache Verfahren zu etablieren, brauchte es Spitzenforschung, erklärt Martin Wegelin, Projektleiter von Sodis. "Nur dank ausgeklügelten Untersuchungen konnten wir zeigen, dass das Prinzip tatsächlich funktioniert." So wurde etwa kürzlich eine Doktorarbeit abgeschlossen, welche die Wirkung der UV-Strahlung auf Mikroorganismen untersucht. Das Hauptproblem, mit dem sich die Verfechter von Sodis konfrontiert sehen, ist die Verbreitung des Verfahrens. "Das Wissen kommt nicht von alleine zu den Menschen", meint Wegelin. "Da das Verfahren so simpel ist, hat niemand ein ökonomisches Interesse, Sodis zu verbreiten." Weglin möchte nun neue Produkte rund um Sodis entwickeln, welche dann von Kleinfirmen vermarktet werden können.

Wider die illegale Entsorgung

Einen Beitrag zur Förderung der Wasserqualität leistet auch die Forschung, welche Martin Strauss, Projektleiter Fäkalschlamm-Management, vorstellte. "Fäkalien stellen ein ernsthaftes Gesundheitsproblem dar, denn in vielen Städten werden sie nicht ordnungsgemäss entsorgt, sondern einfach in Flüsse eingeleitet oder unbehandelt auf Felder ausgebracht." Die Forscher arbeiten nun an Verfahren, welche die Aufbereitung von Fäkalschlamm ermöglichen. Dazu brauche es einfache, robuste Techniken, meint Strauss. "Wenn Fäkalschlamm richtig aufbereitet wird, entsteht daraus wertvoller Kompost, der ohne Bedenken weiter verwendet werden kann."

Eine Möglichkeit ist etwa, Fäkalschlamm auf speziellen Flächen zu trocknen und dann zusammen mit organischen Abfällen zu kompostieren. Auch die Vererdung oder die Behandlung in Klärteichen wird von den Eawag-Forschern als mögliche Technik untersucht. Neben den technischen Aspekten gilt es auch ökonomische Aspekte im Auge zu behalten. Mit Geldflussanalysen wollen die Forscher zeigen, wie die Entsorger dazu gebracht werden können, den Schlamm zu den Aufarbeitungsanlagen zu bringen statt ihn illegal zu entsorgen.


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Die Bevölkerung in Lombok (Indonesien) informiert sich über die Wasseraufbereitung Sodis. gross

Neuerstelltes und mit Rohrkolben bepflanztes Filterbeet für die Vererdung von Fäkalschlamm (Bangkok, Thailand). (Bilder: Eawag) gross

Kompostieren im Quartier

Ähnliche Aspekte gilt es auch bei der Abfallbewirtschaftung zu bedenken. "Abfall ist eines der grössten ungelösten Probleme der Entwicklungsländer", erklärt Christian Zurbrügg, Leiter der Abteilung Wasser und Siedlungshygiene in Entwicklungsländern (Sandec). (4) Bei ihrer Arbeit konzentrieren sich die Forscher auf organische Abfälle. Mit gutem Grund, wie Zurbrügg erklärt: "In einer schweizerischen Kehrichtverbrennungsanlage ist etwa ein Fünftel aller Abfälle organisches Material. In Entwicklungsländern macht der Anteil dieser Stoffe aber drei Viertel der Abfälle aus. Wenn es gelingt, einen Teil dieses Materials sinnvoll zu verwerten, kann man das Problem entschärfen."

Die Idee, organische Abfälle zu kompostieren, ist an sich nicht neu. An vielen Orten versuchte man jedoch, das Problem mit zentraler Grosskompostierung zu lösen. Dieser Ansatz sei aber für Entwicklungsländer nicht geeignet. "Wir setzen deshalb auf die Quartierkompostierung, die billig und technisch einfach ist", erklärt Zurbrügg. Dabei gilt es aber noch verschiedene Probleme zu lösen. So müssen etwa die Prozessabläufe optimiert werden, um die Qualität des Kompostes sicherzustellen und lästige Gerüche zu vermeiden. Gleichzeitig muss auch die Akzeptanz bei den Behörden verbessert werden.

Schwache Lobby im Parlament

Für den früheren Eawag-Direktor und heutigen Präsidenten des ETH-Rats, Alexander Zehnder, ist klar, dass diese Art von Forschung auch für Institutionen, die sich der Spitzenforschung verschrieben haben, wichtig sind. "Nachhaltigkeit ist ein zentrales Thema für den ETH-Bereich." Die heutige Gesellschaft sehe sich immer stärker einem Ressourcenstress ausgesetzt. In der Vergangenheit hätten solche Situationen immer wieder zu Innovationen geführt – und gerade darauf sei unsere Wirtschaft heute dringend angewiesen.

Auch für die schweizerische Entwicklungshilfe sei die Forschung der Eawag äusserst wertvoll, erklärte Thomas Zeller, Sektionschef Soziale Entwicklung der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit. Sie generiere spezifische, entwicklungsrelevante Resultate und stärke die Forschungskapazitäten in den Partnerländern. Im heutigen Umfeld gerät die Entwicklungshilfe allerdings zunehmend unter Druck. CVP-Nationalrätin Rosmarie Zapfl bedauerte denn auch, dass mit dem Sparprogramm des Bundes weitere Mittel gestrichen werden. Die Entwicklungshilfe, so Zapfl, habe leider in der nationalen Politik nur eine sehr schwache Lobby.


Fussnoten:
(1) Homepage der Eawag: www.eawag.ch
(2) Informationen zum Projekt Sodis: www.sodis.ch
(3) Siehe dazu auch "ETH Life"-Artikel "Zwei Plastikflaschen für ein Menschenleben": www.ethlife.ethz.ch/articles/news/sodis_energyglobe.html
(4) Homepage der Eawag-Abteilung Sandec: www.sandec.ch



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